Mashup Vol. 7: der »Klub 27«

Rockmusik Jim Morrison und Janis Joplin sind die berühmtesten Toten der Rockmusik. Musikalischer Nachlass: die beiden Stücke »Riders on the Storm« und »Me and Bobby McGee«.

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Schlussendlich wurde Janis Joplin das Opfer ihrer eigenen hochgesteckten Ansprüche – und, vielleicht das wichtigste Moment, ihres überbordenden Hungers nach Leben
Schlussendlich wurde Janis Joplin das Opfer ihrer eigenen hochgesteckten Ansprüche – und, vielleicht das wichtigste Moment, ihres überbordenden Hungers nach Leben

Foto: Tucker Ranson/Archive Photos/Getty Images

Legt man eine nostalgische Stunde ein und führt sich als Erinnerungstimulanz das Dreier-Album »Woodstock« zu Gemüt, wird möglicherweise der Blitz der Erkenntnis niederfahren: einige der auf »Woodstock« Versammelten sind auf recht dramatische Weise von uns gegangen. Den Alkohol- und/oder Drogentod gestorben sind: Jimi Hendrix (1970), Canned-Heat-Frontman Alan »Blind Owl« Wilson (1970) und die Sängerin Janis Joplin (1971). Die Doors hatten ihre Teilnahme an dem Event abgesagt; ihr Sänger und Frontman Jim Morrison wurde am 3. Juli 1971 in Paris tot aufgefunden. Bei Woodstock ebenfalls nicht mit von der Partie waren die Rolling Stones. Ihr Ex-Gitarrist Brian Jones, verstorben am 3. Juli 1969 auf dem Boden seines Swimmingpools oder aber an dessen Rand, ist auf der Rock’n’Roll-Totenliste der End-Sechziger ebenfalls nicht zu vergessen. Dabei waren Hendrix, Wilson, Joplin, Morrison und Jones nicht die ersten. Vom Rock’n’Roll-Tod gelichtet wurden bereits die Reihen der Vor- und Vor-Vor-Generation. Am 3. Februar 1959 hatte der Sensenmann der Rockmusik gleich drei Prediger auf dem Acker des Herrn in die ewigen Ruhmeshallen verschickt: Ein außer Kontrolle geratener Tour-Kleinflieger marodierte in der Nähe von Mason City, Iowa. Opfer an jenem denkwürdigen Tag, an dem – so der US-Barde Don McLean – »die Musik starb«: Buddy Holly, Ritchie Valens und The Big Bopper. Im Jahr darauf starb die Rockabilly-Legende Eddie Cochran bei einem Autounfall in London; sein Kollege Gene Vincent wurde bei dem Crash schwer verletzt. 1963 schließlich mußte die Country-Disseuse Patsy Cline dran glauben. Zusammen mit zwei Mitmusikern kam sie beim Absturz ihres Tour-Kleinflugzeugs ums Leben.

Aus Pappe zusammengekleisterte Tour-Flieger, zu wenig Benzin, zu viel Heroin und dann noch Vietnam: Auch abseits der Reihen der progressiven Rockmusik vermittelte die Szene zeitweilig den Eindruck, dass die Helden des Musikbizz wegstarben wie die Fliegen. 1977 erwischte es Marc Bolan (Autounfall), 1979 Sex-Pistols-Bassist Sid Vicious und seine Freudin Nancy Spungen (beide: Überdosis Heroin). Fortgesetzt wurde der Reigen von Nirvana-Frontman Kurt Cobain. Anstatt irgendwelche Mätzchen zu veranstalten mit Drogen oder leichtsinniger Fahrerei, wählte Cobain den amerikanischen Klassiker schlechthin: Gewehrlauf in den Mund – abdrücken – Ende. Amy Winehouse, das bislang letzte Opfer sinistrer Gesamtumstände, konnte mit so viel Klassik nicht mithalten. Schuld an ihrem Tod am 23. Juli 2011 waren – so Wikipedia – 4,16 Promille im Blut. Winehouse, der bislang letzte Zugang im »Klub 27«, mag die einschlägige Maxime »Life Fast, Die Young« noch einmal bestätigt haben. Wer ernsthafte Ursachenforschung betreibt, wird allerdings um die Tatsache nicht umhinkommen, dass das mörderische Rock’n’Roll-Leben seinen Protagonist(inn)en durchaus den Rest gegeben haben könnte. Sofern man dieses Leben nicht sexy romantisiert wie etwa die Berliner Band Stereo Total in ihrem Stück »Küsse aus der Hölle der Musik«, kann man es in etwa auf den Punkt bringen wie die Singer-Songwriterin Mary Gauthier in ihrem Folksong »Rock and Roll Lies«: Alles Lüge; das komplette Gebäude ist auf Sand gebaut.

