„Sorry, Leute, die Sex-Party heute Abend ist abgesagt.“ Die Nachricht irgendeiner privaten Facebook-Gruppe ging am Mittwochnachmittag bei mir ein, Tag eins nach Trump. „Wir wollen lieber, dass ihr alle auf die Straße geht.“ Für San Francisco ist diese Wahl so wie ein Bezirksbürgermeister von der AfD für Berlin-Kreuzberg. Schuld waren garantiert die anderen.
Ich selbst kam einen Tag vor der Wahl zurück in die Staaten, bei der Botschaft in Deutschland hatte ich gerade mein Visum um fünf Jahre verlängern lassen. Nun fühlt sich dieses Visum wie eine Freifahrt auf der Titanic an, mit reservierter Poolliege, Martinis für 20 Dollar und bester Sicht auf die Eisberge. Am Montag vor der Wahl sind noch viele meiner Freunde nach Nevada gefahren, um dort für Hillary an Türen zu klopfen und dann mit Wählern im politisch unentschlossenen Nachbarstaat ganz unverbindlich über Politik zu sprechen.
Das klingt ein bisschen nach den Zeugen Jehovas, aber dieses Jahr hatte der Missionseifer eben auch die politikverdrossensten Bewohner unserer hiesigen Insel ergriffen. Geholfen hat es nicht. Nun versucht San Francisco, mit der Enttäuschung umzugehen.
Der Gerade-noch-so-Präsident Barack Obama hat in einer Rede nach der Wahl die Amerikaner dazu aufgerufen, sich daran zu erinnern, dass alle im gleichen Team sind. Das aber kam bei der Hälfte der Bevölkerung, die traditionell auf der Ersatzbank sitzt, irgendwie nicht durch. Noch am Abend marschierten Tausende durch die Straßen, viele Schüler, viele Latinos, aber auch viele „Gentrifizierer“, die plötzlich doch willkommen waren.
Eben sie zeigen sich gerade sehr spendabel und reichen ihre Quartalsboni an NGOs weiter, die sich für Frauen und Minderheiten einsetzen. Vor allem auch, weil man im Namen der latent rassistischen Großtante aus Oklahoma spenden kann, die dann zu Weihnachten eine Dankeskarte mit dem Bild zweier bärtiger Nonnen erhält: Die „Schwestern“ gehören als NGO zu dieser Stadt, wie Mike Pence es eben nicht tut. Seit 1979 setzen sie sich für LGBTQ-Jugendliche ein, zu Ostern veranstalten sie im Golden Gate Park den populären „Sexy-Jesus-Wettbewerb“. 2015 verlor Twerk-it-Jesus nur knapp gegen Rock-it-Jesus, der sein Kreuz zur E-Gitarre umgebaut hatte. Dieses Jahr lieferten sich Refugeesus und der nur mit einem Grünkohlblatt bekleidete Veggiesus ein enges Rennen. Pietät spielt im Wertekanon der Tech-Metropole eine untergeordnete Rolle.
Das wird uns auch Trump nicht wegnehmen können. Aber für Minderheiten in anderen Staaten sieht es nicht rosig aus. Wenn die Wahl irgendetwas Gutes gebracht hat, dann dass sich San Francisco vorsichtig aus seiner Blase heraustraut und sich wieder um den Rest der Union kümmert.
Und wenn das nichts bringt, gibt es immerhin Volksentscheid Nummer 64, über den ganz lässig parallel zur Präsidentschaftswahl abgestimmt wurde. Der hat in Kalifornien nämlich Marihuana legalisiert. Oder um es mit den unsterblichen Worten von Michelle Obama zu sagen: „When they go low, we get high.“ Gut, ganz so hat sie es vielleicht nicht gesagt. Aber nüchtern ist dieses Drama eben schlecht auszuhalten.
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