Abschiebung ins Nebengebäude

Community-Blogs Der »Freitag« bleibt seiner Linie »Community-Abschaffung in Etappen« treu. Die »Best of« der dFC-Beiträge wurden von der Hauptseite expediert und gut versteckt im »Community«-Sektor neu einsortiert.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

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Aus Bloggerwarte ist es beim »Freitag« schon länger finster

Unkommuniziert nach Art des Hauses hat es im Community-Bereich des Freitag eine weitere substanzielle Veränderung gegeben. Der Teaser-Kasten mit der »Best of«-Auslese der »empfohlenen Blogs« ist von der Hauptseite verschwunden. Verblieben (jedenfalls vorläufig und optisch in ziemlich verwaister Form) ist das Logbuch mit den neuesten Kommentaren. Aufgerufen werden können die – nunmehr in eine Art virtuelles Nebengebäude umgesiedelten – Community-Beiträge über die obligatorischen Links oben und unten auf der Homepage. Wobei auch auf der »Community«-Seite der Slot mit den aktuellen »Empfohlenen« eingespart wurde. Zu finden sind diese nunmehr im Bereich »Empfehlungen« – bildlich gesprochen also im Nebengebäude des Nebengebäudes.

Summa summarum ergibt sich der Eindruck, dass die Sektion mit den Blogbeiträgen so gut versteckt werden soll wie irgendwie möglich. Wobei mit den letzten Launch bereits weitere Social-Media-Gimmicks entweder ganz gecancelt oder aber in den Hintergrund gedrängt wurden: die Benachrichtigungen-Funktion etwa, oder – für Rückmeldungen ebenfalls nicht ganz unwichtig – die Anzeige mit der Anzahl der getätigten Kommentare. Besonders aberwitzig dabei: der Umstand, dass besonders die redaktionell empfohlenen (!!) Blogs auf diese Weise im Abseits geparkt werden. Vergliche man den Online-Freitag mit einer wichtigen Kulturveranstaltung wie beispielsweise der Berlinale, ergäbe sich folgendes Bild: Die Reihe mit den Nachwuchs-Vorführungen wurde aus dem Hauptprogramm herausgenommen und in ein kleines stickiges Kino, sagen wir mal: in einem ehemaligen Plüschpuff in Berlin–Schöneberg, expediert. Werbung für die outgesourcte Reihe gibt es nur noch in minimalistischer Form – gerade so viel, dass die Festivalleitung den Vorwurf umschiffen kann, sie schaffe die Nachwuchsveranstaltungen gänzlich ab. Eine weitere Neuerung unserer hypothetischen Berlinale: Nachwuchs-Filmemacher(innen), die bislang ins Haupt-Festivalprogramm integriert waren, finden sich nicht nur in ein Vorort-Kino abgeschoben. Fürderhin müssen sie für die Teilnahme auch bezahlen.

Aus meiner Warte als langjähriger (zugegeben gerade in letzter Zeit nicht immer konsequenter) dFC-Blogger ergeben sich zwei Schlussfolgerungen – hinter denen im Grunde eine große, ungeklärte Frage steht. Geschlussfolgert zunächst das, was auf der Hand liegt: Sicher ist der neu eingerichtete Sicherheitsabstand zwischen redaktionellen und Community-Beiträgen kaum förderlich für das Wiederersprießen ambitionierterer Beiträge; im Prinzip wird hier die Krankheit mit einer Dosis »noch mehr« des krankmachenden Gifts behandelt. Einbezogen die stark rückgebauten Feedback-Funktionen und die bereits zuvor malade Situation im Bereich dFC-Blogs ist meine Einschätzung die, dass der Freitag seinen Community-Bereich final abzuwickeln gedenkt – in einer Art und Weise, die vor allem möglichst wenig Aufsehen erregt. Über die Motivation bin ich mir zugegeben im Unklaren. Da ich mir nur schwer vorstellen kann, dass eine Kujonierung des dFC-Zusatzangebots markttechnisch Sinn macht, erscheint mir nur eine Schlussfolgerung halbwegs plausibel: die, dass die Communitybeiträge von der Redaktion als unliebsame Konkurrenz des eigenen Schaffens angesehen werden. Und es – aus dieser Warte gesehen – vielleicht besser wäre, wenn sie final aus dem Portal verschwänden.

