»Sexxsit«: Eigenstaatlichkeit für Sachsen!

Rechtsextremismus Rechte gibt es nicht in Sachsen. Allerdings: Nur dort hat sich das Problem zu einem unumkehrbaren, systemischen Zustand verdichtet. Ein – radikaler – Lösungsvorschlag.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Dass rechtsextremistische Strukturen im südöstlichsten Bundesland besser, schneller, üppiger und weitflächiger gedeihen als in anderen Bundesländern, ist eine Tatsache, auf die Kritiker bereits seit Jahrzehnten unentwegt hinweisen. Die Ereignisse in Chemnitz haben die Existenz eines flächendeckenden Milieus mit völkisch-xenophober Grundhaltung lediglich neu auf die Agenda gerückt. Will heißen: Das Gros der sächsischen Bevölkerung tickt schon lange anders als der Rest der Republik. Neu sind die völkisch dominierten Großaufmärsche sowie der »wutbürgerliche« Furor, der sich in den letzten Wochen Bahn verschaffte. Explizit nicht neu ist hingegen der zweite Problemteil der sächsischen Nimm-Zwei-Packung: dass seine Existenz selbst im Anblick offener Menschenjagden, Übergriffen gegen Pressevertreter und Andersdenkende sowie unverhohlenen Sympathiebekundungen für den NS seitens der CDU-geführten Landesexekutive geleugnet, bagatellisiert und kleingeredet wird.

Längst ist auch für den nicht nazikonformen Teil der im Bundesland lebenden Bevölkerung die Angst der Normalzustand – wie dieser Freitag-Bericht noch einmal herauskehrt. Sicher – auch in einigen anderen östlichen Bundesländern brechen sich »sächsische Zustände« zunehmend Bahn – aktuell in Köthen, einer Kleinstadt im benachbarten Sachsen-Anhalt. Außer Acht gelassen werden soll dabei keinesfalls, dass ähnliche Strukturen sich auch in den West-Bundesländern verfestigt haben und »Ossi-Bashing« dort nur allzuoft als wohlfeile Ausrede dient. Der Unterschied hier dürfte im Wesentlichen der sein, dass die Gegenstrukturen dort weitaus stärker und vitaler sind als im Osten. Da der Zustand in Sachsen längst ein systemischer ist, den Grad der Umkehrbarkeit möglicherweise bereits überschritten hat und Reisewarnungen (so sie denn ausgesprochen werden) allenfalls noch Symptome kurieren können, hier ein unorthodoxer, wenn auch radikaler Lösungsvorschlag:

Bundesregierung, Bundestag und Länder beschließen, das Bundesland Sachsen aus der Bundesrepublik Deutschland auszuschließen. Die neue staatliche Form wird der neuen Entität anheimgestellt (inklusive der Option, eventuell als Teilstaat der Tschechischen Republik beizutreten). Aufgrund der Inkompatibilität bürgerlich-demokratischer Zustände hier und denen eines Failed State da wird – speziell auch zum Schutz der innerhalb des sächsischen Terrains lebenden Nicht-Nazis(versteher) sowie der als »Fremde« oder »Artfremde« angesehenen Teils der Bevölkerung – eine zehnjährige Übergangsfrist deklariert, ein sogenannter »Sexxsit«.

Die genaue Ausgestaltung könnte sich in etwa an den 14 Punkten orientieren, welche US-Präsident Wilson im Hinblick auf die Friedensordnung nach dem Ersten Weltkrieg verfasst hat. Erstes Hauptziel hier wäre die regulierte Organisation des anfälligen Bevölkerungstransfers. Auf der einen Seite wäre dies sicher eine deutliche Minderheit, eventuell sogar die Mehrheit der sächsischen Gesamtpopulation – also all diejenigen, die in einem völkischen (oder in Auflösung befindlichem) Sachsen nicht mehr leben können/wollen oder dort schlichtweg ihres Lebens nicht mehr sicher sind. Eine Regulierung hätte hier vor allem dafür Sorge zu tragen, dass ein geregelter Wegzug ohne Mord und Totschlag überhaupt stattfinden kann. Ebenso wären natürlich Regulationsmechanismen zu etablieren, welche sich den zwangsläufig auftretenden Wirtschafts- und Verwaltungsproblemen somit den mit der Umstellung zwangsläufig einhergehenden sozialen Härten widmen. Eine paritätische, halb aus sächsischen und halb aus Bundesvertretern zusammengesetzte Kommission wäre möglicherweise die geeignetste Variante, den anfälligen »Sexxsit« so verträglich wie möglich auszugestalten.

Ein flankierendes Problem wären die neonazistischen sowie rechts-»wutbürgerlichen« Strukturen, die sich außerhalb Sachsens gebildet haben. In Bezug auf diesen Punkt wären mehrere Lösungen denkbar. Eine radikale Lösung wäre hier sicher, in dem Punkt ebenfalls nach den Rezepten des Versailler Friedens zu verfahren – also Abschiebung entsprechend auffällig gewordener Personen in das Gebiet des künftigen Freistaats oder ein anderes Land ihrer Wahl (kombiniert auch hier mit Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft). Eine weniger repressive Lösung könnte darin bestehen, den betreffenden Personengruppen die Umsiedlung für die Zeit des »Sexxsits« anheimzustellen. Die Abschiebefrage könnte darüber hinaus Teil der Sexxsit-Vereinbarungen werden: So könnte die Bundesrepublik Deutschland mit dem Freistaat ein Rückführungsabkommen abschließen mit dem Inhalt, dass völkische Separatisten (um solche würde es sich der neuen Definition gemäß handeln) nach Abschluss der »Sexxsit«-Phase in den Freistaat abgeschoben werden – auch gegen ihren Willen. Der Freistaat erklärt sich im Gegenzug bereit, ebendiese Personen aufzunehmen und ihnen gegebenenfalls die Staatsbürgerschaft zu gewähren.

Last but not least wäre natürlich der – nationale wie internationale – Rechtsrahmen zu organisieren, in welchem der »Sexxsit« stattfinden soll. Dass das – derzeitige – Bundesland während der »Ausgliederungsphase« keine semistaatlichen oder gar staatlichen Funktionen ausüben kann und darf, liegt auf der Hand. Das geeignetste Mittel wäre hier wohl die Unter-Bundesverwaltung-Stellung. Diese beträfe vor allem die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung. Bundespolizei sowie Bundeswehr wären – kombiniert mit einer demokratischen Kontrolle dieses in der Hinsicht sicher nicht ganz unproblematischen Einsatzes – wohl die geeignetsten Mittel, bürgerkriegsähnliche Ausschreitungen sowie weitere Pogrome gegen die von der Mehrheit (?) der Sachsen nicht erwünschten Bevölkerungsteile zu unterbinden. Ungeachtet dessen sollten jedoch auch hier die einheimischen politischen Entitäten nicht ganz aus der Verantwortung entlassen werden. »Außer Gefecht gesetzt« werden, um es mal so zu sagen, sollte im Wesentlichen lediglich der mit den Rechten tradionell fraternisierende Polizeiapparat des Freistaats.

Abschließend angerissen werden sollten an dieser Stelle die Vorteile eines geordnet vollzogenen »Sexxsits«. Dass ähnliche Probleme auch in anderen Bundesländern gravierend sind, ist bekannt. Der Unterschied sieht, um es bildlich zu formulieren, etwa so aus: Während der Apfel im Westen ein paar braune Flecken hat und im Osten größere Macken, hat das Fruchtfleisch in Sachsen eine flächendeckende Braunfärbung angenommen. Positiv formuliert: Eine Wende im von der Linkspartei mitregierten Thüringen scheint immerhin nicht ausgeschlossen. Ebenso in Sachsen-Anhalt. Ein Bevölkerungstransfer nach dem Motto »Alles was rechts ist – raus, alle, die von Sachsen wegmachen wollen – gerne rein« würde die Situation in den beiden Bundesländern zusätzlich zum Positiven hin wenden (unabhängig davon, ob die »harte« oder die weniger harte Lösung zur Anwendung kommt).

Dies beträfe nicht zuletzt auch die Wirtschaft. Man stelle sich vor: x-tausende weltoffener, gut ausgebildeter (Ex-)Sachsen, welche sich in die thüringischen, sachsen-anhaltinischen, brandenburgischen, hessischen, berlinerischen Ökonomien einspoolen. In Zahlen: Wanderten von den derzeit 4 Millionen Sächsinnen und Sachsen die Hälfte aus (vermutlich: die bessere), wäre dies für die Ökonomien der umliegenden Bundesländer sicher ein nicht unwillkommener Schub. Umgekehrt wäre ein Volumen von 2 Millionen nicht derart hoch, das größere Verwerfungen zu befürchten wären. Anders gesagt: Wir schaffen das! Letzten Endes könnte eine derartige Umsiedlung sogar einen Effekt befördern wie vor 300 Jahren die Ansiedlung der Hugenotten in Brandenburg. Umgekehrt wäre eine Mauer rund um Sachsen in keinem der Modelle erforderlich. Ein konsequentes Angehen neonazistischer Bestrebungen in (Rest-)Deutschland würde eh schon eine abschreckende Wirkung entfalten.

Nicht in die Überlegungen eingeflossen sind Vorschläge, wie ein »Sexxsit« im Rahmen der EU-Vereinbarungen zu handlen wäre. Sicher sind hier mehrere Varianten denkbar – von »Der Freistaat bleibt Teil der EU, ähnlich wie auch Ungarn« bis hin zu einem unilateralen Ausschluss oder auch Austritt. Wobei die Bedingungen von letzterem natürlich mit Sache der neuen sächsischen Staatsregierung wären. Doch selbst für den Fall, dass es zum Schlimmsten käme und der Freistaat zum »Failed State« herabsinken würde. Da es (Rück-)Einwanderung nur nach strenger Prüfung gäbe (um es bildlich zu formulieren: ohne »Persilschein« keine Wiedereinwanderung), wäre auch hier die Gefahr eines Wiederauflebens neonazistisch dominierter Regionen gering zu veranschlagen.

Fazit so: Der sogenannte »Sexxsit« ist die einzige nachhaltige Lösung für das Rechten-Problem im Freistaat – machen wir ihn also wirklich zum »Freistaat«!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Richard Zietz

Linksorientierter Schreiber mit Faible für Popkultur. Grundhaltung: Das Soziale ist das große Thema unserer Zeit.

Richard Zietz

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden