Mashup 2.8: Beatz & Reime

Popmusik Auch in Germany ist Hip Hop mittlerweile zur dominierenden Popmusik-Richtung avanciert. Ungeachtet der Rede von Unterschichten-Musik ist sie vielfältiger, als man denkt

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Für Reime und starke Ansagen gleichermaßen zu haben: Sido 2020 auf dem CARStival in Mannheim
Für Reime und starke Ansagen gleichermaßen zu haben: Sido 2020 auf dem CARStival in Mannheim

Foto: Wikimedia/ Sido - 2020170220959 2020-06-18 Sido - Sven - 1D X MK II - 0408 - B70I4311 von Sven Mandel (CC BY-SA 4.0)

Im Herbst 1992 tat sich in der – gerade im Umzug von Bonn in die neue Hauptstadt Berlin befindlichen – Republik Bemerkenswertes: Die Single Die da!?! von den Fantastischen Vier schoss die Hitparaden hoch und war bald derart omnipräsent, dass „Die da“ zum allroundtauglichen Bonmot der frühen Neunziger avancierte. Bemerkenswert war der Erfolg dieser lustigen Verwechslungsgeschichte aus dem alltäglichen Geschlechter-Nahkampf in mehrererlei Hinsicht. Zum einen, weil alltagsbeständiges Frei-von-der-Leber-weg-Geschichtenerzählen bislang eher nicht als Türöffner galt hinein in die oberen Chartränge. Beim zweiten bemerkenswerten Umstand geht es bereits in die Feinheiten. So etwa beim Nehmen des beatverstärkten Reim-Sound der vier Stuttgarter Mittelstandseleven als Indiz dafür, dass der Rap nunmehr echt und wahrhaft im Land der Kartoffeln angekommen war. Deutschland – eine Nation der Ghettokinder? Schon die Song-Anverwandtschaft lässt da große Zweifel aufkommen. Denn: Vom breiten Publikum wurde Die da!?! – nach Neue Männer braucht das Land von Ina Deter und Männer von Herbert Grönemeyer – eher als aktueller Zustandsbefund von der Geschlechterfront rezipiert denn als Rap. Weswegen die Antwort aus dem Jahr 1994 – Mädchen von Lucilectric – folgerichtigerweise gar kein Hip Hop mehr war, sondern eingängiger Girlie-Electropop Marke Neunziger.

Doch lassen wir das wohlfeile Herumhacken auf Fanta 4. Fakt ist, dass die Stuttgarter auch düstere Produktionen im Gepäck hatten. Etwa Es wird Regen geben aus dem Jahr 1992 – ein durchaus prophetischer Ausblick auf die Zeiten, die da noch folgen sollten. Die Crux bei allem ist: Deutschland entdeckte den Rap sowie die damit verbundene Hip-Hop-Subkultur zu einem Zeitpunkt, als die Party in den USA bereits keinen neuen Hund mehr hinterm Ofen hervorlockte. Old-School-Hip-Hop aus der New Yorker Bronx mit African Bambata und Grandmaster Flash war zu jener Zeit längst passé, und auch die härtere, in den Gang-Auseinandersetzungen zwischen Crips und Bloods geschmiedete Westcoast-Variante wollten allenfalls Puristen noch als New School bezeichnen. Der springende Punkt: All diese Varianten kamen in Deutschland vorzugsweise in Import-Form vor. Das heißt: Musikinteressierte Indierock-Enthusiasten (wie etwa der Autor dieses Beitrags) rüsteten sich – für die schweren Zeiten, die da noch kommen – mit US-amerikanischer Ghetto-Ware auf (in meinem Fall Too Short, den Dream Warriors und – später – Jazzmatazz, aber das tut hier wenig zur Sache).