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Sicher: Seit jenem Tag, »als die Musik starb«, sind x-Tausende Musiker und Musikerinnen ums Leben gekommen: teils früh und lebenswandelsbedingt, teils auch friedlich im Bett, halbwegs mit sich im Reinen und im (mehr oder weniger) hochbetagten Alter. Lässt man den kürzlich verstorbenen Filmmusik-Komponisten Ennio Morricone außen vor, sind Jim Morrison und Janis Joplin – zusammen mit Jimi Hendrix – die Ikonen jener Ära. Janis Joplins Grab ist die Weite des nordkalifornischen Pazifiks. Jim Morrison ist auf dem Pariser Promifriedhof Père Lachaise bestattet; seine letzte Ruhestätte ist bis heute eine Pilgerstätte für Fans wie Touristen. Das musikalische Oeuvre der beiden ähnelt indess mehr einem wilden Steinbruch denn einer ordentlich durchsortierten Werksmappe. Morrison prägte maßgeblich den Stil seiner Gruppe, den Doors. Zwischen 1967 und 1971 veröffentlichte die Band sechs Studio-Alben – enthaltend Klassiker wie »Light my Fire«, »Love her Madly«, »Roadhouse Blues« und das »Dreigroschenoper«-Stück »Alabama Song«. Joplin veröffentlichte zwei Alben solo und zwei mit ihrer Formation Big Brother & The Holding Company. Hinzu kamen – ähnlich wie bei Morrison und den Doors – post-mortem-Veröffentlichungen und Kompilationen. Welcher Song bringt die beiden jeweils am besten auf den Punkt? Schwer zu entscheiden. Musikalische Steinbrüche sind beide. Dem Mythos und der musikalischen Essenz nähert man sich vielleicht am besten vom Ende her – dem Spätwerk. Vorhang auf so für: die melancholische Surfrock-Eloge »Riders on the Storm« und die aufgerockte Country-Ballade »Me and Bobby McGee«.

Riders on the Storm

Als die Todesmeldung durch die Nachrichten rauschte, wußten wir tief im Inneren: Was Richtiges, Bemerkenswertes wird diese Band nicht mehr auf die Beine stellen. Dabei gehörte unsere musikinteressierte Clique keinesfalls zu der Sorte, die musikalisches Handwerk gering schätzten. Im Gegenteil: Es war die große Zeit der fortgeschrittenen Gitarrenakrobatik; auch an die Bedeutung anderer Instrumente wie Orgel oder Saxophon hatten uns die Koryphäen der damaligen Rockmusik zur Genüge herangeführt. Anders gesagt: Robby Krieger (Gitarre), Ray Manzarek (Orgel) und John Densmore (Drums) würden sicherlich weiter beachtenswerte Musik produzieren (vorausgesetzt, sie blieben zusammen). Der richtige Kick allerdings wäre ohne Sänger Morrison weg. Im Sommer ’71 war »Riders on the Storm« erschienen – eine Auskoppelung aus dem Album »L. A. Woman«. Verglichen mit anderen Alben der Doors enthielt die letzte Veröffentlichung mit Morrison vergleichsweise wenig echte Knaller; aufzuführen wäre allenfalls noch »Love Her Madly« – ein Song, der stilistisch stärker an die Anfangszeiten der Gruppe erinnerte als der Rest der Platte. Im Kern ist »Riders on the Storm« eine Surfer-Ballade. Textlich ist es eines jener Stücke, dass üppig mit hingeworfenen Bildern spielt. Bemerkenswerter als die assoziativ hingeworfenen Fragmente – ein Schauspieler ohne Publikum, ein Hund ohne Knochen, ein Mörder auf der Straße – ist die Dichte an Sinnlosigkeit und Weltschmerz, die der besungene Rider on the Storm erlebt.

