5 x Geschlechterkampf

Musik Frauen in Rock, Pop, Singer-Songwriting & Straßenfolk – längst ein alter Hut. Wie machen sich dabei die Jungs? Fünf Clips geben Auskunft.

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Wer bei Far From Any Road wen supportet, ist schwer zu sagen. Jerry Williams gilt als der Joe Cocker der schwedischen Pop- und Rockszene. Anna Ternheim ist im hohen Norden einer der beständigsten Shootingstars in Sachen Singer-Songwriting. Geschlechterkampfmäßig ist die düstere Wüstenballade, welche die beiden hier im Duett einspielen, postsexuell, vielleicht sogar metrosexuell. Oder haben Insekten, die mit fleischfressenden Wüstenpflanzen in Berührung kommen, doch eine erotische Komponente? Cliptechnisch jedenfalls haben Williams und Ternheim bei ihrem Handsome Family-Cover auf den Spuren von True Detective alles richtig gemacht: Studio pur, Konzentration, Musik – und sonst nichts.

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Notfalls gehts auch mit Rutscht-mir-den-Buckel-runter-Attitüde. Nikki Lane, Modedesignerin und aufsteigender Stern am Roots-Country-Himmel inszeniert Out Of My Mind gleich als cliptechnisches Abfallprodukt – eingespielt (scheinbar) vor dem echten Gig. Das Publikum im Hintergrund – scheinbar desinteressiert. Und auch die Sängerin ist (scheinbar) nicht recht bei der Sache. Eine kleine Akustik-Einlage eben. Lane – die es mit ihrer Band durchaus gern krachen lässt – zeigt, dass echte Größe keine Perfektion benötigt. Und stellt sich mit diesem kleinen Schwarzweiß-Clip einmal mehr in die einzig echte und wahre Tradition – die von Elvis, Hank, Loretta und Patsy. Rock’n’Roll Forever. Oder: Eine Gitarre sagt mehr als ein ganzes Orchester.

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Während die Einsamkeit des Rock’n’Roll-Stars bei Nikki Lane nur scheinbar schlampig in Szene gesetzt ist, demonstriert das auf einem Bahnsteig in Vilnius, Litauen aufgenommene Medley Od Ebra do Dunava / Ay Carmela die Produktions-Bedingungen kleiner Formationen: Die fehlende Kohle muß mit Improvisationsgeschick wettgemacht werden. Was nicht immer gelingt. Die beiden Songs dieser Bahnhofssession jedoch sind Straßenfolk ad his Best. Das erste Stück ist ein rumänisches Traditional, Ay Carmela hingegen ein spanischer Volksklassiker, der während der Zeit des Bürgerkriegs auf beiden Seiten der Front die Kampfpausen auflockerte. Zum Geschlechterkampf ist hier lediglich zu sagen, dass Sängerin Sandra Sangiao ihr Barcelona Gipsy Balkan Orchestra auf eine geradezu sagenhaft entspannte Weise im Griff hat. No problems? No problem.

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Ist der Macho in der Rockmusik ein aussterbendes Wesen? Nein. Dass es nicht so ist, dafür steht Frontman Sparky von der britischen Psychobilly-Formation Demented Are Go. Ein kleines, glückliches Side Projekt: Sparkys Gelegenheits-Einspielungen zusammen mit der Schweizer Formation Hillbilly Moon Explosion und deren Sängerin Emanuelle Hutter. Einen erfolgreichen Testlauf in Sachen Duett absolvierten Sparky und Hutter bereits 2011 mit der düsteren Rockabilly-Ballade My Love For Evermore. Beim Carter-Cash-Evergreen Jackson machen Interpreten und Band nicht nur songauswahltechnisch nichts falsch. Sparky liefert Parodie total, Hutter spielt die femme fatale. Ort des Ganzen: eine Zürcher Kegelbahn. Unterlegt mit einem Schuss Ska, zeigt der Clip, dass auch alte Traditionals wie neu klingen können – vorausgesetzt, man nimmt das Machotum (und auch die alten Songs) nicht zu ernst.

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Der beste Clip in dieser Auswahl, die schwer zu treffen war, ist Corazón de Goma von Vinila von Bismark und ihrer Side-Formation Estricnina. Die Inszenierung ist klassisch. Die vier (männlichen) Musiker haben die Ruhe weg – in der schlichten Gewissheit, dass sie sich das bei dem Stück locker leisten können. Corazón de Goma ist einfach ein Ohrwurm. Rein musikalisch würde auch ohne Vinila in der Mitte auf dem Sofa kaum was anbrennen. Der Song, eine verhalten mit Rock’n’Roll-Instrumentierung aufgemöbelte Ballade, ist im Grunde ein Gassenhauer im besten Gipsy Kings-Stil. Interessant ist Vinila von Bismarks Auskommentierung – die Mimik, die Gestik, die Zwischenkommentare. Worauf sie sich im wesentlichen beschränkt. Womit auch dieser Clip – Geschlechterkampf hin oder her – zeigt, dass zu einem guten Song das gewisse Etwas kommen muß.

Und, als Fazit: Musik ist zwar nicht alles. Aber ohne Musik wäre vieles nicht so viel.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Richard Zietz

Linksorientierter Schreiber mit Faible für Popkultur. Grundhaltung: Das Soziale ist das große Thema unserer Zeit.

Richard Zietz

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