Auf Burka-Suche im Jüdischen Museum

Cherchez la femme Das Problem mit der Burka ist, dass sie kaum in Deutschland zu finden ist. Deshalb muss man sehr unkonventionell danach suchen.

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"Deutschlands mögliches Burka-Verbot hat ein Problem - es gibt keine Burkas"

Seit die BILD Zeitung das Wesen der deutschen Leitkultur mit einer Negation auf den Minuspunkt gebracht hat (Wir sind nicht Burka) muss man sich fragen, wo dies schreckliche Kleidungsstück eigentlich in Deutschland zu finden ist.

Wer sich auf die Suche macht, wird fündig: Im Jüdischen Museum ist sie zumindest erwähnt - diie Burka - und auch zu finden: Nämlich in der wunderschönen Exposition, die sich unter dem Motto: „Cherchez la femme – Perücke, Burka, Ordenstracht“ mit Verhüllungen in allen monotheistischen Religionen visuell höchst attraktiv beschäftigt.

Hier eine Vitrine mit vielen Beispielen bis hin zu Burka und Hijab

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Sie hat einen etwas breiteren Ansatz und am Ende kommen auch die Männer noch drin vor.

Der Trailer zur Ausstellung mit einer Video-Performance

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Die kleine, zauberhafte Schau wartet mit vielen Beispielen über Form und die Funktion von Verhüllung auf. Sie dokumentiert auch die sehr unterschiedlichen Erklärungen dafür. In Erinnerung wird gerufen, dass es nicht nur um Religionszugehörigkeit, sondern auch um kulturelle, ethnische, familiäre Zugehörigkeiten geht. Dies kann in einer Umgebung, die manche feste Gewissheiten ins Wanken bringt und neue Anpassungen fordert, durchaus ein Grund sein, Bekleidungen und Bedeckungen wieder zum Zeichen zu machen.

Wobei gerade am Beispiel der Bedeckungen und Verhüllungen sehr viel Entwicklung und Veränderung zu beobachten ist. Das fällt dann auf, wenn junge Mädchen in knallengen Jeans und auch ziemlich „heißen“ Oberteilen ankommen, aber das Kopftuch tragen. Die passen sich auf ihre schräge Weise an, das Kopftuch – es ist ein Accessoire der Gruppenzugehörigkeit, aber mit Züchtigkeit hat es überhaupt nichts oder wenig zu tun.

Als ich kürzlich in einem Gespräch mit jungen Frauen in der Ahmadiyya Moschee die Erklärung hörte, dass es darum gehe, die Reize der Frauen zu verdecken, musste ich innerlich ein bisschen grinsen. Die jungen Frauen heutzutage machen es den Deuterinnen nicht so einfach. Sie interpretieren dieses „Gebot“ eher reichlich subversiv.

Sehr oft ist es das Haar z. B., das es zu bedecken gilt. Das ist z. b. das Thema von „Chelgis“

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Chelgis – die Installation der im Iran geborenen Künstlerin Mandana Moghaddam stellt damit die ungebändigte „ungeordnete“ Kraft des weiblichen dunklen langen Haares dar. Die Identität aber der Haarträgerin bleibt verborgen. Die Vitrine spiegelt zufällig auch den männlichen Blick.

Das Bedecken ist oft auch das Bändigen. Das wird nicht nur in diesem Zusammenhang deutlich. Auch die schöne ellenlange Videoperformance, bei der eine junge Türkin erstmal alle verschiedenen Bekleidungen ablegt und dabei immer die Namen der Familienmitglieder murmelt, die sich auf die eben abgelegte Weise bedeckt haben.

Bedecken, Entdecken

Verschleiern, Entschleiern

Kleiderordnungen gab und gibt es in allen Religionen, in vielen Kulturen. Eine junge Muslima drückte in einem Videofilm aus, was ziemlich eindeutig ist. Männer sind viel seltener in die Pflicht genommen, ihre Religionszugehörigkeit mit ihrer Bekleidung zu zeigen – wenn sie es tun, dann tun sie es freiwillig. Z. B. orthodoxe Juden. Die Frauen in der jüdischen Religion haben sich über die Jahre sehr unterschiedlich bedeckt. Auch das ist zu sehen. Die Sitte, die eigenen Haare unter einer oft sehr kleidsamen Perücke zu verstecken wird reichlich und interessant bebildert.

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Blick auf einen religiös symbolischen Haarschmuck.

Natürlich nehmen die so unterschiedlichen öffentlichen Debatten um das Thema einen breiten Raum ein. Ein orthodoxer Jude, der wegen seiner öffentlich gezeigten Religionszugehörigkeit angegriffen wird, wird in Deutschland immer Alarm auslösen, aber eine muslimische Frau, die ihre Religiosität durch das Kopftuch dokumentiert, wird weniger mediale Solidarität erleben. Es ist klar, warum das so ist, aber es ist weniger gut, die Irritationen über zuviel religiöse Zeichen in der säkularen Öffentlichkeit vornehmlich an den Frauen abzuarbeiten.

Eine einst zwielichtig gemeinte

Zuschreibung ernst nehmen

Die Forderung „Cherchez la femme“ (Such' die Frau) wurde einst – so kann man nachlesen – im Kriminologischen verwendet. Gemeint war damit, dass man bei bestimmten raffinierten kriminellen Taten zuallererst fragen sollte, ob eine Frau dahinter steckt. Eigentlich eine ziemlich negative Bedeutung. Heute kann man das getrost ins Positive wenden.

Aber man sollte diese Aufforderung dann auch ernst nehmen: „Cherchez la femme“ und zwar jede einzelne – ob mit Perücke ob unter Kopftuch, Hijab oder Burka. Jede einzelne Frau erst einmal auf ihre Weise ernst zu nehmen und nicht als Beweismittel, Symbol oder Objekt fremder Bestimmungen zu betrachten, das wäre schon eine gute Suche.

Wie auch immer – es ist ein reiner, aber höchst erfreulicher Zufall, dass mit dieser Ausstellung der medial inszenierten Leitkulturdebatte wunderbar ein Bein gestellt wird und die Enthüllung gleich auch noch zur Entlarvung beträgt.

Übrigens: Einst waren die einzigen Frauen, die keine Kopfbedeckungen trugen, die Sklavinnen. Denen war sie verboten.

Hier ist das entsprechende Journal dazu zu lesen.

https://www.jmberlin.de/ausstellung-cherchez-la-femme

Auch nachzulesen unter: https://magdaskram.wordpress.com/2017/05/12/cherchez-la-femme/

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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