Nichtsdestotrotz lief auch im deutschsprachigen Underground das Hip-Hop-Ding langsam an. Breakdance wurde zur Vorzeigekür in Jugendzentren wie Fußgängerzonen; Graffitis verzierten erwünschte wie unerwünschte Orte in immer größerer Dichte. Auch musikalisch tat sich einiges. In Mannheim machten die Söhne Mannheims von sich reden – von denen einer, Xavier Naidoo, später in politisch stark bedenkliche Sphären abdriften würde. In hippen Kreisen war unterdess Acid Jazz das neue Ding: Electronic meets Hip Hop & Jazz. Formationen, die diesen wahlweise funkigen, souligen oder auch jazzigen Groove praktizierten, waren etwa Jazzkantine aus Braunschweig sowie Absolute Beginner aus Hamburg. Drei Jahre nach Die da!?! ging indess ein neuer Ruck durch die Szene. Ort des Bebens: die Tristesse des Frankfurter Randbezirks Rödelheim. »Direkt aus Rödelheim«, setzte sich bereits der Erstling des Rödelheim Hartreim Projekt entschieden von Fanta 4 und Konsorten ab. Neues Element, etwa in Tracks wie Reime oder Höha, schnella, weita: der Ton, die Ansage, die beschriebene Erlebniswelt, das Verständnis von Rap – kurzum: alles. Im Ergebnis stellten die Produktionen von Moses Pelham und seiner Frankfurter Vorstadt-Posse unter Beweis, dass der Rap – der echte, wohlgemerkt – nunmehr auch in Deutschland angekommen war.

Posse – zu deutsch etwa: der Clan, die Clique, das Netzwerk der Hoodies – war auch bei Pelham und seinem (kurzlebigen) Reimprojekt das maßgebliche, eigentliche Stichwort. Pelham selbst etablierte sich in der Folgezeit vor allem als Produzent sowie allseits präsenter Pate der Szene – mit dem Nebeneffekt, dass die Main-Metropole bis heute als das eigentliche Zentrum deutscher Hip-Hop-Musik gilt. Eine aus dem Stall dieser Posse schwamm sich schon früh musikalisch frei. Schwester S – unten im Clip mit dem Track Hier kommt die Schwester – war nicht nur ein integraler Bestandteil des Rödelheimer Projekts. Unter ihrem Echtnamen Sabrina Setlur startete die Tochter indischer Einwanderer zeitweilig eine für das Genre beachtenswerte Karriere. Bemerkenswert dabei: der Umstand, dass Setlur das Metier Rap eher frei für sich auslegte und schon bald mit souligen Grooves anreicherte. Beispiel: die Ballade Mein Herz. Textlich repräsentieren Rödelheim Hartreim Projekt, Sabrina Setlur und vergleichbare Acts den deutschen Rap, bevor er zum Gangsta Rap mutierte. Wenn man so will, wurden die Regeln damals noch beherzigt: Street Credibility und klare Ansagen – ja. Der Wettlauf um die krassesten Sprüche, die dicksten Eier und die echteste Schusswaffe allerdings lag damals noch in der Zukunft.

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Die Wende kam 2001. Sie veränderte die im deutschen Hip Hop geltenden Parameter gleich in mehrererlei Hinsicht. Zum einen verlagerte sich, dank dem Label Aggro Berlin, die Achse in die frischbezogene Hauptstadt. Zusätzlich kam – frei nach der Regel, dass alle Entwicklungen in den Vereinigten Staaten zeitversetzt auch in Germany ankommen – nunmehr auch Gestus sowie Inhalte des New-School-Rap in Deutschland an. Dessen dominierende Richtung war Gangsta Rap. So nun auch in Germany. Sido, Bushido, Fler und der Rest der durch Aggro Berlin ins Rampenlicht gespülten Newcomer starteten mit einem Level an Gewaltglorifizierung und Straßenmacho-Ansage, dass bei ökobewegten Beobachter(inne)n der Szene die Jalousien geradezu im Takt herunterrasselten. Der Aggro-Sound hielt sich nicht lange mit Vermittlung oder auch selbstgenügsamen Hochhalten eigener subkultureller Gepflogenheiten auf. Titel wie Mein Block glorifizierten das randständig-renitente Leben in den Plattenbaukiezen und Elendsquartieren, suchten geradezu die Provokation. And me? Verglichen mit dem Rest aus deutschen Landen fand ich das Ganze vor allem sehr authentisch – und hatte in der Folge anhaltende Probleme, dass meiner eigenen »Hood« zu vermitteln.