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War alles vergeblich? War »Riders on the Storm« die vorweggenommene Ankündigung von Morrisons Tod? Wie so oft ist die Geschichte der Doors, ihres Frontmans und ihres posthum prägendsten Stücks mehr als die reine Abfolge von Einzelereignissen. Angefangen hatten die Doors 1965. Gegründet im hippen Venice Beach, einem Stadtteil von Los Angeles, veröffentlichten sie im Sommer der Liebe ihr erstes Album (»The Doors«). Bemerkenswert – außer ausgiebigen Rückgriffen auf den Blues, was für Bands jener Zeit nichts Besonderes war – war der Orgeleinsatz von Ray Manzarek. Das war wiederum durchaus etwas Besonderes – vor allem, da die ohne Bassist auskommende Band sich auf ihrem Erstling gleich den »Alabama Song« aus Brecht/Weills »Dreigroschenoper« vorknöpfte. Auch sonst machten die Doors klar, dass sie sich den Vorläufern der Hippies – den Beatniks um Huxley, Kerouac und Burroughs – stärker verbunden fühlten als, nunja, der Philosophie der Blumenkinder. Von einem Huxley-Gedicht war der Bandname abgeleitet, und auch sonst setzte die Gruppe bald einen ziemlich wüsten Existenzialismus in Szene. Wie gesagt war es nicht nur das »was«. Das »wie« verdeutlicht vielleicht am besten der ganz oben platzierte Ausschnitt aus einem Konzert in New York anno 1970. Das Stück: »Roadhouse Blues«. Die Begleitumstände: Cops, die Bühne-enternde Fans wieder einzufangen versuchen, das Publikum am Rand der Massenhysterie, und ein Sänger außer Rand und Band. Zweifel sind kaum möglich: Zu sehen ist hier eine der mitreißendsten Formationen der End-Sechziger.

Summa summarum machte – vermutlich – die Summe der einzelnen Teile die Faszination der Doors aus. Zu deftigen Rocknummern à la »Roadhouse Blues« hatte sich im Lauf der Zeit ein Oeuvre weltschmerzbelegter (aber gleichwohl hittauglicher) Rockballaden hinzugesellt. Als Tüpfelchen auf dem »i« kamen die beiden Überlang-Stücke »The End« und »When the Music’s over« hinzu – Titel, welche die Vergeblichkeit weltlichen Bemühens auf getragenere Weise in die Köpfe der Zuhörer hineinhämmerten. Kurzum – die Band klang, als sei sie mit Kerouacs Hipster-Bus direkt von Mexiko hinaufgeschippert und hätte sich, auf einen Abstecher bei William Borroughs, noch ein paar Mescalin-Pilze (oder Härteres) unter die Nase gezogen. Konnte diese Geschichte gut enden? Seien wir ehrlich – unter reellen Umständen kaum. Gemeinhin ist die gestellte Frage die, ob die Band ohne Morrison eine Chance hatte. Ebenso in die Irre führt allerdings die Überlegung, wie hoch die Wetten für eine Solokarriere des charismatischen Band-Frontmans gestanden hätten. Die Chroniken sind in Sachen Absetz-Bewegungen nicht eindeutig. Fact jedoch ist, dass die Doors als mit die härteste Subkultur-Band galten. Troubles bei Konzerten (inklusive einem, in dem Morrison auf der Bühne sein Ding auspackte), sybillinische Drohungen gegen US-Präsident Nixon, FBI-Überwachung, Bewährungsauflage als Dauerprovisorium – in Zusammenhang mit der Erwartungshaltung der Fans erklärt das recht gut die Pariser Auszeit, die Morrison sich, zusammen mit seiner Freundin Pamela Courson, gönnte (oder vielmehr: gönnen wollte). Am 3. Juni 1971 endete die Geschichte final: wie das Leben sie schreibt und die Nachwelt kräftig ausschmückte mit Beziehungsstreitigkeiten, Atembeschwerden und – angeblich zur Selbstmedikation konsumiertem – Heroin.

