Bei den Piraten sind Frauen in Ämtern bislang eher selten - doch eine Quote erscheint zu starr
Foto: Adam Berry/AFP/Getty Images
Spätestens seitdem die ersten Aufstellungsversammlungen für die Listen zur Bundestagswahl gelaufen sind ist klar: In der Piratenpartei sind Frauen in Ämtern, auf Posten und Listen eher ein seltenes Phänomen. Von Nichts kommt Nichts, dachte man sich in Berlin, und gründeten vor 2 Wochen die Projektgruppe Frauenwahlrecht. Frauenwahlrecht? Ja. Das passive. Das mit dem Gewählt-Werden.
Tatsache ist, mit den momentan bereits gewählten Listen wäre vermutlich nur eine Frau in der Bundestagsfraktion, vorausgesetzt die Piraten springen über die 5%-Hürde und erreichen nicht (vermutlich unrealistische) deutlich höhere Prozentwerte. Eine Aufstellungsversammlung nach der anderen wurde mit Entsetzen via Twitter kommentiert – die Fragen, welche d
, welche die weiblichen Kandidaten sich stellen lassen mussten, die Kommentare, die Wahlergebnisse – alles schrie danach, dringend aktiv zu werden.Wie aber wird man eigentlich aktiv? Eine Quote stößt bei weiten Teilen auf nicht besonders viel Gegenliebe. Gewollt-gezwungene Aufteilung in männlich und weiblich, die Sorge, dass nicht mehr Kompetenz höchste Priorität hat, dass das Geschlecht, was viele doch immer noch gerne als unerheblich ansehen wollen, zu starken Einfluss darauf hat, ob Mensch auf einen Posten gewählt wird; das alles sorgt für eine (aus meiner Sicht) gesunde Skepsis vor einer starren Quote. Quote ist Holzhammer. Sie sorgt zwar dafür, den Frauenanteil in den Ämtern zu erhöhen, sie tut aber nichts gegen die Ursachen der Unterrepräsentierung von Frauen. Mag sein, Menschen brauchen Role Models. Frauen in Ämtern können solche sein, um mehr Frauen zu einer Kandidatur zu bewegen – vermutlich schreckt sie aber im gleichen Maße auch die Frauen ab, die eben wegen einer Quote nicht kandidieren wollen.Eine feste Quote, egal welcher Art und auf welche Gruppen bezogen, geht davon aus, dass gewünschte Merkmale in beiden (oder allen) Untergruppen, die durch die Quotierung erzeugt werden, gleich, oder zumindest annehmbar gleich verteilt sind. Das wird in dem Moment, wo die verfügbare Grundgesamtheit der Untergruppen sehr unterschiedlich groß ist, problematisch.Angenommen man hat in der Piratenpartei 20% Frauenanteil. Auf eine Liste mit 10 Plätzen bewerben sich 100 Kandidaten, 80 Männlich, 20 Weiblich. Mit einer Quote gehen dann 50% an Männer, 50% an Frauen, also jeweils 5 Plätze. Wird ansonsten nach Qualifikation gewählt, gehen dann die qualifiziertesten 6,25% der Männer und die qualifiziertesten 25% der Frauen auf die Liste. Wenn man davon ausgeht, dass die Qualifikation zwischen Frauen und Männern gleich verteilt sind (was zumindes bei den Piraten ziemlicher Konsens ist), bringt eine 50%-Quote auf jeden Fall nicht eine Liste der geschlechterübergreifend qualifiziertesten 10 Kandidaten hervor.Ob das ein angemessener Preis für ausgeglichene Listen ist, darüber kann man ja unterschiedlicher Meinung sein, man sollte es nur im Hinterkopf behalten, wenn man nach der Quote schreit. Solange nicht gleich viele Frauen wie Männer kandidieren, somit als Grundgesamtheit vorhanden sind, ist die Quote zumindest aus statistischer Sicht, mit dem Wunsch die qualifiziertesten Personen auf die Liste zu wählen, nicht das ideale Mittel der Wahl.Es gibt viele weitere