Korrupte Cops – weichgespült

TV-Serie Aura – Qualität, Inhalt – Mainstream: Hybrid-Serien liegen derzeit im Trend. Das Publikum goutiert den Spagat nicht. Beispiel: die Cop-Serie »Shades of Blue«.

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Ray Liotta als Lieutenant Bill Wozniak
Ray Liotta als Lieutenant Bill Wozniak

Bild: NBC

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Spoiler-Anteil: 11 %

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Von der freien Verfügbarkeit via Free-TV abgesehen, bietet Shades of Blue einen guten und einen schlechten Grund, als Serienjunkie die Fernbedienung in Erwägung zu ziehen. Der gute Grund ist zweifelsohne Ray Liotta. Für eine Serie, die eine New Yorker Polizei-Spezialeinheit in den Blickpunkt rückt, gegen die das FBI eine Korruptionsermittlung durchführt, könnte es kaum eine geeignetere Hauptrollen-Besetzung geben. Während Liotta, der als Bad Guy bereits in zahlreichen Cop- und Mafia-Thrillern brillierte wie zum Beispiel Good Fellas, Copland sowie Killing Them Softly, ohne Zweifel als »passend« vermerkt werden kann, stellt sich bei Sparrings-Partnerin Jennifer Lopez die simple Frage: Wie passt die Mainstream-Ikone per se in einen derartigen Plot?

Eingebetteter Medieninhalt

Spannung – in den Sand gesetzt

Die Castingfrage beantwortet Shades of Blue bereits in der ersten Folge. Überhaupt nicht – ungeachtet der Tatsache, dass Lopez am Set als »Executive Producer« mitbeteiligt war. Lopez gibt sich zwar alle Mühe, die toughe, mit allen Wassern gewaschene Polizistin zu geben. Der Spagat zwischen lieb und propper (Lopez) und tough-durchtrieben (die gespielte Rolle: Detective Harlee Santos) haut jedoch vorne und hinten nicht hin. Die ganze Wahrheit allerdings ist: Ray Liotta in der Rolle des Haupt-Korruptionsverdächtigen Leutnant Bill Wozniak reißt den mißratenen Plot ebenfalls nicht raus. Axel Weidemanns Anmerkungen in der FAZ mit dem Inhalt, in der Serie werde für eine Noir-Handlung einfach zu viel endlosgelabert, hat zwar was, trifft allerdings nicht ganz den Punkt. Ausgangsbasis ist eine Spezialeinheit des NYPD, gegen deren Teamchef das FBI eine Ermittlung durchführt. Um Material gegen Wozniak zu bekommen, setzen die Feds dessen Kollegin Santos unter Druck. Santos ist in die Korruptionsmachenschaften selbst involviert, hat eine Tochter, und so führt denn eins zum anderen.

So weit so gut. Die Konstellation »Cops, die gegen Cops ermitteln« ist im Genre nicht nur Standard. Sowohl Filme (Im Vorhof der Hölle, Departed sowie der famose 80er-Jahre-Streifen Prince of the City) als auch Serien (hier vor allem: The Shield) haben gezeigt, dass man – entsprechende Ambitionen vorausgesetzt – aus diesem Grundthema höllisch gute Geschichten machen kann. Shades of Blue verschenkt seine Geschichte allerdings von Anfang an. Was bereits bei der Plot-Konstruktion anfängt: Anders als in The Shield steht nicht das Leben und Wirken einer Cop-Truppe im Mittelpunkt, die sich mehr und mehr im Gestrüpp aus Ambitionen, dolce vita, Macho-Kult und Kriminalität verstrickt, sondern vielmehr die In-Szene-Setzung zweier antagonistischer Hauptrollen: hier Wozniak / Liotta als dämonisch-hintergründiger Patriarch seiner korrupten Einheit, da Santos / Lopez als unter Druck gesetzte Mutter und Kollegin, die versucht, nicht unter die Räder zu kommen.

