4 Hände, 2 Globuli und ein Hormontornado

Alles neu Die Welt mit Kind dreht sich nicht nur schneller, sondern irgendwie auch in unterschiedliche Richtungen. Sie ist auch nicht mehr rund, geschweige denn ganz.

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Luzieh meldet sich zurück. Sporadisch, denn ich bin quasi einhändig, wenn überhaupt.

Mein Partner und ich hatten uns schon sehr früh gegen eine klinische Geburt entschieden und für das Geburtshaus. Die Betreuung durch die Hebamme war super. Vor während und auch jetzt, nach der Geburt, wusste ich, die Entscheidung war richtig. Das einzige, was es an medizinischer Betreuung während der Geburt gab, war ein kleines Gerät zum messen der kindlichen Herztöne während und nach den Wehen. Aber ich will Euch nicht mit Details langweilen. Doch eigentlich schon, und deshalb: wer keine Lust hat, liest nicht weiter. Erster Punkt: Geburtsvorbereitung. Ich hatte eigentlich keine Große Lust. Die ganze Schwangerschaft über war es mir ein Graus mich mit Menschen abzugeben, nur weil die auch ein Kind erwarten. Aber was eine gute Schwangere ist, die macht auch einen Geburtsvorbereitungskurs. Postnatal muss ich auch sagen: beste Idee. Ohne den Kurs wär’s bestimmt noch schwieriger gewesen, das Kind zu Schaukeln. Naja und für den Vater war das auch eine wichtige Erfahrung. So hatte er wenigstens eine Ahnung von dem, was ihm und mir bevorsteht. Ich bin nicht so der Typ für Hokuspokus, aber ohne geht ein solcher Kurs nicht von statten. Das Wasser: in einer Karaffe. Und was ist das? Fragte ein werdender Vater. Keine Angst, sagte unsere Hebamme, das ist kein Energiestein, der fügt dem Wasser keine bestimmte Energie zu, der reinigt es nur. Ach so. Hat jemand von Euch schon mal eine gestrickte Plazenta gesehen? Postnatal (mein neues Lieblingswort) muss ich zugeben: sehr nah am Original. Wo ich grad beim Thema bin: Wer nach der Geburt aus der Plazenta Globuli herstellen lassen möchte, es gibt da die Möglichkeit. Ihr müsst nur vorher Bescheid sagen und Euch in der Apotheke… irgendwas holen, das wird dann eingeschickt und kommt in Form von Zuckerkügelchen zurück. Hört sich ganz witzig an, oder? Es soll das Kind im Falle von undefinierbaren Verstimmungen an die Zeit in der Gebärmutter erinnern und das allgemeine Wohlbefinden steigern. Außerdem sind die gut, um die Mutter-Kind-Bindung zu fördern. Für etwa 90€ ist das Paket zu haben. Bevor ich hier anfange das ganze zu veralbern: sowohl die Geburtsvorbereitungshebamme, als auch meine eigene haben nie versucht, uns irgendwas aufzuschwatzen. Sie sind eben bemüht, über alle Möglichkeiten zu informieren. Nach zehn Wochen Kurs hatten wir noch etwas Zeit, alles Sacken zu lassen und uns in unserer neuen Bleibe einzurichten. Sacken lassen konnten wir. Das mit dem fertig einrichten hat nicht mehr sein sollen. In der Ursprungsversion des Textes folgten hier der zweite und der Dritte Punkt. Hier die Kernsätze von Punkt Zwei: Dort gab es die vier Hände meiner Hebammen. Die beiden Arme meines Partners, mehr habe ich von ihm nicht wahrgenommen, mal abgesehen davon, dass er, wie im Kurs gelernt, meine Geräusche nachgemacht hat und zu meiner Überraschung fand ich das weniger komisch, als ich dachte. Zum Denken bin ich aber auch gar nicht gekommen. Zu guter letzt gab es im Laufe der Geburt zwei Globuli. Das eine, damit ich den Weg finde und das andere…hm, ich weiß nicht wofür das war. Ich habe die gesamte Schwangerschaft nichts eingenommen, außer einem Mittel gegen das widerliche Sodbrennen. Aber in der Situation hätte ich alles genommen, was mit angeboten worden wäre. Auch deshalb bin ich froh, nicht in eine Klinik gegangen zu sein. Die haben ja viel mehr Stoff zur Verfügung. Punkt Drei lass ich tatsächlich