All about Angela - von Friesen bis Jung

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Och nee, das geht aber zu weit. Ferngelenkte und -getroffene Psychodiagnosen gibts nicht nur im Netz, wo auch die einen Nicks den anderen einen irreparablen Schaden diagnostizieren. Die gibts auch im Radio und da nimmt das Formen an, bei denen schlagartig klar wird, warum man unbedingt wachsam sein muss, wenn Psychotherapeuten das Ruder übernehmen.

Was ist geschehen ? Beim Deutschlandradio Kultur meldet sich - hin und wieder auch eine Psychologin zu Wort. Astrid von Friesen heißt sie und ihr Sendeplatz ist das "Politische Feuilleton", das ohnehin wie es scheint der letzte Hort von ziemlich konservativ-schrägen Herolden ist.

Die nun weiß alles über Angie. "Überfordert, hilf- und ziellos, schwach, ohne Plan, vor sich hergetrieben durch die Banken, die Ratingagenturen. So muten seit Wochen die Regierungschefs Europas an in ihrem Bemühen, die Welt erneut vor dem finanziellen Abgrund zu bewahren." Auch bei Angela Merkel ist das so.

Und da will sie ihr helfen, die Frau Astrid von aus der Ferne und erklärt, wie das kommt mit der Überforderung. Das kommt, weil Angela Merkel aus dem Osten stammt, „wo sie eigentlich fast alle traumatisiert sind, jahrelang das Drama der täglichen Drangsalierung, der Ohnmacht, des Ausgeliefertseins, des entwürdigenden Mangels erlebt haben.“

Und dann kommt gleich die nächste von Friesen-Legende: "Frau Merkels Vater, der als Pastor freiwillig in die DDR ging, vielleicht um Christen vor der Überwältigung durch den Kommunismus zu retten, wird in seiner Gemeinde viele solcher Schicksale miterlebt haben."

Erstmal eines, vielleicht sieht Angela Merkel deshalb so müde aus, weil diese Mammutsitzungen anstrengend sind und die Lage ja auch angespannt ist, vielleicht aber auch, weil der Vater, Horst Kasner, den Frau Friesen gerade als einen zusammenfabuliert, der einst die Christen-Ost in ihren Katakomben besuchen wollte, vor einigen Wochen gestorben ist.

Ein Trauerfall ist aber kein Traumafall. Kasner selbst zählte sich in der DDR eher zu den linken Christen, die sich als "Christen im Sozialismus" verstehen wollte. Er hatte einen recht guten Draht zu den politisch Verantwortlichen. Er hat sich arrangiert, war mal mehr konform, mal weniger. Allerdings stand er der Partei seiner Tochter immer fern. Aber das wird sie nicht so traumatisiert haben.

Und nun kommt noch die weitere Deutungsoper von Frau von Friesen. Der Zusammenbruch der DDR sei ja auch traumatisch gewesen. Dunkle Mächte seien damals in Form der alten SED-Kader und der dräuenden sowjetischen Panzer zugange gewesen und ein Finanzsystem sei zusammengebrochen. Heute seien neue dunkle Mächte – die Finanzhaie und die Ratingagenturen - am Werke und die Erinnerung an Zusammenbrüche lähme die Kanzlerin vielleicht. Da will sie ihr helfen und erteilt therapeutischen Rat.

"Doch erst wenn sich Angela Merkel ihre traumabedingten Denkblockaden und ihre emotionale Hilflosigkeit klar macht, wird sie wirklich antreten können, uns alle vor dem wirtschaftlichen Desaster zu retten. Dazu gehört, sich immer wieder die begrenzte Macht klar zu machen, die fassungslos kleinen Spielräume. Damals angesichts der Partei und des Systems, heute angesichts anonymer Finanzmärkte"

Im Klartext, sie soll sich nicht zuviel vornehmen, die Angela Merkel, sonst wird sie immer wieder retraumatisiert. Andererseits rät sie ihr dann aber, charismatisch, das Unmögliche zu wagen und die Gier der Finanzmärkte zu bannen. Ja, was denn nun?Sie bugsiert ihre Fernprobandin in ein traumatisierendes Dilemma.

Danke Frau von Friesen - mein Verhältnis zur Psychodiagnostik aus der Ferne hat sich aufs Beste bestätigt. Märchentanten sind allüberall am Werke, besonders was die Historie betrifft, aber dieses Stück war schon ziemlich peinlich.

Frauen sind – in der öffentlichen Demontage anderer Frauen - auch nicht viel schlechter als Männer. Kürzlich habe ich mich über einen albernen Beitrag von Jakob Jung erregt, der sich über Merkels watschelnden Gang und was weiß ich noch alteriert. Das fand ich genau so daneben.

Ich bin kein Merkel-Fan, aber ich finde, es wird ihr nicht gerecht, sie mit solch klischierten Diagnosen oder Abwertungen über ihr Äußeres zu bedenken. Das wollte ich bei der Gelegenheit mal gesagt haben.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden