Wo sehen Sie sich in 5 Wochen, Frau Nahles?

SPD Inwiefern die "Maaßen-Affäre" nicht nur die GroKo, sondern vor allem die Parteispitze der Sozialdemokraten gefährdet

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Sie nickte den Deal ab
Sie nickte den Deal ab

Foto: Omer Messinger/AFP/Getty Images

Zugegebenermaßen wäre die Standardfrage „wo sehen sie sich in 5 Jahren“ für Andrea Nahles sicher viel zu schwierig zu beantworten. Natürlich könnte sie sich etwas wünschen, frei nach dem Motto: „Haus und Hund und Ehemann und alles – ach was Hauptsache gesund“, aber wahrscheinlich ist die Frage nach dem Gemütszustand in fünf Wochen jetzt erst mal ausreichend fordernd. Naja, wo steht sie dann wohl? Fakt ist: die SPD liegt am Boden. Dementsprechend auch die Parteivorsitzende.

Man hatte ja das Gefühl, dass es nach dem entgleisten Schulzzug nicht weiter runter gehen kann. Ein Aufschwung ging durch die Partei. Die Jusos machten Druck und fairerweise muss man sagen, dass ein ordentlicher Koalitionsvertrag, mit vielen Ministerposten für die Sozialdemokraten, ein guter Beginn hätte sein können. Auch kann man – abgesehen von Finanzminister Scholz, bei dem man das Gefühl hat, dass er im Hintergrund die Fäden zieht aber sich öffentlich aus fast allem raushält – viele neue Gesichter in den ergatterten Ressorts sehen. So ist Franziska Giffey jetzt Familienministerien. Wer ist Franziksa Giffey? Sie hat sich ihren Posten sicher erarbeitet und verdient. Fakt ist auf jeden Fall, dass man tatsächlich das Gefühl bekam, die SPD wolle sich wirklich ändern. Fast wie in einer gescheiterten Beziehung zwischen Partei und Wählern, wenn der Partner verspricht sich zu bessern um der Liebe noch mal eine Chance zu geben. Doch auch im wahren Leben klappt das meist leider nicht. so ist die SPD inzwischen noch weiter am Abgrund, als es Martin Schulz war nachdem er doch Außenminister werden wollte obwohl er vorab eindringlich ausschloss in ein Kabinett unter Angela Merkel einzutreten.

Wichtig zu wissen ist, dass die SPD die mitgliederstärkste Partei Deutschlands ist. Fast eine halbe Million Genossen und Genossinnen. Knapp 443 Tausend um genau zu sein. So viele hat keine andere Partei in Deutschland. Die CDU befindet sich mit ca. 425 Tausend Mitgliedern aber nicht weit dahinter. Vielleicht ändert sich die Reihenfolge ja auch bald wieder. Man hört von der Basis doch inzwischen des Öfteren, dass der Ein oder Andere den Mitgliedsausweis zurückschicken möchte. So oder so sollte die Parteispitze aber nicht erneut ihre Basis unterschätzen. Es gibt sicher einige Genossen, die länger das Parteibuch unter dem Kopfkissen haben, als manch ein sozialdemokratischer Minister/Ministerin alt ist. Man hat schon ganz andere Haudegen in der Partei überlebt und auch teilweise zum Gehen beflügelt. Hier erinnere man sich an Gestalten wie Schröder oder Lafontaine. Mit Verlaub, aber dagegen sind Nahles und Schulz kleine Lichter. Es geht einfach darum, dass auch die neue Parteiführung sich überlegen sollte, warum sie vor nicht allzu langer Zeit überhaupt dazugekommen war die Partei zu führen. Es ging um die nötige Erneuerung der SPD. Man wollte zur alten Stärke zurückfinden. Gerade Andrea Nahles war es doch, die mit ihrer leidenschaftlichen Rede auf dem Sonderparteitag überhaupt dafür gesorgt hat, dass man nun doch bereit war Koalitionsverhandlungen zu führen. Das damalige Abstimmungsergebnis war knapp. Zwar haben sich die gesandten Genossen und Genossinnen in der Mehrheit dafür entschieden Koalitionsverhandlungen aufzunehmen und doch gab es eine große Masse, die schon damals dagegen war, dagegen gestimmt hat und somit auch schlicht nicht auf der Seite der Parteiführung war und auch heute noch nicht ist.

Genau diese Masse ist es, die auch jetzt wieder – zurecht – zu einer Gefahr für die Parteispitze und somit für die ehemalige Juso-Vorsitzende Andrea Nahles werden kann.

