Merkels Kalauer-Schmiede

heute Show Ob Putins Demokratur, faule Griechen oder eine antifaschistische Linke-Aktivistin als Pegida-Anhängerin: Bei der »heute Show« dürfen auch Exportweltmeister mitgrölen.

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Zugegeben – Humor ist Geschmackssache. Ob man tortenbekleckerte Gesichter lustig findet, einen herben Scherz mit heimlich laufender Kamera (wie beispielsweise mit diesem Mann, der sich angeblich selbst einbetoniert hat), US-Sitcoms mit eingeblendeten Lachkonserven, die hiesige Standup-Comedyszene von Cindy bis Marek oder ausschließlich politisch korrektes Kabaret – das hängt vom persönlichen Typ ab. Vom Bildungsstand, dem persönlichen Umfeld, der eigenen Schwer- oder Leichtblütigkeit und manchmal einfach davon, ob der Tag gut läuft oder man ihn schon schief geknöpft angefangen hat. Jeder Jeck is anners, sagt bekanntlich der Kölner. Und meint damit nichts anderes als: Das Satiremagazin Titanic ist eine andere Lachliga als die Darbietung von Schüttelreimen auf einer Faschingsveranstaltung.

Womit wir bereits mitten im Thema sind – der Frage nämlich, wieso ein Artikel über öffentlich-rechtliche Satire mit einer Abhandlung über Humor beginnt. Bis vor nicht allzulanger Zeit noch war das ARD-Premiumformat »Verstehen Sie Spaß?« der TV-Urgrund der nackten, ungeschminkten, sich selbst genügenden Schadenfreude. Konzept: harmlose bis mittelschwere Streiche, gefilmt mit versteckter Kamera. Ansonsten galt die altbewährte Unterhaltungsregel – Sex nur in dosiertem Maß, No Politic, No Religion. Mitte der Neunziger versuchte sich die ARD an einem Äquivalent für die gebildete Spiegel- und Focus-Leserschaft. Bekanntlich nicht sehr lange. Über den Exodus des neuen Feuilleton-Darlings zum Privatsender Sat.1, den Show-Moderator sowie die möglichen Gründe für diesen Wechsel informiert das Online-Lexikon Wikipedia sachlich-neutral: »Wegen seines oft respektlosen und zynischen Humors erhielt Schmidt in den Medien den Spitznamen Dirty Harry.«

Zwanzig Jahre später hat der öffentlich-rechtliche Humor eine weitere dialektische Windung hinter sich. Die Rede ist vom ZDF. Während die »Anstalt« längst den klassischen Formen der Dieter-Hildebrandt-Ära entwachsen ist und politisches Kabaret der Marke 2.0 veranstaltet, vollzieht die Konkurrenzsendung »heute Show« den Spagat zwischen »Verstehen Sie Spaß?«, politischem Nihilismus der Marke Harald Schmidt und wohlstandschauvinistischem Haudrauf. Gänzlich unhumorvoll könnte man sagen: Der Sender kommt seinem Staatsauftrag nach. Neben der schon deutlich nach links tendierenden »Anstalt« für das kritische Bildungsbürgertum hält man eben auch ein anderes Angebot in petto – was für die Spiegel-lesenden Leistungsträger sowie die Fans vom Bund Deutscher Steuerzahler. Gerechtigkeit. Jedem das Seine – wenn man so möchte, ist auch das Demokratie.

Antirassistin = Nazisse?

Frage: Darf Satire nicht einfach nur humorvoll sein? Oder, nach dem Motto »Aua!«: schenkelklopfend zum Lachen? Es muß ja nicht jeder der Freund von jedem Kalauer sein. Praktisch gibt es, neben Abschalten, auf die »Humorfrage« sowieso nur eine sinnvolle Antwort: Leben und leben lassen. Warum also nicht dieses? Ebenso wie andere Medien hat auch die »heute Show« das Thema Pegida seit seinem Beginn begleitet. Der Joke-Faktor scheint garantiert: Die einschlägigen Verlautbarungen, etwa über die »Lügenmedien«, scheinen für eine satirische Aufbereitung geradezu gemacht. Hinzu kommen der dumpfe, rechte Background der Bewegung sowie die Tatsache, dass das Gros der Demo-TeilnehmerInnen nicht unbedingt sehr fotogen daherkommt. Auch wenn es Ausnahmen zu geben scheint – etwa eine junge, rothaarige Frau, die in der »heute Show« vom 6. Februar mit einem Filmschnipsel vorgeführt wird. Film-O-Ton, nachdem Moderator Welke einleitend konstatiert hat, dass die AfD durchaus auch im Westen Anhänger gewinnen könne: »Ich möchte nicht mehr die NPD wählen, weil die mir zu rechtsextrem ist, und deswegen wähl ich jetzt die AfD. Ich sage immer, das ist die NPD in freundlich.«

Der Clou: Die »heute Show«-Macher hatten sich das Interview mit der jungen Frau nach Gusto zurechtgeschnitten. In der Realität ist Marlena Schiewer aus Görlitz mitnichten Sympatisantin der AfD. Sondern ziemlich das Gegenteil davon – eine antirassistische Aktivistin und zudem jugendpolitische Sprecherin der Linkspartei. Diametral anders klang entsprechend auch der wirkliche, im ARD-»Nachtmagazin« ausgestrahlte und von den »heute Show«-Machern lediglich partiell übernommene O-Ton. Schiewer wählte nicht die Rechten, sondern warnte vielmehr vor ihnen: »Hier auf dem Dorf gibt's ziemlich viele Leute, die rechter Meinung sind, die einfach sagen: Ich möchte nicht mehr die NPD wählen, weil die mir zu rechtsextrem ist, und deswegen wähl ich jetzt die AfD. Ich sage immer, das ist die NPD in freundlich.«

Sind persönliche »Kollateralschäden« egal – sofern man nur die Lacher und die Quote auf seiner Seite hat? Nachdem Schiewer sich gegen die Falschberichterstattung zur Wehr setzte und Medien wie Spiegel Online sowie der TV-Blog massengeschmack über die Causa berichteten, ging der Sender in die Defensive. In einer Pressemeldung vom Tag darauf bezeichnete das ZDF den Faux pas als »Recherchefehler« und schrieb, dass sich Moderator Welke bei Frau Schiewer bereits entschuldigt habe. In der »heute Show« vom 13. Februar erfolgte schließlich eine öffentliche Selbstkritik (ab ca. Minute 30.00).

Wie echt ist die »heute Show«?

Schwamm drüber, und gut ist? Sicher: Pannen passieren. Und, immerhin: Welkes »Wer hat noch Scheiße gebaut? Richtig – die heute Show« kam durchaus aufrichtig rüber. Allerdings: Das Problem mit der »heute Show« ist, dass ihre Glaubwürdigkeit als ernstzunehmende Sendung bereits aus konzeptionellen Gründen weit unten rangiert. Anders gesagt: Wer am laufenden Meter nur rumkalauert, hat in der politischen Arena nicht unbedingt das höchste Renommée. Im Fall Schiewer beriefen sich Sender und Redaktion zwar auf das Auswahlverfahren für die in der Sendung gezeigten Schnipsel. Allerdings zeigen die »heute Show«-Macher – jedenfalls laut Anmoderation – auch selbst produzierte Sequenzen. Auch diese nicht nur geschmackstechnisch teils fragwürdig. Große Echtheitsfragen wirft etwa angeblich echter, vor Ort eingefangener O-Ton vom Düsseldorfer Pegida-Ableger auf – versendet in der heute Show vom 12. Dezember. Idee: Aufsetzend auf die »Lügenpresse«-Parolen im Pegida-Umfeld sowie dem guten Ruf von Russia Today in der Szene, camouflierte sich ein »heute-Show«-Team als RT-Team und interviewte Demonstranten vor Ort – zumindest laut Aussage von Moderator Welke.

Eine gute Idee? Fraglich. Zum einen ist der Echtheitsfaktor des dargebotenen Show-Materials schon aufgrund des Gewohnheitsfaktors fraglich – siehe Fall Schiewer. Zum zweiten betreten die Sendungsmacher mit einer derartigen Persiflage ein politisch hochgradig vermintes Terrain. Seit Anbeginn nämlich ist die generelle Unglaubwürdigkeit der Mainstreammedien ein wesentlicher Agitationspunkt bei Pegida. Die bekannten Folgen, auch in ARD und ZDF zu sehen: Teilnehmer(innen) wenden sich demonstrativ ab, wollen mit Medien nicht reden. Sicher – warum eine derart brisante und umstrittene Bewegung nicht mit dem Mittel der satirischen Konfrontation vorführen? Der Knackpunkt des »heute Show«-Features allerdings ist: Um zu wirken, müßte zumindest die Livesituation echt sein. Leider bestehen auch in diesem Fall große Zweifel. Wie in diesem Show-Splitter bei YouTube zu sehen (ab ca. Minute 3.00), entspricht der eingespielte Ton der Vor-Ort-Interviews teils nicht den Lippenbewegungen. Auch die für eine Demo typischen Hintergrundgeräusche – Fehlanzeige. Zum Ende der Einspielung hört man gar echten (?), vom Interview-Statement abweichenden O-Ton leise im Hintergrund. Fazit: Kritisch angesehen erweckt auch dieser »heute Show«-Beitrag den Eindruck, in Teilen oder sogar großteils gestellt zu sein.

