Kein Raum für Feinheiten

Tal der Träumer Warum die Jeanne d’Arc der Techies nichts von Feminismus hält
Ausgabe 43/2016
Frauen solidarisieren sich in Kalifornien mit einem Opfer sexueller Gewalt
Frauen solidarisieren sich in Kalifornien mit einem Opfer sexueller Gewalt

Foto: Gabrielle Lurie/AFP/Getty Images

Es gibt ja vieles, für das ich Donald Trump dankbar bin. Er ist unmissverständliches Symptom eines im Verfall befindlichen Imperiums und setzt den kollektiven Gotteskomplex einer lang überfälligen Generalreflexion aus. Er ist ein unerwünschtes, himmlisches Geschenk für Stand-up Komiker, die Gerüchten zufolge ihre Schreiber größtenteils entlassen haben, weil sich in diesen Wochen die Witze wie von selbst schreiben. Aber vor allen Dingen hat Trump Feminismus wieder leicht gemacht.

Da gibt es , kein „ja aber“, keine emphatische Geschichtsrevision; Feminismus und Donald Trump gehen einfach nicht zusammen. In Silicon Valley ist das nahezu erfrischend, weil es uns von einer sonst oft zähneknirschend zähen Debatte um Feminismus in der Tech-Szene ablenkt. Alles Offensichtliche wurde bereits gesagt und von den Medien — zu Recht — hoch und runter zitiert. Was übrig bleibt, sind nur noch die unpopulären Ansichten.

Ich sitze in der Bar des Four Seasons und trinke einen Carajillo. Mir gegenüber sitzt eine Krypto-Programmiererin, die Vogue einst zur „Jeanne d’Arc der Bitcoin-Szene“ nobilitierte, und eine Software-Managerin von Airbnb, die mit ihren knallorangefarbenen Haaren ebenso gut mit der Band Paramore auf der Bühne stehen könnte. Was sie vom Feminismus in der Tech-Industrie halte?

Ja klar, viele Start-ups haben eine eklige Macho-Kultur. Frauen bekommen hässliche Bemerkungen zu hören, im Vergleich zu denen Youtube-Kommentare Pulitzer-preiswürdig erscheinen. Die Zahl der Informatik-Studentinnen geht zurück. Und Frauen verlassen die Branche öfter als Männer. Aber es habe ihr weit mehr genützt als geschadet, eine Frau in der weitestgehend von Männern dominierten Welt zu sein, und fast allen Frauen, die sie kennt, sehen das genauso. „Und auch auf die Gefahr hin, mich unbeliebt zu machen: Die Frauen die auf Twitter am lautesten schreien, sind oft nicht die besten Programmiererinnen. Da möchte ich lieber nicht zugehören.“ Sie nippt an ihrem Pino Noir, langsam, als ob sie einen Moment brauchte, um zu überlegen, ob sie wirklich meint, was sie da gesagt hat. „Es gibt nicht genug Vorbilder, die technisch wirklich gut sind und sich trotzdem für Frauen starkmachen.“

Jeanne d’Arc kritzelt mit ihrem Zeigefinger ein Porträt auf ihrem Iphone, während sie spricht; ihre Hand bewegt sich so schnell, dass ich Angst bekomme, sie hat einen epileptischen Schock. „Stimmt schon“, sagt sie, ohne aufzugucken, „aber trotzdem muss das Thema ja ins öffentliche Bewusstsein gerückt werden, wenn sich etwas ändern soll.“ Habe ich zufällig die einzigen zwei Frauen getroffen, die sich aus dem heftig debattierten Thema lieber raushalten wollen? „Nee, ich glaube, 98 Prozent aller weiblichen Programmierer wollen einfach nur gute Arbeit machen und haben die Debatte satt.“

Weniger Minuten später driftet die Diskussion ab und es geht wieder um Wahlen und Donald Trump. Da darf sich zumindest jeder gleichermaßen aufregen, ohne Angst davor, eine unbeliebte Meinung zu vertreten.

Manuel Ebert hat Neurowissenschaft in Osnabrück studiert. Er lebt und arbeitet als Berater in San Francisco

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Geschrieben von

Manuel Ebert

Manuel Ebert ist Autor, Ex-Neurowissenschaftler, und Data Scientist. Seine Consulting-Firma summer.ai berät Firmen in Silicon Valley.

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