Die Abwrackerin

Berlin Wurde Franziska Giffey nach Berlin eingeflogen, um RRG perspektivisch abzuwracken und durch eine Schwarz-Rote Koalition zu ersetzen? Einiges spricht dafür. Ein Kommentar

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Die Abwrackerin

Foto: Carsten Koall/Getty Images

Die Personalie kam breit, bunt und mit jener hemdsärmelig-optimistischen Farbtönung, den die Medien beim Stichwort »Franziska Giffey« neuerdings an die Wand zu pinseln pflegen. Message, aufgemerkt: Hier kommt die neue, wirkliche Hoffnungsträgerin. Am 29. Januar landete die neue Hoffnungsträgerin in Berlin und platzierte, zusammen mit Michael Müller (SPD) eine Pressekonferenz. Mission, außer auflockernden Sprüchen wie »Das wird gut, ich sach’s Ihnen!«: Ersetzung des zurückgetretenen Noch-OB Müller als Parteivorsitzenden. Seither sind die Spekulationen gesetzt: eine Kandidatur Giffey als OB-Kandidatin (bei der sie Müller nicht nur als Parteivorsitzenden, sondern auch als OB-Kandidatin ersetzen würde), eventuell vorgezogene Neuwahlen, perspektivisch eventuell eine Umgruppierung der Hauptstadt-Parteiriege, perspektisch vielleicht sogar eine weniger linksexperiment-affine Landespartei.

Bemerkenswert ist zum einen das Personal-Tabloid, welches mit dieser Personalie einhergeht. Sicher – Michael Müller als designierter und derzeitiger OB hat es seinen innerparteilichen Gegnern leicht gemacht. Vordergründig geschieht der Wechsel einvernehmlich; Müller selbst hatte in einem Rücktrittsschreiben glücklose Politik eingeräumt. Sicher ist zumindest eins: dass er weder die Welt versprochen noch die Berliner Welt in ihren Grundfesten verändert hat. Zumindest in einem Punkt jedoch hat sich die derzeit regierende RRG-Koalition auf bemerkenswerte Weise bewegt: in Sachen bezahlbarer Mieten sowie bezahlbarem Wohnraum. Ob Mietpreisbremse, die Diskussion um die Re-Kommunalisierung – notfalls auch: Verstaatlichung – zumindest der schlimmsten Wohnungsmarkt-Haifische oder auch die um die grundsätzliche Stadtentwicklungsfrage Neubau versus Restaurierung: Berlin setzt auch jenseits der Lobbyisten-Terrains in Café Einstein & Co. neuerdings Themen.

Dass die (Berliner) SPD mit diesen Ansätzen nicht so recht punkten konnte und – ebenso wie die Bundespartei – weiterhin im Tal der Abgestraften schmachtet, ist zwar richtig. Nichtsdestotrotz gibt die Anlassarmut, mit der Müller nunmehr durch einen Bundesimport ersetzt wird, einiges zu denken. Zum einen ist da der Hinterzimmer-Putschismus, der im Fall Giffey derart ausgeprägt zum Zug kam, dass sogar der bürgerlich-konservative Tagesspiegel die Wechsel-Aktion als klassische »Old School« klassifizierte. Personell allen voran: die beiden eher dem rechten Parteiflügel zugeordneten Parteigranden Raed Saleh und Jan Stöß. Beide kandidierten 2014 bei der Wahl des Nachfolgers für Klaus Wowereit gegen Müller. Beide unterlagen seinerzeit; beide positionieren sich in Giffeys Schatten derzeit für ein politisches Comeback.

Aktueller Stand: Saleh soll die Partei – zusammen mit Giffey – führen und neu ausrichten. Die guten Gründe sind das »warum«. Denn: Zumindest was den derzeitigen Politik-Hauptpunkt, die Wohnungspolitik, anbelangt, steht Müllers Regierung sympathietechnisch gar nicht so schlecht da. Im Gegenteil: Die »Berliner Linie« findet bundespolitisch breiten Zuspruch; in Sachen Mietpreisbremse spricht sich eine Mehrheit sogar für deren Verschärfung aus. Allesamt Tendenzen, die von der obligatorischen Stahlhelmfraktion in sozialen Dingen, also CDU/CSU, FDP, SPD-Seeheimern sowie den großen bürgerlichen Medien, derzeit mit zunehmender Intensität bekämpft werden. Umgekehrt mag die Einwechselung eines bekannten Gesichts zwar Sinn machen in Bezug auf die chronisch am Boden liegende (und nicht so recht ein sozialpolitisch geschärftes Profil findende) Partei. Pikantesse bei dem Ganzen ist allerdings, dass Giffey a) abseits jener Riege steht, welche die punktuelle Neuausrichtung der Partei im Herbst erzwangen, b) auch positionstechnisch für eine Ausrichtung steht, die gemeinhin mit dem Wort »rechts« umschrieben wird. Einzige halbwegs linke Programmatik in ihrem Portfolio: die Schul- und Bildungspolitik.

Entsprechend offen formulierte auch Tagesspiegel-Kommentator Robert Ide die Erwartungen. Zitat: »Linke und Grüne, die die SPD in der Koalition vor sich her getrieben haben (zuletzt mit dem links geprägten Mietendeckel), müssen sich damit auf ernsthafte Konkurrenz bei den nächsten Abstimmung für das Abgeordnetenhaus im nächsten Jahr einstellen.« Im Rahmen der Pro-Giffey-Berichterstattung, mit der sich die CDU-nahe Tageszeitung von der Spree derzeit warmläuft, wurden auch die warmen Begrüßungstöne aus den Reihen der CDU-Opposition nicht verschwiegen. So Landesvorsitzender Kai Wegner, der seiner Freunde auf eine sachbezogene Auseinandersetzung Ausdruck verlieh. Ebenso der Hoffnung, dass Giffey »jetzt die SPD verändert« – anstatt die Partei die importierte Vorsitzende.

Speziell im Anblick des geballten konservativen Jubels stellt sich die Parteivorsitz-Frage durchaus in einem erweiterten Sinn. Zu stellen wäre sie in etwa wie folgt: Welchen Sinn ergibt die bundes-landespolitische Spree-Aktion? Betrachtet man die derzeit laufenden Umstrukturierungsversuche des Berliner Landesverbandes mit kritischem Blick, mag man kaum glauben, dass die unglückliche Personalie Müller allein der Grund für die Intervention ist. Was also dann? Das Rot-Rot-Grün-Bündnis in der Hauptstadt war auch ohne Wohnungspolitik mit einigem Gegenwind konfrontiert. Der nochmals im Ton verschärfte Gegenwind bei ebendiesem Thema weist darauf hin, dass Giffey in der Hauptstadt zwei Missionen erfüllt: a) Beendigung der »linken Experimente« in ebendieser Frage, b) Beendigung der rotrotgrünen Koalition zugunsten eines bürgerlich(er) ausgerichteten Bündnisses.

Dass letzteres nur mit den Schwarzen möglich ist, liegt auf der Hand. In dem Sinn bekommt die Entsendung von Franziska Giffey an die Spree durchaus Sinn.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Richard Zietz

Linksorientierter Schreiber mit Faible für Popkultur. Grundhaltung: Das Soziale ist das große Thema unserer Zeit.

Richard Zietz

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