aus, aber das Ganze ist jetzt auch fast acht Wochen her. In der ersten Nacht habe ich morgens gegen sechs, zwei Stunden nach dem Einschlafen, die Augen aufgemacht und mich erstmal erschrocken. Es dauerte Sekunden, bis ich die Ereignisse wieder zusammen hatte: ach ja, das gehört jetzt zu uns. Die ersten sieben Tage war die Hebamme die einzige, die uns besuchen durfte. Alle anderen mussten sich gedulden, was besonders der Oma väterlicherseits zu schaffen machte. Aber sie hat sich tapfer geschlagen und musste einsehen: ihr macht ja eh alles anders, als die anderen, das kennen wir ja schon. Ich persönlich hätte eher neun Tage gebraucht. Denn ab Tag vier hatte er mich, der Babyblues. Ich glaube bei dem Punkt habe ich im Geburtsvorbereitungskurs nicht aufgepasst, oder ich war auf der Toilette. Das ist aber eigentlich auch egal, denn auf diesen Hormontornado, der mich da überrollte, kann einen niemand vorbereiten. Als ich zu Beginn der Schwangerschaft einmal mit wehleidiger Laune aus der Wanne stieg, mich im Spiegel betrachtete, um mich von meinem Körper zu verabschieden, dachte ich wortwörtlich: Genderstudies hin oder her – ich bin ein Hormonmonster. Ha! Pustekuchen!!! Postnatal liegt der Hase im Pfeffer, oder so. Ich liebe meine Hebamme dafür, dass sie deutliche Worte fand: Das ist etwas, über das nicht geredet wird. Alle erwarten von der frischen Mutter, dass sie im Glück ertrinkt. Dabei ist er normal, dass es in Meer aus Tränen gibt. Und: Du musst das raus lassen, schäm Dich nicht dafür, das ist wichtig für die Rückbildung. In der Badewanne ging das ganz gut – ich wusste gar nicht, dass man unter Wasser weinen kann. Und Papa? Ja, der hatte sich die erste Woche auch romantischer vorgestellt, denn er war es der ab dem dritten Tag einen Bürokratiemarathon hinlegen musste, der sich gewaschen hat. Geburtsurkunde beantragen, Kindergeldantrag abgeben, Elterngeldantrag abgeben und Fragen gestellt bekommen, die nur ich beantworten konnte, dann die Urkunden abholen, an die jeweiligen Behörden und Stellen weiterleiten, Das Kind versichern – und das ganze bei 36 °C. Bei diesen Temperaturen lag ich im Übrigen im Wochenbett und dachte an die vielen Artikel zum Thema Überhitzung von Säuglingen nach. Wir haben uns schon vor der Geburt überlegt, dass es eine gute Idee wäre, wenn Papa sich den ersten Teil seiner Elternzeit direkt nach der Geburt nimmt. Was für ein Glück. So haben wir die ersten sieben Wochen und auch den ersten Wachstumsschub gemeinsam erleben können. Das war irre. Wir haben Witze gemacht: Als wenn ab 19h die Milch sauer wird. Nicht mehr so witzig fand ich das, als Papa den Witz auf einer Grillparty gerissen hat. Menschen, die Eltern sind, wissen was gemeint ist, aber unsere Freunde isnd in der Mehrzahl keine Eltern. Und ich fuhr ihn an, er möge bitte nicht den Eindruck erwecken, ich sei für die schlimmen Abende verantwortlich, die wir seid zwei Wochen erlebten, schließlich fühlte ich mich ohnehin schon unzulänglich. Ja, ja, die Hormone…Dass Stillhormone ähnlich stark sind, wie Schwangerschaftshormone hat mir auch keiner gesagt. Seit das Kind da ist, habe ich mehr Stimmungsschwankungen, als während der Schwangerschaft. Aber gut, wer seit knapp acht Wochen nicht mehr als drei Stunden am Stück schläft, muss auch nicht immer gute Laune haben. Jetzt ist der Klischeekleinfamilienrhythmus eingebrochen. Papa arbeitet wieder und Luzieh bleibt mit Hund und Kind daheim. Mal sehen, wie das weitergeht. Nächstes Mal gibt es dann wohl Geschichten von vollen Windeln und anderen Kackastrophen.

auch hier: http://dieausrufer.wordpress.com/2012/09/19/3062/
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Geschrieben von

luzieh.fair

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