Alles ein Abwasch VII - Polen

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Polen

Heute haben wir uns über Polen unterhalten beim Abwaschen

In den siebziger Jahren reisten wir öfter dorthin, bis der visafreie Verkehr wieder beendet wurde. Es gehört zu den Paradoxa der Geschichte, dass DDR-Frauen noch in den sechziger Jahren ins stockkatholische Nachbarland reisten, z.B. nach Poznan, um dort eine Abtreibung machen zu lassen. Dort war es erlaubt. Eine Freundin hat das gemacht und kam fix und fertig wieder an. Immer in Sorge, dass sich keine Infektion einstellt. Aber sie war viel später dann stolze Mutter von zwei Kindern.

P. erinnerte sich an die wunderschönen kochendheißen Sommer auf dem Kahn eines polnischen Flussschiffers. Er hat ja ein bisschen polnische Wurzeln und einen polnischen Familiennamen. Bizon hießen diese Schlepper und man kann den Namen heute oft auf der Spree an Schiffen lesen. Besser und direkter konnte man damals den Alltag eines Landes nicht kennen lernen.

Einmal waren sie im Überseehafen von Danzig. Ein paar Zloty an die Miliz und man konnte mit einfahren, Unterdeck.

Leicht hätte man von dort auf die großen Kähne umsteigen und abhaun können. Wenn man ihn gefunden hätte, wäre es versuchte Republikflucht gewesen. Das hat ihn am meisten geängstigt, weil er ja gar nicht abhaun wollte. Es ging alles gut.


Die Polen hatten immer ein einfaches Leben und sie waren sehr eigenwillig, es gab viel Wodka und viel Gastfreundschaft. Wirklich zugewandt aber waren die Polen immer den Westdeutschen. Und es war sicherlich auch die – uns ja nicht fremde Jagd - nach Westgeld, die da eine Rolle spielte. Es muss noch was anderes gewesen sein, überlegten wir uns. Vielleicht, weil die westdeutschen Katholiken sehr viel Unterstützung geleistet haben und das schafft natürlich Zustimmung. Viele nach dem Krieg umgesiedelte Polen haben gedacht, dass sie dort, wo es sie hin verschlagen hatte, nicht bleiben dürfen. Die Westdeutschen werden es ihnen doch wieder wegnehmen. Und trotzdem waren sie dem Westen zugetan. War einfach so.

Polen war immer ein bisschen freier, verrückter, man konnte dort Filme sehen, die es bei uns nicht zu sehen gab, meist englisch mit Untertiteln.


Ich singe beim Abwasch: “Noch ist Polen nicht verloren...“ Das darf ich bestimmt an diesem Tag. Ich stehe ja dabei.

(Bei „Marsch Marsch Dombrowski“ ist mir ein Glas aus der Hand gefallen).

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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