Das Sujet, um das es ging, fuhr indess absehbar gegen die Wand. Großer Showdown war schließlich der Eklat um die Echo-Verleihung 2018 und den Disput um antisemitische Anspielungen im deutschen Rap. Rückblickend zu bemerken war da allenfalls, dass kommunikativ gesehen bereits die Jahre zuvor einiges schief gelaufen war. Das mediale Normalmuster bestand darin, einen oder mehrere Rapper aufs Talksofa zu locken, zusätzlich ein, zwei exponierte Gegenparts hinzuzuplatzieren und das Ganze dann nach dem Muster aufzuziehen »Was sind das denn für schlimme Texte?« Den Höhepunkt dieser lebenswirklichkeitsvergessenen Ignoranz des Unterschieds zwischen eigentlichem und (dem im Rap essentiellen) uneigentlichem Sprechen lieferte 2011 Markus Lanz im Talk mit Bushido, Sido, der Schwulenakivistin Gabi Decker und dem Allround-Philosophen Richard David Precht. Ergänzend zur üblichen Pädagogik-Runde hatte der ZDF-Entertainer gleich noch eine Art Supervisions-Instanz mit aufs Sofa geladen: Altrocker Peter Maffay.

Es kam, wie es kommen mußte: Bürgerliche Leitmedien wie die Welt hatten so zwar ihre phatten Schlagzeilen. Auf längere Sicht allerdings erwies sich die Kombination aus talkgeleiteter Songtext-Exergese und Pädagogik als wenig geeignet, der absehbaren Eskalationsspirale im deutschen Rap auf den Leib zu rücken. Zwar hat sich der deutsche Rap – siehe auch die folgenden Abschnitte – zwischenzeitlich auf eine beachtenswert vielfältige Weise ausdifferenziert. Dafür hat der Gangsta Rap Marke 2.0 ein neues Problem: Rücken. Mit Kieser-Training oder auch Kraftsport hat der Begriff nicht wirklich was zu tun. »Rücken« im Deutsch-Rap bedeutet vielmehr: Protektion und Schutz seitens krimineller, islamistischer und auch rechtsextremer Halbwelt-Gruppierungen wie etwa der Grauen Wölfe. Ein Schlaglicht auf die Schnittmengen-Zonen zwischen Rap- und Unterwelt wirft eine aktuelle rbb-Reportage. Allerdings: Da weder Pädagogik noch Kriminalberichterstattung die Faszination für die aktuelle Reimkultur made in Germany aufklären kann, ist es vielleicht nicht verkehrt, einen Moment bei den beiden Stars der Szene – Sido und Bushido – zu verweilen und einen näheren Blick auf das Werk zu werfen.

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Zugegeben – auch der Werkblick fällt in meinem Fall total subjektiv aus. So muß ich gestehen, dass ich zwar ein absoluter Sido-Fan bin, mit seinem Konterpart Bushido jedoch bis heute recht wenig anfangen kann. Sicher – auch Bushido hat einige Nummern in petto, die für das Genre bemerkenswert sind und die man sich – auch bei Nicht-Übereinstimmung mit der damit transportierten Grundhaltung – durchaus anhören kann. Die unreflektierte Dicke-Eier-Sichtweise, die der Wahl-Potsamer trotz Villa bis heute zelebriert, ist jedoch mein Fall nicht. Anders Sido. Bereits Mein Block unterschied sich vom Gros des Metiers eben dadurch, dass eben NICHT angegeben wird nach dem Schema »Ich bin der größte Gangster im Block«. Textlicher Inhalt ist eher die Botschaft, dass man auch als Plattenbaughetto-Bewohner nicht ausschließlich ein bemitleidenswertes Opfer ist. Am besten auf den Punkt bringen diese Haltung Titel wie Bergab oder Straßenjunge (siehe Clip oben). Auch Straßenjunge ist einer aus Sidos frühem Oeuvre. Neuere Songs hingegen wie etwa Hey du (2017) eignen sich mit ihrem Mix aus Nena-likem Refrain und harten Ansagen durchaus als Mutmacher für Hörer(innen), die mit Schicksalsschlägen herumlaborieren. Fazit hier so: für einen Gangsta-Rapper, der angeblich nur unisono kann und schon via Berufsprofil von Publikumstäuschung lebt, ein bemerkenswert vielfältiges – man möchte fast sagen: diverses – Profil.

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Last but not least war Mein Block für den deutschen New-School-Rap in etwa das wie Die da!?! für die Implementierung des Metiers zehn Jahre zuvor. Antworten folgten auf dem Fuß – entweder einen Tick gangsta-rappiger wie bei dem Frankfurter Azad oder als Lobhymne auf das Landleben wie in Mein Dorf. Streng genommen wäre in die Gangsta-Rap-Schublade auch Schwesta Ewa einzusortieren. Die Frankfurterin ist allerdings in mehrererlei Beziehung ein Sonderfall. Obwohl Frau, bringt sie – anders als viele der Jungs, die den »Gangsta« lediglich posen – unmittelbare Erfahrungen mit ein und damit die im Rap essentielle street creditibility. Kerninhalt ihrer Geschichten ist folgerichtig die eigene Vita – konkret: ihre Rolle als Zuhälterin und damit Mit-Profiteurin vom Milieu. Eine Vita, die 2018 zur Verurteilung zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe führte. Vorläufiges Ende der Geschichte: Zwischenzeitlich ist Schwesta Ewa Mutter, wieder aus dem Knast raus und rappt munter weiter. Anspieltipps: der Rotlicht-Song Milli und der – sicher als Schlüsselsong betreffs ihres besonderen Stellenwerts im Genre wertbare – Track Mein Geständnis (Clip oben).

Frauen im deutschen Rap ist ein gutes Thema. Die (oftmals) machistischen Texte stehen regelmäßig in der Kritik, nicht zuletzt auch im Freitag. Eine Autorin zum Thema ist als Rapperin vielleicht bekannter: Lady Bitch Ray – promonierte Sprachwissenschaftlerin und Abkömmling türkischer Einwanderer. Die Crux hier: ihre geschriebenen Texte sind oft nachdenkenswert; ob man den Sexualkunde-Nachhilfeunterricht in ihren Reim-Werken geil findet, muß jede(r) für sich entscheiden. Eine weitere RapperIN ist Kitty Kat, eine Künstlerin aus dem Aggro-Berlin-Stall und an der Seite von Sido und anderen Top-Acts bereits als Reim-Kollegin tätig geworden. Wie im Rap allgemein geht es auch in Tracks wie LMS Bitch Fresse um Identität – genauer: wie es ist, sich als weiblich-unten auf der Straße durchboxen zu müssen. Der Vollständigkeit halber aufgeführt sei an der Stelle auch ein Act, den man gemeinhin eher nicht dem Metier Rap zuordnet: Carolin Kebekus, Deutschlands wohl bekannteste Comedienne. Zugegeben – Kebekus Abstecher ins Metier sind eher periodischer Natur. Die Unterschicht-Plage Rebekka allerdings gibt sie in Rebekka – Assozial (2011) stilecht bis zum auf dem Bordsteinpflaster platzierten Rotzklumpen.