Die Tatsache, dass ein Präsident einer großen deutschen Behörde – des Verfassungsschutzes – inzwischen mehr als nur einmal offensichtliche, große und schwerwiegende Fehler machte, ist schon schlimm genug. Sei es nun der Fall Amri, die Morde des NSU oder der konkrete Fall, in dem er diskrete Daten an AFD-Abgeordnete herausgab und zusätzlich die Vorkommnisse in Chemnitz herunterspielte. Der Mann war und ist untragbar in dieser Position. Das hat die SPD auch gut erkannt. Schnell war seitens der SPD zu hören „Maaßen muss gehen und er wird gehen“. Man forderte seinen Rücktritt bzw. seinen Rausschmiss. Wohlwissend, dass das Ärger geben könnte. Seehofer hat immer wieder seine Loyalität gegenüber Maaßen beteuert. Dass er sich – auch wegen vergangenen Streitigkeiten – also nicht direkt darauf einlässt Maaßen zu entlassen, nur weil die SPD das fordert war doch klar. Trotzdem war es richtig von den Sozialdemokraten diese Forderung aufzustellen. Maaßen ist faktisch nicht tragbar. Darüber sollte es eigentlich keine andere Meinung geben. Die Rolle von Angela Merkel in diesem Zusammenhang war wie gewohnt quasi nicht vorhanden. Sie hätte auch einfach durch ihre Richtlinienkompetenz nötige Schritte einleiten können. Die Chance hatte sie aber auch schon vor einigen Monaten als Seehofer ihr auf der Nase herumtanzte. Merkel ist nicht in der Lage Entscheidungen zu treffen und das wird sich wohl auch bis zu vorzeitigen Ende ihrer Amtszeit nicht ändern.

Den Deal, den Seehofer nun mit Maaßen aushandelte, nämlich den, Maaßen zum Staatssekretär im Innenministerium zu befördern, ist ein Guter. Zumindest für den ehemaligen Präsidenten des Verfassungsschutzes. Mehr Geld, mehr Verantwortung und die Möglichkeit auf weitere politische Ämter.

Das Problem der SPD in diesem Zusammenhang ist aber, dass Nahles diese Entscheidung mittrug. Sie nickte das Ganze ab. Und genau das wird ihr jetzt von ihrer eigenen Partei - im Übrigen auch von vielen Wählern - zum Vorwurf gemacht. Die Sozialdemokratie zog wieder mal den Kürzeren und biss die Zähne zusammen um die Koalition nicht zu gefährden. Der Klügere gibt nach. Nur wenn immer der Klügere nachgibt, dann gibt es irgendwann wohl nur noch Idiotien. Und das ist vielleicht auch das was große Teile der SPD-Basis und inzwischen auch einige Genossen der Parteiführung denken. Wie lange kann man es noch aushalten, dass ein Innenminister macht was er will, ohne Rücksicht auf Verluste. Es wirkt fast so, als möchte man den anderen Parteien und sogar der eigenen, der CSU nur schaden. Einen Vorteil für irgendwen, außer für Maaßen selbst, ist nicht zu erkennen.

Dass der politische Beamte, der den Platz für Maaßen frei machen muss ein Sozialdemokrat ist macht den Kohl nicht mehr fett, ist aber eine interessante Nebentatsache. Auch unter diesen Umständen gab Nahles ihr „GO“. Jetzt rechtfertigt sie sich damit, die Verantwortung für die Entscheidung an Seehofer weiterzuleiten. Damit macht sie es sich zu leicht. Sie hat dem Deal zugestimmt und trägt natürlich dann auch Verantwortung dafür.

Interessant wird nun sein wie die SPD reagiert. Montag kommt die Spitze zusammen. Es ist möglich, dass sie sich mit einem Parteibeschluss gegen die Entscheidung von Andrea Nahles stellt und das ganze Wechselspiel dann doch noch verhindert. Was dann mit Maaßen passiert bleibt ungewiss. Ähnlich ungewiss bleibt auch wie es dann mit der Koalition weitergeht. Wer kann hier noch sein Gesicht wahren? Aktuell sieht es so aus, als würde nur Andrea Nahles und ein Stück weit auch die Kanzlerin ihres verlieren. Seehofer scheint mal wieder "zu gewinnen" - obwohl die CSU sicher auch nicht schadenfrei davon kommt. Am Ende gewinnen leider wieder nur die Rechtspopulisten der AFD. Gerade Angela Merkel sollte sich hinterfragen ob es Sinn macht, sich weiterhin aus allem rauszuhalten und nicht mal auf den Tisch zu hauen und Dinge zu entscheiden. Irgendwann ist das Gesicht komplett verloren. Und die SPD kann ihres auch nicht ewig mit neuer Schminke bedecken, um diese dann sofort wieder abzuwaschen. Der Wähler schaut inzwischen immer häufiger hinter die Fassade…

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Geschrieben von

Lutz Nickel

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