Die große Frage bleibt, wieso der Freitag seinerzeit überhaupt mit einem recht ambitionierten Modell der Leser(innen)-Teilhabe an den Start gegangen ist. In meinen Augen ist sie keinesfalls rein rhetorisch: An jeder Etappenstelle nämlich haben sich Verlag & Redaktion gegen die von ihnen anfangs hofierten Leserjournalist(inn)en entschieden – ganz so, als habe es bereits 2012 oder 2014 den Masterplan gegeben, das selbst geschaffene Format à la longue ad acta zu legen. Spekulativ bleibt so die Frage, warum sich Verlag und Redaktion des überdrüssig gewordenen Spielzeugs nicht mit einem großen Knall entledigt haben – vielleicht flankiert von einer Hausmitteilung der Art »(…) aus den und den Gründen haben wir uns entschieden, keine Community-Beiträge mehr zu publizieren. Dem Erfolg des Formats standen schlussendlich Nebenwirkungen gegenüber, die uns veranlassten, es so wie nun eben durchexerziert zu handhaben.«

Warum wurde die Methode Clausewitz nicht in die Praxis umgesetzt? Persönlich tendiere ich zu der schlichten Vermutung, dass diese Form Handhabung unangenehme Aufmerksamkeit in der medialen Cloud nach sich gezogen hätte – solche der Natur, die offensichtlich vermieden werden soll, damit die rosarote Fassade der freitaglichen Alleinstellungsmerkmale unangekratzt bleibt. Doch widmen wir uns dem unangenehmen Rest: Ausweislich Blog- und Kommentarfrequenz ist davon auszugehen, dass eine deutliche Mehrheit der ehemaligen Stamm-Forist(inn)en ein »Plus«-Abo abgeschlossen hat und nunmehr mit 14 Euronen à Monat hier dabei ist. Das mag mit Liebe zu tun haben oder, formulieren wir etwas realistischer: mit Nostalgie. Aus der Blickwarte des Autoren-Maschinenraums hingegen hat die laufende, stets einseitig und ohne weitere Rückkoppelung mit den Betroffenen vorgenommene Änderung der Bedingungen große Ähnlichkeit mit den schlimmsten Seiten des Hire-and-Fire-Kapitalismus Nach dem Motto: »Morgen arbeitest du bis neun, nächste Woche ist nichts da – und wenn dir das nicht passt, kannst du jederzeit gehen.«

Wir könnten über Verlässlichkeit reden – die es beim Freitag bekanntlich nicht gibt. Wir könnten auch über den Best Case reden – die Fähigkeit, politische Gesamtausrichtung und konkrete Praxis als zwei streng voneinander getrennte Dinge zu behandeln. Sofern letzteres erstrebenswert ist, muß ich gestehen, dass ich in der Beziehung leider Universalist bin. Der in seinen schwärzesten Momenten denkt, dass die Linken, bekämen sie wieder einmal die volle Macht, aller Wahrscheinlichkeit nach die härtesten Neoliberalen abgäben – nix Freiheit, und auch sonst: wahrscheinlich würde man sich nach dem ollen Krupp zurücksehnen. Da dieser Beitrag mit Sicherheit nichts bewirken wird, wäre abschließend zu klären, wieso er überhaupt geschrieben wurde. Der Grund ist schlicht der, dass die meisten Aktiven die erneute Verschlechterung der Blogging-Bedingungen sicherlich registriert haben. Eine Veränderung der unbefriedigenden Situation im dFC-Blogbereich ist derzeit nicht drin. Ebenso bekannt ist, wer der Verursacher ist – unabhängig davon, ob man die Situation als »Klassenkampf von oben« einschätzt (eine Haltung, zu der ich mittlerweile tendiere) oder lieber woanders nach Gründen sucht.

Berechtigt ist beides. Vor der Veränderung einer Situation steht allerdings ihre Thematisierung – respektive das Aussprechen, das Formulieren einer Kritik. Wenn dieser Blog aufzeigt, dass andere mit ihrem (potenziellen) Unbehagen nicht allein sind, hat er sein Ziel erreicht. In dem Sinn: Lasst euch zum Spaßhaben nicht zwingen – auch nicht auf »linksliberale« Weise.

Ergänzung: Seit Dienstag, dem 26. Juli ist die Community-Box auf der Hauptseite wieder in den alten Stand eingesetzt. Ebenso der Slot mit den hervorgehobenen Empfehlungen auf der Community-Seite. Summa summarum also: der alte Stand vor dem Wochenende. Kommentierung des wochenendlichen Hin und Hers: Gönnen wir uns die kleine Verschnaufpause; sie ist in Zeiten wie den aktuellen gut zu gebrauchen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Richard Zietz

Linksorientierter Schreiber mit Faible für Popkultur. Grundhaltung: Das Soziale ist das große Thema unserer Zeit.

Richard Zietz

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