Me and Bobby McGee

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Was Janis Joplins posthum wohl bekanntesten Song anbelangt, ist die große Tube einsilbig. Von »Me and Bobby McGee« findet sich bei YouTube zwar eine stimmungsvoll unterlegte Audio-Version – allerdings kein vorzeigbarer Clip oder Live-Mitschnitt. Anders »Ball and Chain« (siehe oben) – ein Bluesstück, dass Joplin sich von der Bluesängerin Big Mama Thornton ausgeliehen hatte und das, übrigens mit ausdrücklicher Genehmigung der Erstinterpretin, zum integralen Bestandteil von Joplins Song-Inventar wurde. Joplins Live-Interpretation auf dem Monterey Pop Festival 1967 ist nicht nur ein musikalisches Juwel aus der Hochphase der Hippie-Kultur. Joplin bringt hier alles zusammen, was ihren Ruf als herausragende Interpretin dieser Epoche ausmacht: eine atemberaubende Performance, Soul ohne Ende und eine Begleitband, die den Mix aus schwarzen und weißen Musikelementen zelebriert, als hätte sie nie etwas anderes gemacht. Dabei war der Weg zur Westküste (und einer famosen Band wie Big Brother & The Holding Company) der 1943 im osttexanischen Port Arthur geborenen Sängerin keinesfalls vorgezeichnet. Wenn Texas der Hort, der Orkus US-amerikanischer Rückständigkeit ist, dann ist der Osten des Bundesstaats der Pickel auf dem Hintern: Wälder ohne Ende, Eingeborene, deren stolzestes Erinnerungsmoment das Anzetteln von Siedlerrevolten in den 1820ern und 1830ern ist und schließlich die Golfküste mit Ölmulti Texaco als allgegenwärtigem Arbeitgeber.

Janis Joplin hatte, soweit wir wissen, eine recht behütete Kindheit. Dass die Tochter eines Texaco-Mitarbeiters die Sounds des tiefen Südens bis in die letzten Lungenwinkel inhalierte, ist – siehe Elvis, siehe Hank Williams, siehe die Größen des Blues – ebenfalls nicht ungewöhnlich. Bemerkenswert ist, was sie daraus machte. Die Aussage, dass Joplin sich auf die Spuren des Blues begab, ist zwar zutreffend. Ihrer Biografie wird sie allerdings nur teilweise gerecht. Sicher: Stücke in der Tradition des Blues – »Summertime« etwa oder der Soulbrother-Shaker »Try (Lust a Little Bit Harder)« – machten das Herzstück ihres Repertoires aus. Bemerkenswert an ihrer Karriere indess ist, wie sehr sie versuchte, die Zeitströmungen, die in Luft lagen, in einer Art Gesamtkunstwerk zu vereinen – Blues & Soul, die Rockmusik der Gegenkultur, Hippie-Movement, Erfolg, Beziehungen, Drogen. Schlussendlich wurde Janis Joplin das Opfer ihrer eigenen hochgesteckten Ansprüche – und, vielleicht das wichtigste Moment, ihres überbordenden Hungers nach Leben. Möglich, das Joplin für ihre Rolle als herausragender Star der Rockmusik noch nicht reif war. Möglich, dass ihr die robuste psychische Kondition, die dafür (auch) nötig ist, abging. Der kurze Weg, den sie einschlug, führte über eine geradezu atemberaubende Abfolge von Stationen: Pub-Sängerin, Leadsängerin bei Big Brother & The Holding Company, spektakuläre Festival-Auftritte, Solokarriere, vielversprechende Plattenfirmen-Avancen und schließlich die Schattenseite: Drogen inklusive Heroin-induziertem Tod am 4. Oktober 1970.

Warum »Bobby McGee«? Die Aufnahme wurde posthum veröffentlicht, auf »Pearl«, ihrem letzten Album. Autor und Erstinterpret war Kris Kristofferson – damals ein aufsteigender Stern des New Country und mit Joplin zeitweilig auch in amouröser Hinsicht verbandelt. Als Song war »Me and Bobby McGee« die romantische Ballade, die der trauernden Joplin-Gemeinde den nötigen Sinn hinter dem Geschehen lieferte. Textlich liegt »Me and Bobby McGee« Highwaykurve-genau in der Spur von »Easy Rider«. Es geht um Abgebrannt-Sein, trotzdem seinen kleinen Road Trip weiter Durchziehen, Liebe, die Flüchtigkeit des Seins und weitere Widrigkeiten. Identifikationstechnisch war er die nachgelieferte Ballade zum Leben; als »weißer« Song mit Country-Wurzeln darüber hinaus derart allgemeingültig, dass seinem Weg ins Repertoire der großen Klassiker nichts im Wege stand. Und so kam es denn auch. Anders als andere Joplin-Sings wurde »Me and Bobby McGee« zu einem der großen Standard-Songs aus der Ära der Anfangs-Siebziger. Love, Peace and Freedom: Ähnlich wie »Easy Rider« als Film war »Me and Bobby McGee« der finale Abgesang – der Abgesang auf eine Ära, in der alles leicht war und Zukunftsoptimismus kaum Grenzen kannte.

Sehnsucht nach Tod, Gier nach Leben

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Sicher gehört der dritte berühmte Tote der Endsechziger in diese Aufführung unabdingbar mit hinein: Jimi Hendrix. Anders als bei Morrison und Joplin liegen Weg und Tod bei Hendrix jedoch offenherzig zutage. Lapidar könnte man sagen: keine weiteren Fragen. Künstlerisch gibt es im Fall Hendrix wenig zu deuteln. Der wohl virtuoseste Gitarrenplayer der progressiven Rockmusik machte das Dekonstruieren nicht nur zu seinem Markenzeichen. Auch in Bezug auf die Auswahl seines Songmaterials hatte er stets ein treffsicheres Fingerchen. Ob »Hey Joe« (laut Wikipedia ein Stück unbekannter Herkunft) oder die Dylan-Adaption »All Along the Watchtower«: die Hendrix-Interpretationen waren nicht nur stets eine eigene Güteklasse. Als Künstler zelebrierte er eine Gesamtperformance, welche die gesellschaftskritischen Anliegen der Counter Culture wie in einem Brennglas bündelte. Die banale Zusatzaussage: Glücklich wurde er damit nicht. Drogen, suboptimal verlaufende Beziehungen sowie ein erratisches Auf und Ab in Sachen Bandbesetzungen, Oeuvre und musikalischer Gesamtausrichtung begleiteten seine Karriere ebenso stetig wie die von Jim Morrison und Janis Joplin. Am Ende scheiterte auch Hendrix an »Sister Morphine« – oder, genauer: dem neu auf den Markt geworfenen Devirat mit dem Namen Heroin.

