Topps & Flops: Wer spaltet, wer eint?

Politikerranking. Wer führt die antikapitalistischen Kräfte zusammen, wer atomisiert sie mit fehlintendierten Kampagnen? Ein persönliches Ranking – von 3 Plus bis 3 Minus.

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Der Unmut über die kapitalistische Krisenzuspitzung wächst langsam, aber stetig. Zu den Folgen von Banken- und Eurokrise gesellen sich neue Schauplätze mit eigener Brisanz. Aktuell in diesem Frühjahr: der ukrainische Krisenherd plus die Zuspitzung der westlichen Politik gegenüber Russland. Die gute Nachricht: immer mehr Menschen wehren sich, leisten Widerstand, gehen auf die Straße. Was hilft, was schadet? Von »große Klasse« bis »schämen; geht gar nicht« – hier die sechs Topps & Flops der europäischen Linken.

Topp

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/d6/Alexis_Tsipras_Syriza.JPGAlexis Tsipras. Der Chef des griechischen Syriza-Bündnisses hat gezeigt, wie man parlamentarische und außerparlamentarische Kräfte erfolgreich bündelt. Das lagerübergreifende Bündnis der linken und demokratischen Kräfte in Griechenland hat nicht nur den außerparlamentarischen Streßtest erfolgreich gemeistert. Auch im Rahmen der europäischen Linken macht Syriza derzeit die klarsten Ansagen. Erfolg, unter anderem: Auch bei der Wahl zum EU-Parlament wurde Syriza stärkste Kraft des krisengebeutelten Landes. Und das ohne Abstriche. Motto: Schuldenstreichung, Stopp der Umverteilung, und: Wir zahlen nicht für eure Krise. Deswegen – maximal Points: Plus Plus Plus.

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/7a/DIE_LINKE_Bundesparteitag_Mai_2014_Dehm%2C_Diether.jpgDiether Dehm. Die Geste war vielleicht nicht groß. Allerdings hat sie Symbolkraft, Beispielcharakter. Als erster Promi durchbrach der Linke-MdB Diether Dehm die Quarantäne, welche Medien sowie einige Verfechter der politischen Reinheitslehre über die friedensbewegten Montagsmahnwachen verhängt haben. Und zeigte locker, dass Brecht und linksnational-bürgerliche (anstatt, wie anderswo kolportiert, »rechte«) Besorgnis über den aktuellen Konfliktkurs sich nicht ausschließen müssen. Motto: Wir sind viele, und wir lassen uns nicht spalten. Points – nicht gerade der Fall der Mauer, aber: die richtige Aktion zur richtigen Zeit. Plus Plus.

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c5/DIE_LINKE_Bundesparteitag_10-11_Mai_2014_-147.jpgAndrej Hunko. Der Linke-MdB fiel nicht nur durch seine sachbezogen-kenntnisreichen Bundestags-Statements zur Ukraine-Krise auf. Als Wahlbeobachter – unter anderem in Odessa – verschaffte er sich selbst ein Bild von dem, was in dem Land abgeht. Dass ihm die grünen Bellizisten im Bundestag deshalb in besonders herzlicher Zuneigung zugetan sind, verwundert nicht. Positiv aus dem Rahmen fällt Hunko allerdings noch aus einem weiteren, weniger spektakulären Grund: Im Unterschied zu der abgehobenen Beamten-, Juristen-, BWLer- und Parteiarbeiter-Monokultur im Hohen Haus kann er mit einem richtigen Beruf aufwarten – Mediengestalter. Plus.

Flop

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/fd/Allice_schwarzer_I_2010.jpgAlice Schwarzer. Zugegeben – mit Alice Schwarzer muß man derzeit eher Mitleid haben. Steueraffaire bereits in letzten Jahr, jetzt kommen noch ein paar (verschwiegene) Millionen drauf. Ob sie das Schicksal von Uli Hoeneß teilt oder schließlich mit einem blauen Auge davonkommt, soll an der Stelle weniger interessieren. Topp ist, dass eine der schrillsten, fehlintendiertesten Moralkampagnen nunmehr wohl vom Tisch ist. Macht es das besser? Schwarzers Kampagne hat zahlreiche Menschen in Bedrängnis gebracht – und der Republik eine Debatte, die eher in die Fünfziger Jahre gepasst hätte als ins neue Jahrtausend. Moral: Fürsorgliche Belagerung und noch mehr Erziehung – Nein Danke! Points, im Jahr danach – einer: Minus.

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/92/Beppe_Grillo_-_Trento_2012_01.JPGBeppe Grillo. Traurig, aber wahr: Der Leader der italienischen Fünf-Sterne-Bewegung hat aus dem bürgergesellschaftlichen Anti-Parteien-movimento eine personenzentrierte Anti-Partei-Partei gemacht. Starkult und Rechtspopulismus inklusive. Hinzu kommt, dass zwischenzeitlich kein Mensch mehr weiß, für das genau die Bewegung steht – mehr Steuern, weniger Steuern, Einwanderung, keine? Klar ist zwischenzeitlich nur noch eins: dass bei der 5-stelle-Bewegung der Chef an prima posizione steht. Der favorisiert im Parlament vor allem eins: Obstruktion. Rechtspopulistischer Marine-Le-Pen-Verschnitt mit Conchita-Wurst-Bart oder neuer Enrique Berlinguer? Leider eher das erste. Für Italien mit seiner sowieso schwächelnden Linken ein herber Rückschlag. Punkte: Minus Minus.

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/8c/1644_Jutta_Ditfurth.JPGJutta Ditfurth. Sieben Minuten 3sat, maximaler Schaden: Die Frankfurter Ökolinke hat, im Verein mit den Mainstream-Medien, die entstehende Friedensbewegung maximal beschädigt und – möglicherweise irreversibel – gespalten. Motto, in bester deutscher Gesinnungsethiker-Tradition: Wenn die Falschen das Richtige tun, dann muß das Richtige halt falsch sein. Seither diskutieren die Richtigen mehr über die Falschen als über das Falsche, das zu bekämpfen wäre. Intention? Kollateralschaden? Vermutlich werden wirs nie erfahren. Da die Kampagne weitergeht und Linke, die zur kapitalistischen Einkehr rufen, zur Zeit Hochkonjunktur haben – maximal Points: Minus Minus Minus.

Verwendetes Bildmaterial:

Alexis Tsipras | Foto: FrangiscoDer. Quelle: Wikipedia / Wikimedia Commons. Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported.

Diether Dehm | Foto: Blömke/Kosinsky/Tschöpe. Quelle: Wikipedia / Wikimedia Commons. Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Germany.

Andrej Hunko | Foto: Blömke/Kosinsky/Tschöpe. Quelle: Wikipedia / Wikimedia Commons. Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Germany.

Alice Schwarzer | Foto: Michael Lucan. Quelle: Wikipedia / Wikimedia Commons. Lizenz: Creative Commons Attribution 3.0 Unported.

Beppe Grillo | Foto: Niccolò Caranti. Quelle: Wikipedia / Wikimedia Commons. Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported.

Jutta Ditfurth | Foto: Udo Grimberg. Quelle: Wikipedia / Wikimedia Commons. Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported.

TOPP:

1. Tsipras

2. Dehm

3. Hunko

FLOP:

1. Ditfurth

2. Grillo

3. Schwarzer

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Richard Zietz

Linksorientierter Schreiber mit Faible für Popkultur. Grundhaltung: Das Soziale ist das große Thema unserer Zeit.

Richard Zietz

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