Langzeitstillende Rabenmutter

Krippenkind Frauenfitness und Krippenplätze

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Langzeitstillende Rabenmutter

Foto: AFP/ Getty Images

[Wegen der off-topic Diskussion im Ursprungsartikel: hier nochmal das Ganze. Ich werde morgen die zahlreichen netten und auch den einen weniger netten Kommentar beantworten, würde Euch aber bitten, etwaiige Fehden nicht unter meinen Beiträgen auszufechten]

Das Gute an einem Frauenfitnessstudio ist, dass es dort nur Frauen gibt. Das verrückte an einem Frauenfitnessstudio ist, dass es dort nur Frauen gibt. Ich stehe in der Umkleide und bin gerade dabei meine Duschsachen auszupacken, als dreimal nacheinander die Tür aufgeht. Ich bin neu und will nicht gleich meckern, also schließe ich die Tür wortlos. Dreimal. Beim dritten Mal schüttele ich verwirrt den Kopf. Ich wusste nicht dass Frauenfitnessstudio bedeutet, dass die Privatsphäre abgeschafft wird. In meinem Kopf läuft ein Film. Lauter Nackte auf den Trainingsgeräten, fröhlich gurrend hüpfen sie von A nach B.

So ist es natürlich nicht. Aber ich bin im Grunde wohl eine prüde Spießerin und hätte gerne einen geschlossenen Raum zum umziehen. Als ich das vierte Mal die Tür schließe sage ich das auch: Also wir sind hier zwar unter uns, aber zum Umziehen und fertigmachen hätt ich gerne geschlossene Türen. Wir kam es eigentlich dazu, dass ich die Zeit gefunden habe, einen solchen Ort zu besuchen?

Krippenplatz!

Ich hatte ja Angst.

Aber die Kröte, wäre nicht meine Kröte, wenn sie das nicht super hingekriegt hätte. Es ist vielleicht wirklich so, wie ich es mal gehört habe:

Kinder sind wie Zecken – lass sie sich mit Liebe vollsaugen und sie fallen irgendwann von alleine ab.

Das gestrige Feedback der einen Betreuerin: der Kleine behandelt eigentlich jeden Fremden so, als würde er ihn schon Jahre kennen. Ich musste an unseren letzten Einkauf denken: Die Kröte im Einkaufswagen, zeigt mit dem Finger auf die vorbeilaufenden und quietscht vor Vergnügen. Irgendwie findet er alle Menschen ziemlich witzig. Momentan ist das noch süß, aber wenn die ersten Sätze aus ihm rauspurzeln sehe ich schon vor mir: Hahaa, Mama, wieso hat der Mann da Haare in der Nase? Wieso hat der einen Ball unterm Pullover? Hat die Tante da einen Bart?

Ich freu mich schon!!!

Unsere Beikosteinführung ist übrigens am Ende zu Ende gewesen. Breiphase faktisch übersprungen. Als er knapp 11 Monate war und immer noch nahezu voll gestillt wurde, habe ich an einem Samstag morgens meine Lernsachen gepackt und bin bis zum Abendbrot in der Uni verschwunden. Danach hat er dann verstanden, dass Essen sich nicht nur witzig anfühlt und verrückt schmeckt, sondern auch satt macht. Als er ein paar Wochen später seinen ersten Krippeninfekt hatte, hatte ich plötzlich wieder ein 13 Monate altes, vollgestilltes Baby zu Hause. Nach dieser Erfahrung habe ich beschlossen, mindestens den Winter noch durchzustillen, damit wir die kommenden Krankheiten ohne große Sorgen überstehen. Denn gestillte Kinder mit Magen Darm trocknen nicht aus, weil sie die Brust als Nahrungsquelle nicht verweigern und so genug Flüssigkeit bekommen. Übrigens bin ich nun keine dogmatische Langzeitstillerin geworden. Ich habe nur den Eindruck, dass es für die Kröte und mich richtig ist, das so zu machen.

Apropos Langzeitstillen: als er 12 Monate war, wurde ich das erste mal offiziell als Langzeitstillerin bezeichnet und ich bin tatsächlich die einzige, aus unserer Krabbelgruppe, die nicht mit spätestens 10 Monaten abgestillt hat. Als ich die Kröte mit 10 Monaten in der Öffentlichkeit eines Cafés gestillt habe, wurde ich angeguckt wie ein Allien.

Ganz ehrlich: ich kann verstehen, dass Menschen es befremdlich finden, wenn ein zweijähriges Kind der Mutter das Shirt hochschiebt, um anzudocken. Aber wenn ein Baby mit 10 Monaten gestillt wird...naja, egal. Mein neuer Chef hat übrigens in einem Nebensatz erwähnt, dass er es ja nicht übers Herz gebracht hat, sein Kind in dem Alter in die Krippe zu stecken.

Ich bin jetzt also Langzeitstillende Rabenmutter.

Letztens bin ich übrigens mal wieder zurück in mein altes Leben: bei schönstem Wetter habe ich gemeinsam mit anderen gegen ein Paar Nazis von Pro Deutschland demonstriert. Ist schon komisch, nach all der Zeit wieder als Indiduum und nicht als Mutter wahrgenommen zu werden. Das individuelle Ergebnis nach einer geräumten Sitzblockade waren übrigens ein geprellter Po und abgeschürfte Ellenbogen.

Ein Traum!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

luzieh.fair

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luzieh.fair

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