Antragslyrik - Abrechnungsprosa - Erfolgslyrik

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Ach, das ist so furchtbar. Eigentlich arbeite ich nicht gern für Geld. Vor allem nicht für Geld, von dem jene, die es einem gewähren, glauben, man habe es nicht verdient. Es geht um gewährtes Gnadengeld, nur dafür gezahlt, dass man ewig dankbar und abhängig ist. Nein, die Rede ist nicht von Hartz IV, aber die Um- und Zustände unter denen man es bekommt, sind ähnlich. Es geht um öffentliche Förderung.

Man verliert alle Kreativität, wenn man von denen Geld an Land ziehen muss. Eventuell noch vorhandene Reste an Ideen fließen in die Bemühung, der Stiftung – meist öffentlich besoldeten Vereinsmeier - in wohlgesetzten Worten die unglaubliche Einmaligkeit und den innovativen Ansatz dessen, was man vorhat zu verklickern. Und diese Verklickerungstechnik nennt man im Volk und in der Projekteszene „Antragslyrik".

Dann muss man bangen und dann bekommt man das irgendwann bewilligt. In diesem Falle Honorarmittel - eine kleine Summe - und ein bisschen Verwaltungs- und Sachmittelkosten für ein Projekt, das sich „Erzählcafe" nennt. Nichts so rasend Neues. Man muss aber andauernd so tun, als wüsste man schon vor Beginn, wie unglaublich erfolgreich das alles sein wird. Es dümpelte so vor sich hin und ging so seinen Gang und am Ende kam es zur Abrechnung.

Das ist der Tag der Prosa. Dann muss man jeden Keks, den man gekauft hat, ordentlich belegen. Man muss bei kleinsten Summen aufpassen, dass sie auch dem Zweck des Projektes entsprochen haben usw. Und man darf auch den aus zwei Posten bestehenden Finanzierungsplan nicht ändern oder nur per Antrag. Fürchterlich das Ganze. Wenn man sich dann – wie ich – auch noch über den Abrechnungstermin geirrt hat, dann wird es ganz furchtbar. Und wenn Stiftungen und öffentliche Geldgeber schon entsetzlich sind, dann setzen die dort angestellten Buchhalterinnen und Buchhalter dem Ganzen noch die Krone auf. Die machen einen zur Sau. Andererseits, wenn man denen das sauer beantragte Geld nicht vor die –öffentlich besoldeten - Füße werfen will, dann muss man freundlich lächeln und willfährig bereuen, was auch immer. So dicke hat man es ja nun auch nicht.

Am Ende stellt sich heraus, dass die beanstandeten groben Mängel in der Abrechnung eigentlich nur Korinthen sind – eine fehlende Unterschrift und eine falsche Datierung.

Und dann kommt wieder Lyrik. Man muss in umfangreichen Schilderungen die grandiosen Ergebnisse dieser epochemachenden Unternehmung, die man jetzt abrechnet, umfassend beleuchten. Na, das tut man dann wieder gern - das ist postkreative Erfolgslyrik.

Das ist wie im Sozialismus – Planerfüllung kann man immer nachweisen – meist sogar Übererfüllung

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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