Das Silicon Valley lässt die Mieten steigen

Tal der Träumer Tinder für Hunde, Uber für Marihuana und die wachsende Angst in San Francisco vor dem Platzen einer Blase
Ausgabe 44/2015
Googles Privatbusse sind längst Symbol der Gentrifizierung in San Francisco geworden
Googles Privatbusse sind längst Symbol der Gentrifizierung in San Francisco geworden

Foto: Josh Edelson/AFP/Getty Images

In San Francisco gibt es zwei Dinge, über die Taxifahrer gerne reden – wenn sich die Fahrgäste nicht schnell genug hinter den kapitalismuskalten Gorilla-Glas-Displays ihrer Smartphones verstecken: Die gegenwärtige Jahrhundertdürre in Kalifornien und die Mietpreise.

Die Dürre ist der Grund dafür, dass der Februar heute als schönster Sommermonat gilt. Im Golden Gate Park, größer als der Central Park in New York, stehen dann Schilder, die mit Sprüchen wie „Braun ist das neue Grün“ für umsichtigeren Wasserverbrauch werben. Viel mehr lässt sich zur Dürre nicht sagen; niemand weiß wirklich, was dagegen zu tun ist. Für die steigenden Mieten lassen sich dagegen schnell Schuldige finden: die „Techies“. Hochbezahlte Programmierer der Internetkonzerne, die sich um die Bucht von San Francisco angesiedelt haben: Facebook, Google, Twitter und Co. Jeder kann sich aufrichtig darüber empören, dass ein Ein-Zimmer-Apartment heute 3.400 Dollar pro Monat kostet, doppelt so viel wie noch vor zehn Jahren. Etliche San Franciscans haben wenig Verständnis dafür, dass Start-ups, kaum ein paar Wochen alt, Millionen an Investitionen eintreiben, um „Tinder für Hunde” und „Uber für Marihuana“ zu entwickeln. Googles Privatbusse für den Transfer in der Stadt wohnender Techies in die Umlandbüros sind längst Symbol der Gentrifizierung und ziehen Demonstranten ähnlich magnetisch an wie Castor-Transporte in Gorleben. Eine Freundin erklärte mir neulich, inzwischen mehr Angst vor Übergriffen zu haben, wenn sie nachts ein Facebook-T-Shirt trägt, als aufgrund ihrer Transsexualität.

Wer in San Francisco gegen Gentrifizierung protestiert, ist meist genauso weiß, gebildet und privilegiert wie die Techies im Bus – nur dass die Demonstranten komparative Anglistik und nicht Informatik studiert haben und deswegen heute bei Starbucks arbeiten und nicht bei Google. Doch all das kann sich schnell ändern: wenn nämlich die Tech-Blase platzt wie vor 15 Jahren die Dotcom-Blase und das Kapital so schnell austrocknet wie der Golden Gate Park. Davon betroffen wären zuerst die Angestellten. Sie müssten dann mit den Anglistik-Studenten um Jobs bei Starbucks konkurrieren.

Ernsthafte Sorgen macht sich wegen der Blasen-Warnungen mancher Ökonomen kaum einer in der Branche. Bei Cocktailparties winkt man mit einem nervösen Lachen ab. Glaubt man den Twitter-Feeds der Investoren, gibt es gar keine Blase. Nur suggestive Balkendiagramme, die zeigen, warum diesmal wirklich alles anders ist. Gründer möchten ebenso wenig an eine Blase glauben wie Programmierer. Letztere rechnen lieber aus, wie viel ihre Aktienoptionen wert sein könnten, sollte Facebook Milliarden ausgeben, um ihr Start-up für Foto-Sharing zu ‚kaufen. Noch fließt das Kapital, denn der Leitzins ist niedrig und Geld günstiger denn je. Kollektive Selbsttäuschung hält die Blase in der Luft, mag deren Oberflächenspannung noch so spürbar zunehmen.

Ich frage meinen Taxifahrer, was er von der der Blase hält. „Wenn die platzt“, sagt er zufrieden, „fahren bald die Programmierer mich durch die Stadt.“

Manuel Ebert hat Neurowissenschaft in Osnabrück studiert. Er lebt und arbeitet als Berater in San Francisco

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Geschrieben von

Manuel Ebert

Manuel Ebert ist Autor, Ex-Neurowissenschaftler, und Data Scientist. Seine Consulting-Firma summer.ai berät Firmen in Silicon Valley.

Manuel Ebert

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