Besuch beim Berliner Innenausschuss

Kafkaesk Man hatte mich gewarnt, es würde grotesk. Das war untertrieben – Anika Mangelmann von den Piraten besucht eine Show-Veranstaltung namens Politik

Natürlich bin ich viel zu früh da, wie immer, wenn ich nicht genau weiß wie so die Spielregeln einer Veranstaltung sind: wird es voll? Beginnt man pünktlich? Ab wann ist die Tür zum Saal geöffnet?

Erst mal friere ich also vor dem Abgeordnetenhaus in Berlin vor mich hin. Eine Zigarette, dann noch eine, dann wird es mir aber wirklich zu kalt und ich betrete das Gebäude, dann warte ich notfalls halt im Flur. Taschenkontrolle, dann geht’s in die dritte Etage. Ein wenig verloren komme ich mir mal wieder vor. Wo ist nun dieser Raum 311? Rechts und links der Treppe führen jeweils Gänge zu hohen Holztüren. Auf dem Schild neben der Tür, vor der ich nun stehe, steht: 311. Die Tür ist zu. Ich spähe über die Treppe hinweg. Von der anderen Seite späht ebenfalls jemand. Eine Frau sitzt vor der anderen Tür an einem Tisch. Die andere Tür ist offen. Ob das auch Raum 311 ist? Ich gehe zögernd hinüber, frage nach, muss meinen Personalausweis zeigen, dann geht’s rein in Raum 311.

Der Raum ist größer als gedacht, rechts von mir stehen die Tische der Parlamentarier, U-förmig angeordnet. Vor Kopf werden wohl Henkel, Koppers und Co. platznehmen. Links stehen die Schildchen der Grünen und der CDU, rechts die der Piraten, der Linken und der SPD. Die ersten 2 Reihen im Zuschauerraum haben Tische, hier sitzt die Presse.

Dahinter mehrere Stuhlreihen. Ich setze mich in die erste Reihe, mittig. Na dann mal los.

Das erste Mal im Innenausschuss

Kurz nach mir kommen die ersten Pressevertreter. Und noch bevor auch nur ein Politiker den Raum betreten hat, beginne ich mitzuschreiben. Man scherzt, nun würde wieder „unser liebstes Theaterstück“ aufgeführt, man redet von „diesem Stuss“. Einer der Journalisten sagt „Ich bin ja nicht Schomacker“, korrigiert sich aber, „ich meine natürlich Schupelius“. Es wird ein wenig über dessen Kolumne „Mein gerechter Zorn“ hergezogen. Man amüsiert sich darüber, dass der Tagesspiegel nun anfinge, Henkel dafür verantwortlich zu machen, dass irgendwer 2010 irgendwas weggeschmissen habe.

Der Raum füllt sich langsam, viele Journalisten sind anwesend, wobei, was heißt schon viele? Ich bin das erste Mal im Innenausschuss, vielleicht ist das auch das normale Level. Mir kommt es jedenfalls viel vor. Dann erscheinen die ersten Politiker. Christopher Lauer von den Piraten baut seinen Laptop auf, Robbin Juhnke, der innenpolitische Sprecher der CDU, der die Opposition gerne mal bezichtigt mit Benzinkanistern durch die Stadt zu laufen, schlendert an den Zuschauern vorbei und raunt ihnen ein „Morgen“ zu.

Benedikt Lux von den Grünen nimmt links platz, Udo Wolf von der Linken auf der rechten Seite des U. Dann erscheinen Innensenator Frank Henkel und Vize-Polizeipräsidentin Margarete Koppers, die Kameras werden nach vorne geschleppt, man knipst, man filmt. Die beiden sitzen da vor Kopf und reden. Worüber wohl? Mit den Kameras im Gesicht werden sie wohl kaum über NSU, Refugee-Camp oder irgendetwas anderes inhaltliches reden. Und so richtig vorstellen kann ich mir auch nicht, dass die Privatkram auszutauschen haben. Wahrscheinlich lernt man das irgendwann, inhaltslos rumzumurmeln. Es würde mich nicht wundern.

