Verpflichtende Entbindung

krude Idee Eigentlich habe ich für so einen Schwachsinn keine Zeit, aber ich wollte wissen, was dahinter steckt: kurze Rechercheergebnisse zur "juristischen Abtreibung" (sic!)

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Gleichberechtigung. Wie ich zu dieser stehe, dürfte geneigten LeserInnen hinlänglich bekannt sein. Auch dass ich mich als Feministen betrachte, ist kein Geheimnis. Nun wollte ich eigentlich einen meiner Alltagsblogs schreiben, der auch schon mittelmäßig fortgeschritten ist und die Thematik der Partnerschaft mit Kind anschneidet. Doch dann gab es eine Diskussion in der sich zum wiederholten Male ein Begriff breit machte, der mich stutzig machte.

Juristische Abtreibung.

Es gab den freundlichen Hinweis, die Suchmaschine zu nutzen, wenn ich mich mit dem Konzept auseinandersetzen will. Danke dafür. Wenn ich also den Begriff juristische Abtreibung bei Google eingebe, gibt es 333 Treffer. Erst dachte ich: das ist ja viel versprechend, musste aber schnell feststellen, dass es sich bei der Mehrzahl der Treffer um Forenbeiträge handelt, die sehr Faktenarm waren. Auf welchen Weg ich mich begeben habe sah ich, als ich hier landete: Ich dachte erst, dass ich da wohl ein Konzept finden würde. Doch weit gefehlt. Also doch, ein Konzept gibt es. Scheinbar. Als Referenz wird die rechtliche Situation in Frankreich angeführt. Nur: die verlinkten Seiten geben gar nicht her, dass es in Frankreich die juristische Abtreibung gibt. Aus ihnen geht lediglich hervor, dass in Frankreich automatisch beide Elternteile Sorgerecht/pflicht inne haben. Wenn ich mich nicht täusche, ist das in Deutschland mittlerweile auch der Fall. Wenn es keine Kindeswohlgefährdung gibt, müssen sich die großen Leute eben am Riemen reißen und zum Wohl des Kindes entscheiden. Außerdem wird in Frankreich darauf hingearbeitet, dass das Kind im so genannten Nestmodell groß wird. Das heißt, es muss nicht pendeln, es lebt immer an einem Ort und die Eltern wechseln sich ab mit dem Zusammenleben. Eine gute und am Kindswohl orientierte Idee.

Zum „Konzept“: Der Verfasser möchte, dass Männern ein (Achtung: gleichberechtigtes(!) ) Äquivalent zur Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruches zur Verfügung gestellt wird. Die Argumentation geht so: Frauen können sich bis zum sechsten Lebensmonat des Kindes entscheiden, ob sie es behalten, oder nicht. Sechs Monate sei der letzte Zeitpunkt für die legale Abgabe in einer Babyklappe, oder auch die Freigabe des Kindes zur Adoption. Wenn ich mich jetzt nicht sehr täusche, kann kein Kind zur Adoption freigegeben werden, wenn nicht beide Sorgeberechtigten einwilligen. Und nur wenn es keinen eingetragenen Vater gibt kann die Mutter erstmal alleine entscheiden, wobei der Vater auch ein Widerspruchsrecht hat und dann eben festzustellen bliebe, dass es sich um den Vater handelt. Aber gut, weiter im Text. Gleichberechtigtes Äquivalent meint dann wohl, dass ein Zeuger sich bis das Kind ein halbes Jahr alt ist entscheiden kann, ob er sich der Verantwortung stellt oder nicht. Es wird bei diesen Forderungen unterstellt, dass Frauen, die sich für einen Abbruch (innerhalb der ersten 12 Schwangerschaftswochen), oder für eine Adoption (wahlweise anonyme Geburt oder Babyklappe) entscheiden, dies mal eben so zwischen Kaffee und Kippe täten Was ich an der verlinkten Seite mit am Schlimmsten finde, ist der Bezug auf die angebliche französische Rechtslage. Um es kurz zu machen: das ist Unsinn und böswillige Irreführung. Eine schwache Argumentation mit Scheinfakten zu untermauern ist ziemlich unverfroren.

Sei’s drum.

Mir wurde gesagt (und das ist auch das Fazit bei männergedanken), wenn ich die juristische Abtreibung ablehnen würde, müsse ich auch dafür sein, Schwangerschaftsabbrüche et al. zu verbieten. Man kann zu Schwangerschaftsabbrüchen und zum Adoptionsrecht stehen, wie man will und ich muss, nein ich möchte auch sagen, dass meine persönliche Meinung (die sich ja aber nur auf mich und meinen Körper bezieht) zu dieser Thematik nicht deckungsgleich ist mit meiner politischen Einstellung. Aber diese Diskussion wird mit Totschlagargumenten geführt: wer die Idee der juristischen Abtreibung überdenkt, schüttelt zwangsläufig den Kopf. Und an dieser Ablehnung der kruden Idee wird dann angesetzt. Denn: wenn Du hier nicht für Gleichberechtigung bist, musst Du in der Konsequenz dafür sein, Schwangerschaftsabbrüche zu verbieten. Kommt dann jemand mit Selbstbestimmungsrecht, wird gefragt, wen denn der Unterhaltszahler interessiert, der sich jahrelang den Buckel krumm schuftet, um für das ungewollte Kind aufzukommen?

Nicht verheimlichen will ich auch diesen ambitionierten Artikel zum Thema. Im Vergleich zu der scheinbar objektiven Abhandlung von männergedanken liest sich das sogar recht unterhaltsam. Lustig wird es aber dennoch nicht; dieses Wortspiel „Biologische Vaterschaft verpflichtet - Biologische Mutterschaft entbindet“ hat mir schon mal sehr gefallen. Etwas unschön wurde es dann hier: „Wer "ungewollt" schwanger wird, ist entweder kriminell, oder ein Fall für das Vormundschaftsgericht. Denn wer schwanger wird, will schwanger werden.“ Dem Mann bleibe, „um mögliche Konsequenzen zu vermeiden (…) nur das Zölibat“. Aja, Kondome gibt es wohl nicht und naja, die Entwicklung einer Pille für den Mann, wurde schon zweimal eingestellt. Vielleicht wäre das ein Punkt anzusetzen: Männer! Auf die Barrikaden! Gleiches Recht für alle – Ihr müsst auch die Pille nehmen dürfen! Im Fazit unterscheiden sich die Artikel kaum, jedoch möchte der Letztgenannte zusätzlich zum Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen, die juristische Abtreibung einführen, um „Schwangerschaftsbetrug (…) unlukrativ“ zu machen. Ersterer plädiert für ein Entweder-oder.

Was mich unter anderem interessieren würde, ist ja die Frage nach der Beweispflicht. Wer so ein Konzept einführen, also gesetzlich verankern, und dann auch nutzen will, muss doch eigentlich beweisen können, dass die Frau gegen seinen, vor dem Akt erklärten, Willen willkürlich und in eigenmächtiger, nahezu böswilliger Entscheidung schwanger geworden ist, oder?

Übrigens: ich glaube, dass die Väterbewegten sich ganz entschieden gegen ein solches von Maskulinsten gefordertes Konzept aussprechen sollten. Denn ihnen geht es ja um die gleichberechtigte Sorge um und für das Kind, wenn ich das richtig verstanden habe.

Und zum Schluss: ein bisschen Humor.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

luzieh.fair

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luzieh.fair

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