Breiviks „Männerphantasien“

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Er habe in Notwehr gehandelt, erklärte der norwegische Attentäter Anders Breivik. Das ist zynisch und brutal, aber aus seiner Sicht – niedergelegt in seinen Schriften – hat das eine erschreckende innere Logik. Breivik ist kein Wahnsinniger, er ist Einer, der einem Wahn in einer wahnwitzigen Zeit folgt. Er sieht sich als Opfer. Die Islamisten, die Migranten, die watteweichen Demokraten und nicht zuletzt die Frauen – die Feministinnen – sie alle haben sich gegen ihn verschworen.

Gegen ihn allein? Nimmt er nicht auf, was zur Zeit schon überall im Schwange und in einer gespenstischen Debatte – hierzulande von Broder bis Sarrazin und hasserfüllt im Internet – dokumentiert ist?

Breiviks Manifest war nach der schrecklichen Tat in aller Munde und einige der Aussagen wurden sofort zur Munition für aktuelle politische Auseinandersetzungen. Trotzdem – wenn es extreme Beispiele gibt für eine enorme männliche Verunsicherung und Taten, die dafür ein Ausdruck sein können, dann ist es auch der Massenmörder Breivik.

Studie der Böllstiftung

Die Heinrich Böll Stiftung hat eine sehr interessante Studie zum Thema Antifeminismusherausgegeben, die sich – neben vielen anderen Aspekten – auch mit dem Breivik-Attentat beschäftigt.

Da heißt es u.a:„Die Brisanz antifeministischer Ideologien wird in den Behauptungen des norwegischen Attentäters Anders Behring Breivik deutlich. Für ihn gefährdet Feminismus u.a. in Form von political correctness die sogenannte abendländische Kultur. Breivik spricht von einer «Feminisierung der europäischen Kultur»und dem «radikal-feministischen Angriff auf unsere Werte». Dies gipfelte für ihn in der angeblichen «Kriegsführung gegen den europäischen Mann«",

Die Spitze des Eisberges

Es ist dieser Tage viel von Eisbergen die Rede, deren Spitze verbirgt, welch großer und gefährlicher Teil von ihnen unter Wasser liegt. Breiviks Wahn hat realistische Hintergründe. Die Krise des Mannes wird konstatiert, die Krise der Männlichkeit beschworen und auch gegen ausdrucksvolle Widerlegungen – wie hier vonRolf Pohl– verteidigt. Der männliche Opferstatus wird reklamiert und kultiviert.

"Das entehrte Geschlecht"heißt ein Buch, das inzwischen auch den Weg ins Feuilleton geschafft hat, weil es einen moderaten Ton anschlägt, obwohl in ihm unbeweisbare Thesen aufgestellt werden. Das dort transportierte Zeitgefühl ist im Moment „comme il faut“. Mann darf sich als wehrlos ausgeliefert beschreiben, darf die Schuld dafür an Frauen weitergeben und ist damit willkommenes Instrument, wenn es um die Ablenkung von realen ökonomischen und gesellschaftlichen Krisen geht.

Am Ende geht es um Sexschrieb die Autorin Sybille Hamann in der österreichischen Zeitung „Die Presse“ zum Breivik-Text. Sie verknüpfte ihn mit dem in den 70er Jahren erschienenen"Männerphantasien"von Klaus Theweleit. Er hat die Verlierer- und Verlorenheitsgefühle der Männer der deutschen Freikorps nach dem 1. Weltkrieg analysiert und daraus beschrieben, wie frauenfern, wie frauenfeindlich und besetzt von Furcht vor Frauen und Fremdem diese Männer waren. Bis in die Sprache hinein ähneln die von Theweleit analysierten Texte dem Manifest Breiviks, stellt sie fest.

Zitat Hamann:„Breivik spricht offen aus, dass sich sein antiislamischer, antimarxistischer Kulturkampf über weite Strecken mit einem antiweiblichen Geschlechterkampf deckt. Da „60 bis 70 Prozent aller kulturellen Marxisten weiblich“ seien, müsse sich die Strategie logischerweise auf sie konzentrieren. Bei Theweleits Soldaten sind die kommunistischen „Flintenweiber“ der Inbegriff des Bösen.“

So schließt sich ein böser Kreis. Der antifeministische "Kampf" geht – dafür gibt es ebenfalls Belege – einher mit Islamophobie, mit Homophobie und der rückwärtsgewandten Suche nach Sicherheiten die es nicht gab und schon gar nicht geben wird, wenn Menschengruppen feindlich aufeinander blicken und Schuldzuweisungen schicken statt sich zu verbünden.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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