Sowas kommt eben von sowas: Einen prominenten Rang nahmen die drei prominenten Toten der Endsechziger-Rockmusik auch hinsichtlich der Agitation ein, welche die neu sich formierende Moral Majority gegen »68 und die Folgen« startete. Während bei Hendrix Ursache und Wirkung klar zutage liegen (ein Künstler in einer langen Reihe, der mit dem Ruhm nicht klarkam), sind die Tode von Morrison und Joplin bis heute mit Bedeutungen überfrachtet. Sicher – der beschrittene Weg war in beiden Fällen glitschig, die Bahn klar vorhersehbar abschüssig. Trotzdem bleiben die Unterschiede frappierend. Bei Doors-Frontman Morrison kann man sagen, dass er mit der dunklen Seite konstant auf freundschaftlichem Fuß stand. Die Andeutungen erfolgten im Stakkato; wenn man so will, waren sie das Futter, mit dem die Doors ihre Gemeinde anfütterten. Während bei den Doors Lebensüberdruss das Stichwort ist, ist bei Joplin Hunger nach Leben die wohl am geeignetste Begriffsschublade. Joplin war – anders als der bewusst mit dem Status des etwas entrückten Rockgurus kokettierende Morrison – eine Nette: eine, die alles wollte, und die am Ende daran zerbrach.

Symptomatisch für die unterschiedlichen Rollen, die beide in der Musik ihrer Zeit spielten, sind auch die beiden überragenden Songs – »Riders on the Storm« hier, »Me and Bobby McGee« da. »Riders on the Storm« ist ein sperriger Song. Dem Kultstatus ungeachtet, der Morrisons Band nach wie vor anhaftet, sind Cover-Einspielungen bis heute herausfordernde Unterfangen. Sicher – es gibt sie. Passabel und mit dem nötigen Doors-Spirit hinbekommen haben es Creed bei ihrem Auftritt auf dem Woodstock-Revival anno 1999. Im Netz finden sich eine extrahierte Variante von Ray Manzareks Orgelspiel, eine Lounge-Fassung des ungarischen Elektronik-Musikers Yonderboi und schließlich eine von jenem Woodstock-Aspiranten, der wirklich jedes Stück neu einzukleiden vermag: Carlos Santana und seiner Band. »Me and Bobby McGee« hingegen ist Allgemeingut. Anders gesagt: Wer will und in der nötigen romantischen Stimmung ist, kann es spielen. Typisch sind vor allem Einspielungen im Umfeld des Song-Schöpfers – also von Kris Kristofferson, solo, im Rahmen von Bühnenevents zusammen mit anderen oder, vielleicht am besten, in der klassischen »Highwaymen«-Besetzung. Eigenständig verewigt hat ihn auch Johnny Cash – als Mitglied der Highwaymen hat er sicher gewußt, wovon er da sang. Ansonsten, wie gesagt: Greift es euch – irgendwie sind wir schließlich alle ein bißchen »Bobby McGee«.

Expressionistische Todessehnsucht versus »Freedom's just another word for nothin' left to lose«: Wenn dies die beiden Pole sind, welche die musikalische Gesamtansage der Sechziger auf den Punkt bringen, kann die Musik jener Ära gar nicht so schlecht gewesen sein.

Mashups (siehe Wikipedia) sind Samplings, bei denen zwei oder mehr Musikstücke zu einem zusammengesamplet werden. Die »Mashup«-Textreihe kapriziert sich auf Schlüsselsongs – wobei in jeder Folge zwei vergleichbare Popmusik-Stücke im Mittelpunkt stehen.

Bisherige Folgen: (1) Hardrock versus Country | (2) Stones versus Dylan | (3) Feuerzeugballaden | (4) Funk versus Soul | (5) Wader versus Scherben | (6) Clash versus Cure

In der nächsten Folge betrachten wir durch schwere Rauchschwaden hindurch die wechselvolle Geschichte Jamaikas und des Reggae. Helden: Bob Marley, Peter Tosh, Bernard Lavilliers und Tiken Jah Fakoly. Titel: »Reggae-Time«

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Richard Zietz

Linksorientierter Schreiber mit Faible für Popkultur. Grundhaltung: Das Soziale ist das große Thema unserer Zeit.

Richard Zietz

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