Frage: Geht sowas? Die Antwort: Solange, siehe Marlena Schiewer, sich keiner dagegen wehrt – immer. In Sachen Presseethik-Kodex (dem sich auch das ZDF zumindest verpflichtet fühlt) bewegen sich Persiflierungen dieser Art jedoch in der Grauzone. Zum einen stellt sich die Frage zur Güte der betroffenen Sendung. Konkret: Wie frei geht die »heute Show« mit der Wahrheit um? Wie ist es generell um ihre Glaubwürdigkeit bestellt?Allerdings lässt sich die Frage auch politisch stellen. Möchte man die politischen Inhalte von Pegida & Co. politisch angehen, ist es eine sehr schlechte Idee, diese Kampagne mit Mitteln zu führen, die Wasser auf die Mühlen derjenigen sind, die man politisch bekämpfen will. Anders gesagt: Will man die »Lügenpresse« skandierenden Pegida-Anhänger bekämpfen, funktioniert das schlecht, wenn man – als Presse – selbst das Blaue vom Himmel herunterflunkert und sich zusammenleimt. Zumindest langfristig wird der Efffekt eher der sein, dass man entsprechende Vorurteile verstärkt und verfestigt. Abgesehen von dem demokratischen Kollateralschaden, der zwangsläufig entsteht, wenn bei der Bekämpfung einer Bewegung wirklich jedes Mittel recht ist.

Wie gut ist die »heute Show«?

Die Annahme, dass die »heute Show« das »Anstalt«-Gegenstück ist für den wohlstandschauvinistischen, sich liberal gerierenden neudeutschen Spießer, festigt sich nicht nur aufgrund des niedrigen Glaubwürdigkeits- (genauer: Ernst-)Faktors. Billige Lacher auf Kosten menschlicher Schwächen – und regelmäßig leider auch: über Schwächere, respektive Personengruppen, die nicht dem gesellschaftlichen Mainstream zugerechnet werden – gehören sozusagen zum Grundmuster der Sendung. Auch politisch tendiert die Sendung stark in diese Richtung. Nicht überraschend: Putin, Russland und andere Abwandlungen des Ukrainekrise-Themas gehören seit Beginn ebendieser Krise zum festen Repertoire der »heute Show«. Nichtsdestotrotz ist die Grundlinie keinesfalls durchgehend reaktionär. Zum einen bezieht Moderator Welke bei klar zutage liegenden Mißständen durchaus unmißverständlich Position – Beispiel: Rassismus. Für politisch links orientierte Zuschauer(innen) die eigentliche Herausforderung ist so eher der Mix aus guten Sketches, solchen, die man sich durchaus zumuten möchte und solchen, wo man sich am liebsten fremdschämen möchte.

Beispiel: Russia Today. Warum sich als Satiresendung nicht einschießen auf das etwas »unmainstreamige« Objektivitätsverständnis des russischen Auslandssenders? In einem anderen Spot versuchte es die »heute Show« mit Carolin Kebekus. Die parodierte RT-Moderatorin Jasmin Kosubek – und spannte inhaltlich gleich einen Bogen zu den simplen, stark verschwörungtheoretisch eingefärbten Weltbildern von einem Teil des deutschen Sender-Publikums. Auch der Wahlerfolg des griechischen Syriza-Bündnisses kam in den letzten beiden »heute Shows« weniger schlecht weg, als man es als strammer Linker vielleicht befürchten würde. Der Punkt hier: Die Sketches und Einlagen zum Thema erwecken stark den Eindruck, dass Moderator Welke es hier allen recht machen will: den Griechenland-Freunden, die mit Kalauern über das (in der Tat seltsame) Demokratieverständnis von Merkel & Co. bedient werden, und der Wir-sind-die-Zahlschweine-der-ganzen-EU-Fraktion, die ihre Stereotyp-Bilder von feiernden, Ouzo-trinkenden und harter Arbeit nicht sehr zugetanen Griechen erhalten.

Kurz gesagt: Auch für Abonnent(inn)en der Konkurrenzsendung »Die Anstalt« spräche grundsätzlich nichts dagegen, zumindest zwischendurch einmal auf eine »neoliberalere« Variante von Humor umzuswitchen – nach dem Motto: Andere Sitten erweitern nur den Horizont. Wäre da nicht die »heute Show« selbst. Anders gesagt: Kebekus, ihr Comedy-Kollege Serdar Somuncu sowie 30 Prozent des Restes lassen sich – zumindest nach subjektiver Auffassung des Beitragsautors – durchaus mit Gewinn (und wenn das nicht hilft: mit Galgenhumor) konsumieren. Der Rest ist, um es einmal bildlich zu formulieren: Tortenwürfe in die dumme Fresse des Penners an der Ecke. Anders gesagt: wohlstandchauvinistisches Integrations-TV, sicher noch im Rahmen der staatsbürgerlich-demokratischen Toleranz. Aber nichts, was man sich unbedingt geben möchte.

Bliebe das Glaubwürdigkeitsproblem. Dem ließe sich mit recht einfachen Mitteln abhelfen: indem das ZDF einen Sendungs-Abspann mit implementiert, in dem aufgeführt ist, was in der Sendung echt war und was gefaket.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Richard Zietz

Linksorientierter Schreiber mit Faible für Popkultur. Grundhaltung: Das Soziale ist das große Thema unserer Zeit.

Richard Zietz

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