Peter Trapp, der Ausschussvorsitzende, eröffnet die Sitzung. Zunächst wird die Tagesordnung besprochen, ein TOP wird nicht öffentlich sein. Dann erteilt er Innensenator Henkel das Wort.

Rückzug hinter die Geschäftsordnung

Henkel spricht leise und schnell. Er berichtet vom Einsatz des Sonderermittlers, der die Vorgänge rund im die V-Person Thomas S., der dem NSU-Trio Sprengstoff geliefert habe, aufdecken soll. Es handle sich um eine „fächerformige Ermittlung“, führt er aus, er verlange einen „Schuss Fairness“, die Untersuchung sei sehr anspruchsvoll und es habe sich noch kein stimmiges Bild ergeben. Er beschwert sich darüber, es würde ihm permanent unterstellt er habe überall den Deckel drauf, dennoch müssen die bisherigen Erkenntnisse nicht-öffentlich debattiert werden, er könne da aber gar nichts für, das entspräche einfach der Geschäftsordnung des AGH. Das kennt man von Henkel allerdings schon, diesen Rückzug hinter die Geschäftsordnung.

Anschließend rattert Frau Koppers, die Vize-Polizeipräsidentin, der zum Aufstieg zur Polizeipräsidentin das richtige Parteibuch zu fehlen scheint, durch ihren Sprechzettel. Das ganze geht so schnell, dass kaum mitzubekommen ist, wovon sie redet. Es geht wohl darum, was die Polizei nun konkret unternimmt, um die Sachverhalte rund um den NSU-Skandal in Berlin aufzuklären. Sie berichtet von einer achtköpfigen Aufklärungstruppe mit Mitarbeitern mit den unterschiedlichsten Qualifizierungen. Diese soll die Fragen klären, welche Informationen von der V-Person Thomas S. In die Akten eingegangen sind, welche nicht, welche Maßnahmen daraus abgeleitet wurden. Sie spricht von einem ganzheitlichen Ansatz, BKA, LKA, LVS, davon, die Strukturen und beteiligten Personen zwischen 2000 und 2011 verifizieren zu müssen, die Verantwortlichen sichtbar machen zu wollen, damit man Lehren für die Zukunft ziehen könne. Sie redet in einem Tempo, bei dem man als Zuhörer kaum hinterher kommt.

Erkenntnisgewinn keine oberste Priorität

Insgesamt macht der Vortrag den Eindruck, als könnte man alles, was sie da erzählt, prima verstehen und einordnen, wenn sie, anstatt alles vorzulesen, einfach die Zettel, von denen sie abliest, kopiert und verteilt hätte. Aber Erkenntnisgewinn scheint ohnehin nicht unbedingt oberste Priorität zu haben. So muss sich der geneigte Zuhörer bemühen, die Struktur dessen, was sie vorträgt, zu erfassen. Es ist anstrengend. Es funktioniert nicht gut, zumindest für mich nicht. Ich bin zugegebenermaßen aber auch nicht geübt darin, mir solche Vorträge anzuhören. Was ich mitbekomme ist, dass Tabellen erstellt werden, dass die Personalverantwortung zwischen 1992 und 2011 visualisiert wird.

Irgendwann wird mir klar, warum ich das alles so schwer verständlich finde: weil ich tatsächlich gedacht hatte, eine V-Person würde zumindest in dem Sinne ordentlich geführt, dass die Frage, wie die Anwerbungsphase abgelaufen ist, wie die kriminelle Vorgeschichte der Person ist, welche Informationen der V-Person wo eingesetzt wurden, keine Fragen sind, die man aufwändig recherchieren müsste. Ich war naiverweise davon ausgegangen, dass über so was vollständige Akten existieren, dass Akten von aktiven V-Personen nicht vernichtet würden. Was man eben so denkt, wenn man sich die Polizei und die Verfassungsbehörden als organisierten Verein vorstellt. Aber dann war da ja die Sache mit den geschredderten Akten und den verschleppten Informationen.