Dabei krankt die Serie weniger an der Action. Auch die übliche Milieu-Zeichnung mit überarbeiteten Cops, Informanten, Drogendealern sowie den obligatorischen Gangs kommt keinesfalls zu kurz. Auch die Härte der Darstellung ist mit vergleichbaren Serien auf Augenhöhe. Dramaturgischer Hauptfehler ist, dass die Serie von Anfang an auf das Versteckspiel der beiden Konterparts Santos und Lopez fokussiert. Anders gesagt: Bereits in der ersten Folge ist das Spannungspulver großteils verschossen – auch wenn sich die Situationen, in denen Wozniak Santos fast durchschaut, wieder Vertrauen fasst, wieder zweifelt und so fort, sich aneinanderreihen wie die Perlen einer Perlenkette. Herauskommen kann bei einer derartigen Anlage nur: eine ziemlich vorhersehbare Serie.

Hybridserien als Testballon

Zum selben Ergebnis kamen wohl auch die Zuschauer. Nachdem die erste Doppelfolge katastrophal floppte, verschob RTL die restlichen Folgen auf einen späten Sendeplatz. Zuschauertechnisch hat sich die Frage »Top oder Flopp?« also bereits beantwortet. Allerdings ist es zu kurz gegriffen, die Serie unter der Rubrik »Gewollt, aber nicht gekonnt« abzuhaken. Kommerziell gesehen zählt Shades of Blue – ebenso wie die 2014 auf den Weg gebrachte Serie Powers sowie der Erfolgsserien-Seitenstrang Chicago P. D. – zu einem Typus TV-Serien, der seitens der Studios und Ausstrahlsender immer stärker favorisiert wird. Die Masche dabei: Einerseits greifen Studios und Macher auf Elemente der anspruchsvollen Qualitätsserie zurück – durchgehendes Erzählen, tendenzielles Ausreizen von Grenzen, ambivalente Charaktere. Andererseits werden die getätigten Anleihen in ein konventionelles Korsett überführt. Das Ergebnis: ein Klone – ein Hybrid, der mit den Attributen qualitativ hochstehender Serien auftrumpft, im Ergebnis jedoch letztlich nichts weiter liefert als Mainsteam von der Stange.

Fazit: Die Zeit, in der Qualitätsserien à la Breaking Bad und Mad Men großflächig das Terrain bestimmten, neigt sich unaufhaltsam dem Ende entgegen. Nischenserien sind zwar weiterhin am Start; die Ambitionen hier sind allerdings schon längentechnisch überschaubar gehalten. Kommerziell ergeben Hybridserien sicher Sinn. Das Kalkül: Man ködere das Nischenpublikum und nehme zusätzlich hinzu das Massenpublikum von Navy CIS & Co.. Allerdings: Der Mißerfolg von Shades of Blue zeigt, dass die Realität allzu omnipotenten Vermarktungsstrategien hier ihre Grenzen zeigt. Die Moral der Geschicht’: Das Publikum oberflächlicher, im High-Tech-Look produzierter Krimiserien interessiert sich eher in Ausnahmefällen für differenziertere Stoffe. Falls doch, dann sicher kaum für einen am Reißbrett entworfenen Marketing-Versuch.

Fazit

Prognose so: Zwitterserien wie Shades of Blue werden ausstrahltechnisch wohl kaum eine große Zukunft haben. Der Markt ist von Navy CIS & Co. bereits besetzt. Cineasten und Noir-Liebhaber hingegen können unterdess überlegen, wie beispielsweise die Macher von HBO einen Stoff wie Shades of Blue umgesetzt hätten.

Womit zu hoffen bleibt, dass die anspruchsvollen Nischen so lange wie möglich erhalten bleiben.

Ausstrahlung:

RTL, dienstags, ab 22.15 Uhr

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Richard Zietz

Linksorientierter Schreiber mit Faible für Popkultur. Grundhaltung: Das Soziale ist das große Thema unserer Zeit.

Richard Zietz

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