In die Rolle gefallen

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Einige wussten es schon, anderen haben es sich vielleicht gedacht und wieder andere interessiert es nicht: Luzieh bekommt Nachwuchs. Nicht, das Luke irgendeine Hündin begattet hätte, das kann er gar nicht, der wurde schon kaputt geliefert, nein, es zappelt ganz reell und in sechs bis acht Wochen ist es dann soweit. Mini-me kommt.

Warum ich das jetzt schreibe?

Natürlich gibt es Gründe.

Mir ist da nämlich was aufgefallen. Mal wieder.

Ich.

So hab ich mir das nämlich nicht vorgestellt.

Früher.

Sondern so: ich bin fertig mit dem Studium, habe ein Festanstellung –wenn auch, wie für das akademische Präkariat üblich- befristet. Dann die Planung. Nachwuchs? Ja, jetzt passt es. Irgendwann dann Mutterschutz und die übliche Auszeit. Vätermonate für ihn. Krippenplatz und ab zur Arbeit. Wer, wie viel arbeiten würde, hätten wir von verschiedenen Faktoren abhängig gemacht und besprochen.

Soweit der Plan.

Naja: Als ich letztes Jahr im November erfahren habe, was da in mir vor geht war eine Sache als aller erstes klar: Nachtschichten in der Raucherkneipe, oder überhaupt Schichten in der Raucherkneipe, sind nicht mehr drin. Panik. Mein Leben und mein Studium finanziere ich mir seit Jahren selber und das war schwer genug. Wie soll das denn jetzt gehen?! Neuer Job? Fehlanzeige. Ist auch nicht so einfach, ich mag nicht Lügen, weil ich dann irgendwann erklären müsste, warum ich die schweren Kisten auf dem Markt nicht heben kann, oder warum ich nicht die scharfen Putzmittel verwenden will.

Verwenden will mich also auch niemand.

Lucky me: Beschäftigungsverbot.

Da ich gute Beratung bei der Gewerkschaft genossen habe, wusste ich, dass ich auch als studentische Aushilfe die gleichen Rechte genieße, wie jeder andere Arbeitnehmer auch.

Abgesehen vom Kündigungsschutz. Dafür haben wir (Danke Rot-Grün!) zu wenige Angestellte. Aber: ich habe zwei nette Chefs, die außer dem organisatorischem Aufwand keine Nachteile durch das Beschäftigungsverbot haben. Nun bekomme ich mein kärgliches Gehalt von meiner Krankenkasse und ab demnächst ein darauf basierendes Elterngeld. Vermutlich der Mindestsatz.

So viel zu den harten Fakten.

Was dieses Beschäftigungsverbot, für das es klare gesetzliche Richtlinien gibt, betrifft, gibt es zwei Anekdoten, die ich Euch nicht vorenthalten will:

Der Frauenarzt (bereits ausgetauscht): also Frau Luzieh, es gibt keine Studien dazu, dass es Ihnen, oder dem Kind schaden könnte, wenn sie weiter in dieser Kneipe arbeiten und ich habe ihnen doch gesagt, eine Schwangerschaft ist das normalste der Welt, sie können weitermachen, wie bisher…

Was erzählt der da? Der Typ ist in etwa 100 Jahre alt und weiß nichts über mich und meinen bisherigen Lebensstil. Unverantwortlich. Ich bin natürlich pfiffig genug, um Wein und verrauchte Räume hinter mir zu lassen, aber das kann der ja nicht wissen, ich bin ja heute das zweite Mal hier. …und wenn alle Frauen ein Beschäftigungsverbot wollten, hätten wir bald keine weiblichen Arbeitskräfte mehr

Und auch das letzte. Ich faule Frau.

Ab zur Hausärztin: Natürlich können sie nicht mehr da arbeiten. Sie hätten sowieso nicht in einer solchen Umgebung arbeiten sollen. Das ist ungesund. Beschäftigungsverbot? Ihr Partner verdient doch Geld, oder? Wo ist das Problem, wenn er sie erstmal finanziert? Wir müssen die Sozialkassen doch nicht weiter schröpfen, als das eh schon gemacht wird…

Ok, dann schröpfe ich eben meinen Partner.

Zum Glück wusste ich, dass es auch anders geht. Mein Chef kann nämlich selber das Verbot aussprechen. Und das hat bei der Krankenkasse genau so viel Gewicht, wie das Wort der nun ausgetauschten Ärzte.

Die Luzieh und ihr Partner freuen sich sehr und machen viele Dinge, um sich auf das freudige Ereignis vorzubereiten.

Ich habe mich mit einer Sache ziemlich schwer getan: meiner neuen Rolle.

Luzieh, die Abhängige.

Da ich mitten in meiner Magisterarbeit stecke und eben nur mein kleines Gehalt bekomme, bekam er ganz plötzlich die Ernährerrolle. Ich werde ernährt. Besonders jetzt, wo der Mietvertrag unterschrieben ist, wird sehr klar: alleine wäre das alles kaum machbar. Und nun wird der Plan umgedreht: Kind kommt. Abschluss wird gemacht. Und dann: Krippenplatz und ab zur Arbeit. In der Theorie. Denn soweit sind wir nochnicht.

Im nächsten Teil, gehe ich folgendem Gedanken nach: Genderstudies hin, oder her – ich bin ein Hormonmonster. Natürlich ein nettes.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

luzieh.fair

work in progress

luzieh.fair

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