„Ich brauche nur Google“

Nachdem Frau Koppers endlich fertig gelesen hat meldet sich nun Udo Wolf, Linke, zu Wort. Wolf führt aus, dass seiner Ansicht nach für einen Teil der Fragen die vorhandenen Akten zur Beantwortung völlig ausreichend wären und man in diesen Fragen nicht noch zwei weitere Monate recherchieren müsse, dass man endlich zu den politischen Fragen über die Strukturen kommen müsse. Er erklärt, dass nach der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses Akten dann vertraulich behandelt werden müssen, wenn die herausgebende Stelle dies anordne. Die herausgebende Stelle sei aber der Innensenat. Henkel habe also jede Möglichkeit den Geheimschutz für die entsprechenden Akten aufzuheben. Die Fragen würden teilweise öffentlich diskutiert, es bestehe schon lange faktisch kein Geheimschutz mehr für Thomas S., dieser gebe Interviews, wäre mit vollem Klarnamen bekannt.

Es fällt der schöne Satz: „Ich brauche keine V-Leute, ich brauche nur Google“. In der Szene sei Thomas S. ohnehin verdächtigt worden, Spitzel zu sein. Thomas S. sei „sowas von enttarnt“, wenn man ihn schützen wolle, bräuchte man keine Akten, die unter Geheimschutz fallen, sondern Polizeistreifen rund um sein Haus. Man müsse ihm gegebenenfalls beim Umzug helfen. Der Verschluss der Akten bringe gar nichts mehr. Es sei lediglich ein Instrument, um den Behörden zu ermöglichen, sich nicht in die Karten gucken zu lassen. Wolf erklärt, die Debatte fände ohnehin statt, öffentlich, nur die Parlamentarier dürften sich dazu nicht äußern. Das führe auch bei ihm zu einer gewissen Politikverdrossenheit. Verstehen kann man das ja. Er müsse permanent um den Straftatbestand des Geheimnisverrats herumformulieren, das sei der Sache nicht angemessen.

Henkel grotesk

Benedikt Lux von den Grünen fragt Henkel, wem er sich eigentlich verpflichtet fühle, der Öffentlichkeit, dem Parlament oder doch eher denen gegenüber, denen Geheimschutz zugesichert wurde? Lux schießt einige weitere Fragen ab, ob man eine V-Person wirklich zwölf Jahre lang führen müsse, fragt gezielt nach einzelnen Informationen. Henkel und Koppers sitzen da und zucken mit den Schultern und machen verwirrte Blicke. Dann quatschen die beiden, Henkel seufzt. Dann schaut er im Raum herum.

Lux feuert weiter, ob ihm nicht klar sei, dass es bei ihm, Henkel, liege, das Vertrauen in die Behörden wieder herzustellen, ob er sich noch gar nichts überlegt hätte, keinen 5-Punkte-Plan, nichts? Er fragt nach dem Fragenkatalog der Grünen, ob Henkel denn zumindest die Akten selber gelesen habe? Ob er wisse, welche Antworten den Grünen auf ihre Fragen gegeben wurden? Es herrscht kurz Schweigen im Raum, Henkel guckt irritiert, Trapp, der Ausschussvorsitzende und Parteikollege von Henkel fährt dazwischen, das sei hier kein Kreuzverhör. Erstmal wäre gleich der Kollege Lauer dran, danach könne der Herr Senator antworten. Es wirkt grotesk. Es wirkt nicht nur so, als müsse Henkel vor bösen Fragen beschützt werden, sondern vielmehr als müsse er vor den eigenen spontanen Antworten beschützt werden. Lux gibt flapsig zurück, er habe ja nur eine Sprechpause gemacht. Er wolle nur sicher gehen dass auch alle den gleichen Kenntnisstand haben.

Christopher Lauer, Piraten, erklärt zunächst mal, er sei irritiert, dass nun doch alles im Geheimen stattfinden solle, entgegen den Beschlüssen, umfassend aufzuklären. Es wäre doch ohnehin klar, dass im Anschluss an die Sitzung sämtliche Handys der Abgeordneten klingeln würden und es am Ende sowieso in der Presse landen würden, woraufhin man dann mal wieder Anzeige gegen Unbekannt wegen Geheimnisverrats stellen könne.

Informationen landen ohnehin in der Presse

Lauer fordert Henkel auf, endlich mutiger zu sein, man würde kein Vertrauen wieder herstellen, wenn man sich hinter der Geschäftsordnung verschanzen würde, wenn die Informationen doch ohnehin in der Presse landen würden. „Kafkaesk“ nennt er die ganze Situation, zu der sich Henkel bewusst entscheide.

