Ich koche vor Wut und Frustration - So der Titel des Interviews. Es handelt u. a. von einer Schreibblockade, die die Autorin gerade heimsuchte. Grund dafür war der nicht gelingende Friedensprozess mit Palästina. Zur Zeit des Interviews lebte sie noch in Israel.
Dieser ganze sogenannte Friedensprozess stimmt hinten und vorne nicht. Ein Frieden muss von unten wachsen, er kann nicht von oben diktiert werden. In den sieben Jahren nach Oslo hat Israel nichts getan, um Vertrauen aufzubauen. Das palästinensische Volk, für das Ehre, Stolz und Würde so ungemein wichtige Begriffe sind, ist weiter schikaniert, gedemütigt und mit Füßen getreten worden.
Ich habe nie in glücklichen Phasen geschrieben, sondern immer in tiefer Verzweiflung, erklärte sie damals. Insofern wäre der Moment jetzt fabelhaft. (...) Aber diesmal übersteigt es den Pegel. Diesmal bin ich hoffnungslos.
Ich kannte Angelika Schrobsdorff eigentlich nur dem Namen nach und erfuhr erst durch die Nachrufe in den Medien genauer von ihrem Werk und ihrer Bedeutung. Sie entstammte einer Berliner Großbürgerfamilie. Ihre Mutter war Jüdin. Ihre Großmutter wurde in Theresienstadt ermordet.
Sie floh 1938 mit ihrer Schwester nach Bulgarien und kehrte 1947 nach Deutschland zurück. Mit dem Filmemacher Claude Lanzmann war sie verheiratet und lebte mit ihm in Paris. Nach der Scheidung von Lanzmann lebte sie in München. Später wieder in Israel.
Schrobsdorffs Bücher waren - so die Rezensenten und Literaturwissenschaftler - immer am Rande des Skandals und hatten auch immer einen biographischen Hintergrund. Ich lese nach, dass ihr erster Roman Die Herren im Jahr 1961 z. B. großes Aufsehen erregte. Er handelt von den erotischen Abenteuern einer jungen Frau im Nachkriegsdeutschland.
Ein Erinnerungsbuch über ihre Mutter Du bist nicht wie andere Mütter wurde mit Katja Riemann in der Hauptrolle verfilmt. Für mich waren die Nachrufe in der Tat ein Hinweis und ein Anstoß, nach ihren Büchern zu sehen und nachzulesen.
Erst im Jahr 2006 kehrte sie nach Berlin zurück. "Ich bin nicht gekommen, um hier zu leben, sondern um hier zu sterben", sagte sie einmal. So ist es geschehen.
Ihre Schreibblockade hat sie wohl noch einmal überwunden. Im Jahr 2002 erschien: Wenn ich dich je vergesse, oh Jerusalem
Kommentare 4
Mann und Frau sollten immer einen Koffer in Berlin haben. Hoffentlich sind die der verspäteten Teilzeitjecke nun gut gesichert. Da dürften sich noch kulturelle Schätze bergen lassen.
In einem anderen Blog verglichen Sie die Verstorbene mit Hubert Fichte, warum und wann man wen erinnert, nachruft. - Nun, die Hauptsache überhaupt ist, die Erinnerung und das Andenken, wo es nur geht, zu stärken.
<<"Das palästinensische Volk, für das Ehre, Stolz und Würde so ungemein wichtige Begriffe sind, ist weiter schikaniert, gedemütigt und mit Füßen getreten worden." >> - Die Jeckes, aber auch viele andere, säkulare Juden haben dafür ein untrügliches Gespür, das im heutigen Israel ganz offenbar der herrschenden Klasse und vielen ihrer Wähler abgeht. Sonst wüsste man, warum Steine geworfen und Messer gezückt werden, warum die irrsinnigsten Hasstaten Applaus erhalten. Leider bringen Scham, Schuld und Verantwortung nicht häufig eher eine radikale Verengung hervor, weil man dann zu sehr auf sich selbst schauen müsste, als beständig die Ursachen aller Übel bei anderen zu suchen.
Gerechtigkeitsempfinden und Vorurteilslosigkeit, waren und sind die beiden intellektuellen Tugenden, die derzeit so sehr schwinden, in einer Welt ohne Erinnerung, die glaubt man könne alles digital suchen, wenn man es gerade braucht, im Wursteln von Tag zu Tag, im ausloten dessen, was gerade geht.
Also
Christoph Leusch
Ich habe Angelika Schrobsdorff nicht mit Hubert Fichte verglichen. Ich hab da nur zwischengequatscht.
Ein aufschlussreiches, in mancher Hinsicht niederschmetterndes Gespräch hat Angelika Schrobsdorff später, schon in Berlin, mit dem Stern geführt - es handelt sich um eine schonungslose Bilanz (und das Genderfässchen wird auch da und dort geöffnet).
Ja, das ist ein tolles Interview. Verzweifelt und doch mit einem ebenfalls irren Humor. Die steht weder für Weisheit, Trost noch mildem Abendsonnen-Gerede zur Verfügung. Und auch eine - äußere - Härte. Also - ich werde mich um ihr erstes Buch mal kümmern.
Genderfässchen - höchstens dass sie sehr untypisch gelebt hat mit ihren vielen vielen Liebhabern und ihrer Bindungsangst. Zerstörerisch auch. Und eine Frau, die so auf ihre äußerliche Anziehungskraft gesetzt hatte, die hat es schwer, wenn sie älter wird.
Aber auch der Interviewer war gut. Man merkt dem Gespräch an, dass sie am Ende vielleicht sogar gelacht haben bei aller Verbitterung, die da mitgeteilt wird.
Danke für den Link.