Argumente gegen die Quote: Die Post-Gender-Verfechter fühlen sich ihrer Möglichkeit beraubt, ganz unabhängig vom Geschlecht der Kandidaten zu wählen, die Freiheit der Wahl wird eingeschränkt, die Quote bastelt an Symptomen, aber nicht an Ursachen (abgesehen davon gegebenenfalls Role-Models zu erzeugen). Die Quote macht das Geschlecht zu einer relevanten Größe in der Frage, wie erfolgreich eine Kandidatur ist. Eine Männer-Frauen-Quote ignoriert andere unterrepräsentierte Gruppen. Aber was kann man dann tun? Was will man eigentlich erreichen?Für mich spielt die Freiheit der Wahl eine große Rolle. Sie sollte so wenig wie möglich eingeschränkt werden. Gleichzeitig sollten mehr Möglichkeiten geschaffen werden, sich durch seine Wahl für unterrepräsentierte Gruppen einzusetzen, und das beziehe ich explizit nicht nur auf die Gruppe „Frauen“. Ich glaube, dass es Wahlverfahren gibt, die das gewährleisten können, zumindest besser als reines Approval-Voting, das bislang in Berlin in der Regel angewendet wird. Welche das sein werden und wie sich das genau ausgestalten lässt, wird man entwickeln müssen.Was kann man neben Wahlverfahren tun? Via Twitter wurde am Sonntag eine Selbstverpflichtung, auf die ersten 4 Plätze nur Frauen zu wählen, in Umlauf gebracht. Das ist eine Möglichkeit. Aber eine Selbstverpflichtung ist eine SELBSTverpflichtung. Man kann sie nur freiwillig unterschreiben. Sozialer Druck ist hier meines Erachtens fehl am Platz, und doch war er dann zu spüren. Ich will meine Wahl nicht nach Geschlecht treffen. Ich kann daher eine solche Selbstverpflichtung nicht unterschreiben. Es sind noch gar nicht alle Listenkandidaten bekannt, wie soll ich mich, ohne diese zu kennen, jetzt schon darauf festlegen, bestimmte Listenplätze nur mit Angehörigen einer bestimmten Gruppe zu besetzen? Für mich ist das nicht möglich.Ich verstehe aber die Intention der Selbstverpflichter. Sie wollen darauf aufmerksam machen, dass es genug fantastische Frauen gibt, um sie auf die ersten 4 Plätze zu wählen (soweit kein Widerspruch meinerseits, zumindest wenn die, die es angekündigt haben, tatsächlich kandidieren). Ich hätte überhaupt kein Problem damit, die vier ersten Plätze nur mit Frauen zu besetzen. Ich würde das aber gerne als Ergebnis einer freien, freiwilligen Wahl sehen. Insofern ist eine freiwillige Selbstverpflichtung als Hinweis darauf, dass es eben wirklich so viele sehr gute Kandidatinnen gibt, dass man problemlos diese Selbstverpflichtung eingehen kann, vielleicht sinnvoll. Es ist ein schöner Weg, Solidarität, Unterstützung deutlich zu machen. Sobald aber sozialer Druck, es ebenso zu machen, dazukommt, empfinde ich das als problematisch.Die gute Sache an der Selbstverpflichtung ist: Sie hat die Diskussion innerhalb der Piraten noch mal hochgekocht. Ich hoffe wirklich, dass sich daraus etwas Konstruktives entwickeln lässt. Aber über allen konkreten Maßnahmen die Wahl betreffend hinaus, muss man sich die Frage stellen: Was kann man tun, um Frauen zu ermutigen, um ihnen Rückhalt zu geben, sie zu motivieren? Wie ist eigentlich der Status Quo, werden Frauen anders befragt als Männer, gibt es Ressentiments, wie kann man beidem begegnen? Das Thema ist zu komplex um es mit einer Quote mundtot zu machen. Aber wir sind es, die es in der Hand haben. Es ist unsere Wahl.
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