Die Schorndorfer Krawalle

G20 Die Riots gehen weiter; Germany kommt nicht zur Ruhe. Am Wochenende: die schwäbische Kleinstadt Schorndorf, wo die Lage zeitweilig außer Kontrolle war.

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Schorndorf, die Stadt am Rand des Stuttgarter Speckgürtels, zwischen High Tech und großzügig angelegten Obstgärten auf den Vorläufern der Schwäbischen Alb. Auch sonst zählt Schorndorf eher zum solventen Teil der Republik – dort, wo abends um acht die Bordsteine hochgeklappt werden, wo der Kehrwoche-Plan den Wochentakt vorgibt und schwäbische Arbeitsamkeit das Leben bestimmt.

Was sich am Wochenende mischte, ist schwer zu sagen. Nur eins ist gewiss: Das Bild von Schorndorf scheint nicht mehr zu stimmen. Die Auseinandersetzungen, die im Verlauf des sonntäglichen Stadtfestes begannen, gerieten im Verlauf der Nacht zeitweilig außer Kontrolle. Die Einsatzpolizei vor Ort mußte weitere Einheiten aus umliegenden Nachbarstädten ordern, um der Lage vor Ort Herr zu werden. Erst mit zusammengezogenen Kräften gelang es, die Gruppen jugendlicher Randalierer, die sich in Gruppen zu 30 bis 50 zusammengefunden und teils gegenseitig aufeinander losgegangen seien, zu zerstreuen.

Allerdings ist jugendlicher Übermut nur die eine Seite. Wie die Medien vermeldeten, kam es im Verlauf der Ausschreitungen auch zu sexuellen Übergrifflichkeiten. Die ARD-Nachrichten, die das Thema zunächst totschwiegen, äußern unter dem Aufmacher Der kurze Weg von Schorndorf nach Köln nunmehr ihre Besorgnis, dass die AfD die Übergriffe – in der Zahl wohl drei – für sich ausschlachten und instrumentalisieren könne. Wobei bereits das Stichwort »Köln« die nötige Einnordung vornimmt: Nicht die Tat ist schlimm sondern vielmehr ihre Ausschlachtung.

Die Frage jedoch bleibt: Wie sind die Ereignisse zu werten? Und wie ist die Medienberichterstattung zu interpretieren, die – von lokalen Ausnahmen abgesehen – erst mehr als 24 Stunden nach den Ereignissen einsetzte? Frage: Greift die aufsässige Stimmung, die sich auf dem Hamburger Gipfel Luft verschaffte, nun auch auf deutsche Kleinstädte über? Oder ist das Ganze als ganz normale Stadtfest-Rauferei zu werten? Linksliberale werden zudem zu überlegen haben, ob sich in Schorndorf vielleicht zwei Arten Aufstand Bahn brachen: sexuelle Übergriffe (ein Part, bei dem die eigene Schutzklientel im Visier steht und wo man wohl eher zum Kleinreden tendieren wird) und »normaler« Putz gegen die Staatsmacht, dessen jugendliche Träger das Terrain akzeptabler Kritik verlassen haben und die darum selbstverständlich zu verurteilen sind.

Ob die AfD hier ein Fädlein findet, mit dessen Hilfe sich der dümpelnde Wahlkampf auf Touren bringen lässt, wie es um jugendliche Frei- und Entfaltungsräume im Rems-Murr-Kreis tatsächlich bestellt ist: Abhängen werden die Antworten unter anderem von der Frage, ob man auch bei kleinteiligen Ereignissen wie hier bereit ist, unvoreingenommen und mit offenem Blick hinzusehen.

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Geschrieben von

Richard Zietz

Linksorientierter Schreiber mit Faible für Popkultur. Grundhaltung: Das Soziale ist das große Thema unserer Zeit.

Richard Zietz

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