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Für die Heterogenität deutscher Reimwerke ist das Beispiel Carolin Kebekus durchaus aussagekräftig. Zwanzig Jahre nach Die da!?! (und über vierzig nach den Anfängen in der Bronx) ist deutsche Rapmusik derart vielgestaltig, dass die Produktion geeigneter Schubladen kaum nachkommt. Interessante Synergien gibt es etwa mit untergroundiger Partymusik, Dub und Electronic. Wesentliche Worte gefunden hat hier Boba Fettt, ein Rapper und DJ, der die Partyszene und ihre gesellschaftliche Selbstgenügsamkeit in dem Stück Drecks-Generation 2007 einer gleichfalls groovenden Ätz-Kritik unterzog. Eine Entität für sich waren beziehungsweise sind das Spandauer Duo Icke & Er. Ihre bürgerlichen Real-Identitäten hielten die beiden Duo-Macher lange Zeit geheim. In den Deutsch-Hip-Hop unterdess transferierten sie zwei bislang eher unterbelichtete Elemente: Humor und Bescheidenheit. Ganz so unter den Scheffel brauchten sie ihr Licht dabei nicht zu stellen. 2009 stellten sie ein Benefit-Konzert für Hartz-4-Empfänger(innen) auf die Beine. Ihre Songs leben von entspannt-berlinerischer Wurstigkeit. Eines ihrer bekanntesten Stücke ist Richtig geil. Die Exit-Strategie, die Icke & Er im gleichnamigem Stück (siehe oben) anskizzieren, hat das Duo auch im echten Leben durchgezogen: Der Erfolg war da, aber Icke & Er machten – erst mal – einen Rückzieher. Allerdings nicht so ganz streng, denn, so der Song: »Ein Comeback muß schon drin ein«.

Die härtere Variante des deutschen Rap mag zwar von Leuten wie Haftbefehl, Fler und Bushido durchmarkiert sein. Dass Authenzität auch in Kombination mit Fußball gut funktioniert, stellt der aus Castrop-Rauxel stammende Rapper mit dem Namen M.I.K.I unter Beweis. M.I.K.Is Metier ist die Kurve – genauer: der Livestyle als Hooligan von Borussia Dortmund. Sicher – auch in Tracks wie Perle aus dem Block und Tipico tremoliert das Pathos mitunter heftigst durch. Gebrochen wird das Ganze allerdings durch Statements, die nicht nur selbstreflektiv wirken, sondern diese Form Reflexion auch auf das Milieu anwenden. Mit seiner erzählerischen Grundhaltung knüpft M.I.K.I nicht nur an das Selbstverständnis seines Kollegen Sido an. Auch die Grooves, gern verstärkt durch Rockelemente, unterfüttern ein Ruhrpott-Bild, wie man es – eine Generation zurückgeschaltet – von einem Klaus Lage kannte, einer Fernsehkommissar-Figur namens Schimanski und einem neueren Epigonen namens Faber.

Früh in den eigenen Lifestyle integriert wurden Rap & Hip Hop von der politischen Linken. Ein Schlüsselsong aus dieser Phase ist 80 Millionen Hooligans. 1991 – mit den rechten Post-Wiedervereinigungs-Pogromen ging es gerade los – lieferte er den unverzichtbaren Soundtrack für Antifas wie Antideutsche. In der Version der Goldenen Zitronen klingt der Titel eher brav-bieder und eben nach Achtzigerjahre-Punk. Erst das in Kooperation mit Easy Business und Eric IQ Gray eingespielte Mashup pegelte die völkische Bedrohungslage derart hoch, dass man sie als Hörer wirklich spürte. Ansonsten ist das Musikpublikum zwischen links und links außen gut mit einschlägigen Acts versorgt. Bekannteste Acts der Szene sind K.I.Z., die Antilopen Gang sowie deren – derzeit auch im Metier Anti-Rechts-Chanson Furore machendes –Mitglied Danger Dan. Ein Unterschied in der Gesamtrichtung ist bei beiden Formationen schwer auszumachen – allenfalls der, dass K.I.Z. eine noch stärkere Dosis an dadaistischer Provokation in petto haben. Last but not least: Auch das Milieu rund um Montagsdemos und Querdenker hat seit Jahren seinen Hausrapper. Kriegsname: Die Bandbreite. Aus dem Antifa-Spektrum erwähnt seien an der Stelle Sookee sowie die Formation Neonschwarz. Wie der (kritische) Blick auf die kapitalistische Leistungsgesellschaft daherkommen kann, zeigen die Neonschwarz-Macher(innen) Johnny Mauser, Captain Gips und Marie Curry in untstehendem Video.