Während Frau Herrmann von den Grünen, die eigentlich im Verfassungsschutz-Ausschuss sitzt und im Innenausschuss Rederecht hat, verschiedene detaillierte Fragen an Frau Koppers stellt und ihr attestiert, dass sie entweder nichts wisse oder die falschen Fragen stelle, quatscht Senator Henkel ausgiebig mit den hinter ihm sitzenden Gästen.

Dann ist Robbin Juhnke dran. Er erklärt, man habe nun bereits zwei Stunden Antworten erhalten, worauf der Ausschuss und das anwesende Publikum in Gelächter ausbricht. Diese Farce als Antworten zu bezeichnen ist schon wirklich dreist. Aber so kennt man ihn, den Herrn Juhnke. Zum Thema Geheimschutz erklärt er, dass man, nur weil die V-Person bekannt sei, keinen Freibrief hätte alles öffentlich zu machen. Dann wirft er Benedikt Lux vor, dieser habe nie Vertrauen in Senator Henkel gehabt und solle daher nicht davon sprechen, Vertrauen wieder herzustellen. Das kann man sich wirklich nicht ausdenken. Das ist so grotesk, dass ich erst unsicher bin, ob ich ihn richtig verstanden habe. Habe ich aber offenbar, der Rest der Opposition schaut ähnlich verblüfft bis entgeistert. Er fährt fort, keine Antwort würde Lux jemals befriedigen. Lux sei derjenige, der das Vertrauen in die Polizei und die Politik erschüttere. Aha. Scheint ein sehr eigenes Weltbild zu haben der Mann.

Formalientanz mit Themenaussparung

Herrn Wolf fällt dann bereits die Formulierung „bei allem Respekt“ schwer. Er erklärt dass es schon im eigenen Interesse der Behörden sein müsse, mit offenen Karten zu spielen. Selbst die SPD, die sich ziemlich ruhig verhält in diesem Innenausschuss, gestehe zu dass die Strukturen verändert werden müssten. Man habe aber immer mehr den Eindruck, die Fragen sollten gar nicht beantwortet werden. Entweder es hieße, man könne die Fragen nicht beantworten, oder man würde auf Geheimhaltung verweisen und anschließend vertraulich erklären, man könne die Fragen nicht beantworten.

Herr Juhnke grätscht dazwischen, das stimme ja gar nicht, dass keine Frage beantwortet worden wäre. Wolf wird nun wirklich wütend. 17 Fragen seien beantwortet worden, und zwar damit, dass man keine Erkenntnisse habe. Dabei könne man einige Fragen alleine durch das Lesen der V-Personen-Akte beantworten. Er fordert Henkel nochmals auf, den Geheimschutz aufzuheben. Das Ganze wirkt langsam wie ein Formalientanz mit Themenaussparung. Der Versuch, über etwas zu reden, ohne darüber zu reden. Ein Meta-Ausschuss.

Der Vorsitzende Trapp bittet darum, jetzt aber doch mal langsam fertig zu werden mit der Diskussion, er müsse schließlich pünktlich zum Wirtschaftsausschuss. Lux weist darauf hin, dass dann ja problemlos der stellvertretende Vorsitzende weiter machen könne. Es scheint, keine Finte sei zu primitiv, um sie nicht durchzuziehen. Es regt sich langsam ein gehöriges Maß Fremdscham. Neben der Irritation, dass alles noch skurriler ist als ohnehin erwartet.

Nach wie vor schutzwürdig

Dann ist der Innensenator wieder dran. Er fragt Wolf, worüber er eigentlich reden wolle, wenn doch alles aus der Akte so klar hervorginge. Man möchte sich langsam aber deutlich an die Stirn fassen. Er mache es sich eben nicht so einfach. Es sei ärgerlich, immer die gleichen Fragen gestellt zu kriegen, immer die gleichen Worthülsen zu hören. Henkel spricht sehr bewusst, mal leise, ruhig, dann wird er wieder laut. Immer, wenn er einen der anderen Abgeordneten zitiert, imitiert, verfällt er in Berlinerisch. Es wirkt irgendwie diffamierend.

