Zuletzt bleibt nur die harte Lösung

Im Gespräch Wenn der Staat künftig Alleinbesitzer der maroden Bank Hypo Real Estate ist, sollten auch Mitarbeiter Mandate im Aufsichtsrat haben, fordert der Ökonom Rudolf Hickel

FREITAG: Wird die Hypo Real Estate nicht enteignet, wenn sich am Donnerstag herausstellt, das viele Aktionäre der Bank das staatliche Übernahmeangebot ihrer Aktien angenommen und verkauft haben?

Rudolf Hickel: So ist es, aber das große Handicap bei der ganzen Übernahmeaktion ist bekanntlich der US-Mehrheitsaktionär J.C. Flowers, der bereits erklärt hat, er werde seine Aktien nicht für die von der Bundesregierung angebotenen 1,39 Euro pro Stück verkaufen.

Wie viel hält der Bund im Augenblick?

Da gab es eine Aufstockung, so dass der Staat jetzt 22,6 Prozent übernommen hat.

Müsste man nicht genau genommen davon reden, dass längst eine Verstaatlichung der HRE eingetreten ist, allein schon wegen der enormen Bürgschaften, die jenseits der 100-Milliarden-Euro-Grenze liegen?

Sie haben völlig recht – diese Bank muss verstaatlicht werden. Trotzdem kann man natürlich fragen: Warum soll sie überhaupt gerettet werden? Darauf ist klar zu antworten: Ja, das ist ein richtiger Schritt, denn die HRE ist eine so genannte systemische Bank, sie ist der größte Finanzier von gewerblichen Immobilien und kommunalen Vorhaben. Wenn die HRE nicht gerettet würde, hätte das einen Schneeballeffekt zur Folge. Auch Versicherungen haben schließlich Pfandbriefe der Hypo Real Estate in ihren Portfolios.

Kann der einzige Weg, diese Rettung zu vollziehen, wirklich die Verstaatlichung sein. Oder gäbe es theoretisch noch andere Optionen?

Nein, die gibt es nicht. Allein schon wegen der Gesamtbeihilfen, die sich momentan auf 102 Milliarden Euro belaufen, wovon der Staat 87 Milliarden zu tragen hat. Mit anderen Worten, die finanzielle Absicherung des Staates bei einem solchen Einsatz lässt gar keine andere Möglichkeit zu als die Verstaatlichung eines dermaßen gestützten Institutes. Nebenbei gesagt, ist das auch didaktisch ein recht aufschlussreicher Prozess, weil niemand weiß, wie man eigentlich verstaatlicht. Es steht zwar im Grundgesetz Eigentum verpflichtet, und Verstaatlichungen sind möglich, aber es handelt sich bei der HRE um den ersten Fall einer operativ zu gestaltenden Verstaatlichung.

War das auch der Grund dafür, dass mit dem Rettungsübernahmegesetz zunächst erst einmal dekretiert werden musste, was geschehen soll?

So ist es, auch wenn dieses Gesetzt natürlich Spielräume lässt. Es erlaubt eine sanfte und eine harte Lösung. Erstere besteht darin, dass die Bundesregierung sagt, sie will auf der Hauptversammlung der HRE-Aktionäre am 2. Juni durch eine massive Kapitalerhöhung durch Aktienausgabe auf über 90 Prozent kommen.

Wie läuft das konkret?

Man erhöht einfach der Kapital und gibt Aktien aus, die wiederum der Staat übernimmt, der dann ganz schnell bei 90 Prozent ist. Das geht aber nur, wenn mindestens die Hälfte des Grundkapitals anwesend ist und eine einfache Mehrheit erreicht wird.

Wenn diese sanfte Variante am 2. Juni nicht zustande kommt, wird es die harte Lösung geben?

Mit einer Verstaatlichung ohne Wenn und Aber.

Wäre der Bund nach einem solchen harten Schnitt der alleinige Eigentümer?

Ganz klar. Mit den Kleinaktionären, die es dann möglicherweise noch gibt, erfolgt ein so genannten Squeeze out, die elegante Umschreibung für einen Hinauswurf. Am Ende würde dann eine hundertprozentige Staatsbank stehen. Doch die braucht ein tragfähiges Geschäftsmodell.

Sie meinen damit untern anderem die Frage, wer nimmt dann Aufsichtsratsfunktionen wahr und überhaupt in diesem Gremium Platz?

Zum Beispiel. Wenn da wieder die Leute aus der Politik kommen, etwa der Herr Asmussen, der Staatssekretär von Peer Steinbrück, der schon bei der IKB und KfW dabei war, dann kann es sein, dass die formale Verstaatlichung faktisch nichts bewirkt. Meine Idee ist es, dass man einfach die Mitbestimmung erweitert und einen Teil der Mandate an die Belegschaft weitergibt. Dann wäre vor allem die zuständige Gewerkschaft, in diesem Fall Verdi, gefragt. Das ergäbe nicht nur eine Verstaatlichung, sondern auch einen Ausbau der Wirtschaftsdemokratie.

Meinen Sie ernsthaft, dass jemand von den Mitarbeitern diese maroden Bank das Interesse hat, in eine solche Verantwortung zu gehen?

Ich denke schon, dass es da Interessen gibt, aber die Gewerkschaften wären natürlich zuständig, gar keine Frage. Das ist sicher schwierig – da haben Sie Recht –, aber es wäre ein qualitativer Schritt über die reine Verstaatlichung hinaus.

Hat denn der begrenzte Zeitraum, für den das Rettungsübernahmegesetz gilt, Einfluss auf die weiteren Schritte?

Ich halte die Zeitvorgabe bis Ende Juni für völligen Unfug. Man darf jetzt keine Vorstellung von Zeit hinein nehmen, sondern muss sagen, die Hypo Real Estate befindet sich in staatliche Hand. Und wenn es danach gut läuft, dann bleibt der Staat zunächst der Eigentümer. Denn wenn die Bank gerettet ist und wieder Gewinne macht, gibt es ja eine gewisse Refinanzierung des Staates. Das heißt, der Staat, der heute die Verluste sozialisiert, würde dann künftig auch über die Sozialisierung der Gewinne beteiligt sein.

Das Gespräch führte Lutz Herden


Rudolf Hickel ist ein deutscher Wirtschaftswissenschaftler. Er war Professor für Finanzwissenschaft an der Universität Bremen und ist seit 2001 Direktor des Instituts Arbeit und Wirtschaft in Bremen. Aktuelle Texte finden sich auf seiner Homepage

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