Bildungsbürgers Liebesrauschen

Bücherkalender Die Liebe ist ein bildungsbürgerlicher Trieb - umso mehr, wenn schöngeistige Menschen sich stilvoll literarischen Zungenküssen hingeben

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Foto: jokebird/photocase
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Weihnachten soll das Fest der Liebe sein. Also flugs mal ein bisschen geguckt, wo auch literarisch ein Lichtlein dieses menschlichen Triebes angezündet wurde. Z. B. beim sehr bekannten, promovierten und etablierten Schriftsteller Hanns-Josef Ortheil, der es – innerhalb seines reichhaltigen Schaffens – auch mit der Liebe hat. Ich stelle fest: Die Liebe ist ein bildungsbürgerlicher Trieb. Er treibt gebildete Menschen, vor allem aus der Germanisterei zum Schreiben über Dinge, die sie selten auszuüben scheinen. Es ist eigentlich alles mehr Sublimierung, was da zu verfolgen und zu lesen ist.

Dieses kam mir in den Sinn als ich ein Buch dieses Autors zur Hand nahm, das den Titel trug, „Das Verlangen nach Liebe“. Ich dachte beim Lesen der Verlagsempfehlung an eine bildungsgeschwängerte Kontaktanzeige. Der Autor war schon vor Jahren einmal ganz in die Vollen gegangen mit „Die große Liebe“, das zum Bestseller wurde. Das handelt von einem Dokumentarfilmer und einer Meeresbiologin und wurde so sehr gelobt, dass wohl ein Verlangen nach Fortsetzung des Erfolges entstand.

Diesmal geht es um das Wiedersehen zwischen einem Pianisten und einer Kunsthistorikerin.

Judith, die verflosssene Freundin, komponiert eine Ausstellung in Zürich über Thomas Mann, der Held Johannes hat ein Konzert in Zürich. Ich fragte mich also, was zündet denn da, wenn man sich nach 18 Jahren wiedersieht und sofort erneut in die Magie einer starken leidenschaftlichen Anziehung gerät?

Es ist wohl die Kunst, die zündet. Lauter schöne, schöngeistige Menschen, kunstausübend, kunstsinnig – das ist doch schon mal eine gute Voraussetzung kunstvollen Miteinander Umgehens. Aber, ist das auch gut für die Liebeskunst? So eine durchkomponierte Geschichte.. Und – wie immer bei gebildeten Menschen - voller literarischer Anspielungen. Wer die nicht sieht und erkennt, den erwischt auch die Liebe nicht. Och nee, da fühle ich mich veralbert. Das kommt mir dann vor wie eine Aufgabe in der Deutschstunde: Finden Sie die Bezugspunkte oder so.

Wie auch immer: Zürich ist eine schöne Stadt, in der Novellen von Gottfried Keller spielen, auch eine höchst amüsante Filmgeschichte namens „Die Zürcher Verlobung“. Aber, ich komme ab...

Denn das ist es nicht, was mich innerlich beim Lesen immer ein bisschen ins Prusten bringt, sondern dieses Stilvolle, dieses Wunderbare mit dem gut gedeckten Tisch.

Frisch gewaschen und immer mit einem Zitat auf der Lippe. Literarische Zungenküsse, gewissermaßen.

Später schrieb Ortheil noch – denn es muss schon eine Trinität, Pardon, natürlich Trilologie her, wenn es um die Liebe geht - ein weiteres einschlägiges Werk mit dem Titel „Liebesnähe“

Dies sei – so schreibt der FAZ-Rezensent

„Eine mit verbalen Versatzstücken und Anspielungen aus Kunst, Literatur und Musik zusammengebaute Leidenschaft. Ortheil legt mit seinem Buch eine artifiziell flirrende Abhandlung über die diffizilen Momente einer Liaison vor, die einem Realitätstest kaum standhalten würde. Kein Wunder, dass der Funke nicht zünden will.“

Und weil es nicht zündet, muss ich jetzt mal was selbst Durchkomponiertes mit deutlichen Anspielungen hinterlassen. Der begnadete Franz Schubert und der begnadete Fritz Wunderlich müssen mir verzeihen. Die eventuellen Anklicker müssen das – in der Mitte auftauchende - Gebrabbel verzeihen. Das bin ich, aber es ist unerheblich, was ich da erzähle. Immer nur auf Wunderlich und das Rauschen achten.

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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