Es ist ja gleich vorbei

Stil Angela Merkel ist für viele (Männer) eine Provokation, allein wegen ihrer Stimme, ihres Aussehens – ja, ihres Frauseins. Für mich ist sie eine ganz große Politikerin

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Die Lotsin geht von Bord
Die Lotsin geht von Bord

Foto: Sean Gallup/Getty Images

"Die Ära Merkel war eine Zeit des Sinnverlusts. Ein Teil der Partei verzehrt sich nach einer gewissem Männlichkeit. Friedrich Merz und Jens Spahn verkörpern das." Zeit Online

Meine Güte, das ist ein Geräusch, die Hufe scharren all überall. In der Startbox donnert es förmlich. Aber noch ist der Galopp schwierig, denn Angela Merkel hört mit einem Teil auf, mit dem anderen macht sie noch ein bisschen weiter. Schon das ist für manche zu viel. Sie sehen Merkel als eine Art "einbeinige" – schlappe Metapher, ich weiß – Schlange, die irgendwie kopflos noch ein bisschen weiterschlängelt. Aber nicht mehr lange, dann ändern sich die Zeiten, und dann kommt die Erneuerung. Die aber darf nicht weiblich sein, wenn man manche Argumente richtig verstehen will. Eine weitere Frau in dem Amt wäre so, als würde Krenz auf Honecker folgen, dichtete hier ein Kolumnist. Wenn Merz oder Spahn folgen, dann wäre die Welt offensichtlich wieder in Ordnung, ganz gleich in welche Richtung die Veränderung fällt, die dann erhofft wird. Nee, also wirklich.

Merkels zögerlicher Politikstil, ihre Art, moderierend zum Konsens zu kommen, und die manchmal abrupten Richtungswechsel, das alles hatte irgendwie etwas von Zyklus, dem Männer offensichtlich nicht unterworfen sind und der ihnen unangenehm ist, vor allem, weil sie ihn nicht für sich ausbeuten können. Männer können sowas einfach nicht – dieses eher leise, scheinbar gar nichts verändernde Agieren.

Seit Merkel in der Politik ist, arbeiten sich Männer an ihr ab. Die Kabarettisten sind ja dazu aufgerufen, aber selbst der sonst so witzige Urban Priol vergriff sich mit seiner „uckermärkischen Blendgranate“ oder andere mit dem Verweis auf die „uckermärkischen Steppen“, denen die Kanzlerin entsprungen sei. Dabei ist sie in Hamburg geboren – wie man in eine Richtung mal erinnern muss.

Ein autistischer Machtschwamm?

Merkel war für viele eine Provokation, allein wegen ihres Frauseins, ihrer Stimme, ihres Aussehens. Bei einem Spiegelkolumnisten war Merkel in einer Sendung – Es ging um das Duell Merkel-Steinbrück – ein "autistischer Machtschwamm". Und ihr Lieblingsfilm dokumentierte die Enge ihres Horizonts, weil sie im Gegensatz zu ihrem damaligen Konkurrenten einen Liebesfilm der DEFA favorisierte, während er einen USA-Kriegsfilm nannte.

Ja, stimmt schon, an der Person entlang wurde auch bei anderen Politikern geschmäht und kritisiert, aber so tiefempfundene Abneigung und Ablehnung bringen männliche Politikbeobachter nur bei einer Frau auf. Noch dazu eine, die selten weiblich im konventionellen Sinne agiert mit ihren uneitlen Frisuren und Dienstanzügen. Weil sie alles Brimborium ziemlich als das, was es ist, entlarvt, nämlich: Brimborium. Und je weniger sie – scheinbar – tat, desto mehr grummelte es. Einmal tat sie etwas Spektakuläres, und auch das wird ihr negativ angerechnet, weil sie damit Kräfte aktiviert hat, die sonst noch eine Weile stillgehalten hätten. Daran ist sie auch schuld. „Merkel ist schuld“ ist einer der hübsch verballhornten Slogans, die in den sozialen Netzwerken die Runde machen.

Ich aber sage: Merkel ist eine ganz große Politikerin. Gerade wegen ihrer Kühle. Sie ist nicht machtbesessen, sondern machtbewusst, sie ist ehrgeizig – das ja –, aber nicht um jeden Preis. Sie hat mehr hinterlassen als nur die beschworenen Desaster. Es ist zu hoffen, dass vieles – vor allem in der CDU – den hektischen Änderungsversuchen widersteht.

Und allen, die sich an ihren scheinbar prinzipienlosen Entschlüssen reiben, halte ich Bismarck entgegen: „Meine Gegner werfen mir vor, ich stelle die Segel nach dem Winde. Darin besteht ja gerade die Kunst des Segelns!“ Sie geht jetzt von Bord – die Lotsin, so langsam. Woll'n mal sehen.

Ist gleich vorbei

Ich muss zugeben, ich bin ebenfalls froh, dass die Merkel-Zeit jetzt bald vorbei ist. Ich muss nicht mehr grübeln, warum ich die CDU trotz Merkel nicht gewählt habe. Manchmal, wenn ich Beiträge über Merkel lese, denke ich an meinen Zahnarzt, der immer bei jedem Jammern von mir tröstet: „Ist gleich vorbei“. Ist es aber nicht immer. Ich hoffe, diesmal ist es so. Es sei denn, die Nachtretereien, die auf den Rücktritt folgen, ziehen auch am Nerv.

Info

Das Zitat im Eingang stammt von ZEITONLINE – Ein guter Beitrag von Jana Hensel.

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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