Dann wird er richtig laut, er regt sich über Benedikt Lux auf, macht diesen nach mit dem Zitat: „Sagen Sie doch mal auf wessen Seite sie stehen“. Wolf fährt er an, er habe alle Antworten bekommen. Dann wird er wieder ganz leise, ruhig, verteilt scheinbares Lob, erklärt, vor einem Jahr hätte man gedacht der NSU-Skandal ginge an Berlin vorüber. Er prangert an, dass sich mittlerweile eine Beweisumkehr eingeschlichen habe, die Opposition behaupte einfach irgendwelche wilden Spekulationen die der Senat dann entkräften müsse. Er verstehe natürlich, dass man als Opposition den Finger in die Wunde legen müsse, dass er das in der Opposition auch so machen würde, dass sich dieses Themengebiet dazu aber nicht eigne.

„Na klar“ wirft Frau Herrmann ein, „aber brennende Autos“. Das scheint Henkels Taktik zu sein, wenn er überhaupt eine hat. Dieses scheinbar verständnisvolle, fast joviale Angekumpel, um dann rasendschnell in Angriff überzugehen. An Lauer gewandt behauptet er, niemand verschanze sich, schließlich würden die Vorgänge auch gar nicht in seine Amtszeit fallen, er habe also gar keinen Grund. Interessante Argumentation, denke ich. Würde er sich also im Umkehrschluss verschanzen, wenn die Vorgänge in seine Amtszeit fallen würden? Wolf attestiert er er mache es sich zu einfach, auch wenn er ihm zum Teil recht gebe. Trotzdem, nur weil die V-Person Thomas S. mit Klarnamen bekannt sei, sei er nach wie vor schutzwürdig. Henkel mag einfach nicht differenzieren, zwischen schutzwürdig und geheimschutzbedürftig. Henkel greift sich ans Herz, an dem ihm die V-Person offenbar liegt. Es ändere sich nichts, auch wenn Thomas S. Interviews gäbe.

„Hat sie gar nicht“ - „Hat sie wohl“

Koppers bescheinigt anschließend Frau Herrmann, sie habe nicht zugehört, wenn sie behaupte, Koppers würde die falschen Fragen stellen, woraufhin ein kleines „Hat sie gar nicht“ - „Hat sie wohl“ folgt. Geht nur mir das so oder erwartet man von den Volksvertretern und der Exekutive nicht ein wenig mehr als diesen Kindergarten?

Wolf weißt dann nochmal auf den Unterschied zwischen Schutzwürdigkeit und Geheimschutz hin, aber das scheint hier alles einfach nicht gehört werden zu wollen. Er empfiehlt ein Aussteigerprogramm, oder auch Hilfe beim Umzug der V-Person. Durch Geheimschutz sei Thomas S. ohnehin nicht mehr geschützt. Nochmal macht er deutlich, dass nicht die Geschäftsordnung sondern die Klassifizierung durch Henkel maßgeblich dafür sei, dass man nicht öffentlich aufarbeiten könne. Diese Klassifizierung sei aber in keiner Weise mehr verständlich, zumal es ja nicht mal um Henkel selber ginge, wenn man über Vorgänge aus 2002 rede.

Auch Lauer wirft Henkel dann noch mal vor er verschanze sich hinter der Geschäftsordnung, noch dazu sei Henkel ja nicht im luftleeren Raum, er habe schließlich genug Einfluss auf die Fraktion, er könne ja sogar anregen die Geschäftsordnung zu ändern, er könne aber doch nicht allen Ernstes der Opposition vorwerfen, dass diese die Geschäftsordnung nicht ändere. Lauer bringt die Bigotterie Henkels damit auf den Punkt, dass er nochmal zusammenfasst, dass Henkel der Opposition einerseits Dramatisierung vorwerfe, andererseits aber sage, als Opposition würde er das im Grunde genauso machen. „Was werfen Sie uns vor? Dass wir uns so verhalten, wie Sie es in unserer Situation auch machen würden?“ fragt er den Innensenator.

SPD, die peinlich berührte Zuschauerin

Das Niveau der Debatte geht Lauer merklich gegen den Strich. Das letzte mal habe er Dialoge im Stil von „Wohl“ - „Gar nicht“ wohl auf dem Grundschulhof geführt, aber relevante Inhalte ständen wohl einfach nicht auf den Sprechzetteln von Henkel und Koppers. Henkel tue so als wolle er ja so gerne aufklären, aber die bösen Regeln würden ihn hindern, obwohl Wolf ganz klar erklärt hatte, dass das nicht stimmt. Dann imitiert er sehr zur Erheiterung des Publikums mit großer Geste die gespielte Empörung Henkels über Benedikt Lux, um mich herum bricht man in Gekicher aus, es ist aber auch zu grandios, wie Lauer die Arme ausbreitet und völlig exaltiert den großen Empörer gibt. Er verweist nochmal darauf, dass Henkel jede Möglichkeit habe, diese aber wohl nicht nutzen wolle weil er, wie er ja selber sagt, das ganze als eine Show ansieht in der er sich als Opposition auch nicht anders verhalten würde.

Nun meldet sich auch mal die SPD zu Wort. Ja, die V-Person sei bekannt. Trotzdem könne die Akte ja schützenswerte Inhalte offenlegen. Man könne ja erst mal über die Inhalte geschlossen beraten und dann weiterschauen. Die SPD wirkt in diesem Spiel wie die peinlich berührte Zuschauerin am Rande, zu einer gewissen Solidarität gezwungen, aber eigentlich scheint sie sich vor dem Theater auch ein wenig zu ekeln. Komisch, gerade der Berliner SPD hatte ich das nicht zugetraut.

Das Refugee-Camp am Brandenburger Tor wird vertagt

Henkel gibt noch mal den bedächtigen, ruhigen, versöhnlichen Onkel. Das täuscht aber nicht über die Inhalte, die er da absondert, hinweg. Wer denn den Kollegen Piraten die Fragen in die Laptops tippe, fragt er. Ist er sich wenigstens dieser Absurdität bewusst? Vermutlich nicht. Ja, das alles sei eine Show. Aber das Thema eben nicht geeignet. Und die Opposition habe es ja auch wirklich leicht. Lux wirft ein, wenn er, Henkel, es oh-so-schwer habe, solle er es eben sein lassen. Nochmal hören wir die Platte von „egal was die Medien machen ich halte mich an Vertraulichkeitszusagen“. Er hält das vermutlich für Solidarität.

Dann hat er ein neues Argument entdeckt: Die Aufklärung stehe und falle ja gar nicht damit ob sie geheim ablaufe oder nicht. Außerdem seien die Vorwürfe, er verschanze sich hinter der Geschäftsordnung, als würde jemand sagen, man verschanze sich hinter dem Gesetz. Das kann er nicht ernsthaft gesagt haben, denke ich, schließlich legt die Geschäftsordnung nur fest dass sich die Geheimhaltung nach seinem Urteil über Freigabe oder nicht zu richten habe. Koppers bestätigt dann nochmal, der Staat könne ja schließlich nicht Vertraulichkeit zusichern und das dann entziehen, nur weil es der Opposition nicht passe. Und noch mal folgen die Argumentationen von Koppers, Henkel und Wolf. Man kann sie langsam mitsprechen. Ein Theaterstück mit verteilten Rollen. Dann wird die Sitzung unterbrochen.

Als das Publikum nach knapp einer Stunde wieder in den Saal darf, verliest Koppers gerade mit monotoner Stimme etwas, das wie eine Wegbeschreibung klingt. Es werden noch kurz die Themen SEK Kameradschaft, ein privater Verein der sich nun einen neuen Namen geben soll, und das Thema Gewalt und Fußball, wo eine gemeinsame Sitzung mit dem Sportausschuss geplant ist, angesprochen, dann war's das. Tagesordnungspunkt 2, das Refugee-Camp am Brandenburger Tor, wird vertagt.

Das war er also, der Innenausschuss. Man hatte mir nicht zu viel versprochen. Die Inhalte hätte man wohl auf eine Din A 4-Seite packen können. Aber wie Innensenator Henkel mehrfach gesagt hat, das ganze ist wohl in erster Linie eins: eine Show.

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