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Fazit: Hip Hop und Rap sind allseits präsent. Zusammen mit RnB – also dem Amalgam aus Soul/Funk, Disco und Mainstream-Pop – dominiert diese Sparte mittlerweile den Popmusik-Markt. Dass die Gangsta-Ausprägung im Genre vorherrschend geworden ist und auch in der aktuellen Außenpräsentation eine gewisse Dominanzrolle innehat, ist einerseits zwar wahr. Auf lange Sicht gesehen dürfte sich dies allerdings relativieren – vor allem vor dem Hintergrund, dass alle Versuche, den Grad an Ansage noch zu toppen, mittlerweile getätigt worden sind. Im Kern sind Hip Hop & Rap indess nichts anderes als die Weiterentwicklung, die zeitgemäße Form afroamerikanischer Stilistik. Welche Grooves hierzulande in Zukunft noch weiter reinspielen werden und welche Wege das Metier künftig geht, soll an dieser Stelle nicht kaffeesatzgelesen werden. Die aktuelle Vielfalt gibt jedoch einen Vorgeschmack darauf, dass der Weg eher in Richtung von noch mehr Diversifizierung gehen wird. Wobei – die gute Nachricht – auch der Deutsch-Rap sich den musikalischen Umfeldern so angepasst hat, dass oftmals gar nicht mehr klar ist, dass es sich bei Stück X oder Y um einen Rap handelt.

Umgekehrt haben Beatz und Reime die Popmusik in einem Ausmaß verändert, das sich durchaus mit der Rock’n’Roll-Revolution der Fifties, der von Beatles/Stones in den Sechzigern und der des Punk in den Achtzigern vergleichen lässt. Insofern ist die Popmusik weitaus weniger uniform und statisch, wie feuilletonistische Kulturkritik vom Sofa aus sie gelegentlich hinstellt.

Info

»Mashups« (siehe Wikipedia) sind Samplings, bei denen zwei oder mehr Musikstücke zu einem zusammengesamplet werden. Die Beitragreihe »mashupt« Themen, Künstler(innen) und Stile der Pop- und Rockmusik.

Staffel 1: (1) Hardrock versus Country | (2) Stones versus Dylan | (3) Feuerzeugballaden | (4) Funk versus Soul | (5) Wader versus Scherben | (6) Clash versus Cure | (7) Der »Club 27« | (8) Reggae-Time | (9) Venus, Glam & heiße Liebe | (10) Raves & Bytes

Staffel 2: (1) Die Hüter der Tradition | (2) Die Weitergabe der Staffel | (3) Gabriel und Werding | (4) Global Villages | (5) Der Schmerz des weißen Mannes | (6) Die Leichtigkeit der Dinge | (7) Der Schwermetall-Report

Die nächste Folge handelt von den ewigen Traditionen in der Country Music und den künstlerischen Familienunternehmen Williams, Cash und Earle. Titel: »Hillbilly-Dynastien«.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Richard Zietz

Linksorientierter Schreiber mit Faible für Popkultur. Grundhaltung: Das Soziale ist das große Thema unserer Zeit.

Richard Zietz

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