Der gerade im Schwange befindliche Frauen-Politik -Karriere-Disput ist eine gute Gelegenheit, per Blog ein paar Reminiszenzen zu servieren.
Da meine Berufstätigkeit schon ein paar Jahre zurückliegt und ich die meiste Zeit nach der Wende mit Frauen verbracht habe, muss ich ein bisschen zurück, um mich vergleichend an Männer als Chefs zu erinnern. Und- ich bestreite es nicht -es ist durch eine gewisse Nostalgie auch schon gemildert.
Hier ein kleiner Link zu einem Text über meine Arbeit.
www.freitag.de/community/blogs/magda/bleisatz-und-umbruch-
Motto: Männer sind seltsame Wesen, jedenfalls sind sie nicht weniger seltsam als Frauen.
Schon während des Vorstellungsgesprächs mit dem Chefredakteur war klar, dass man mich nehmen wird. Deshalb verabschiedete ich mich von ihm mit den Worten: „So, und jetzt gehe ich einen Schnaps trinken.“ Kann sich das heute jemand vorstellen? Und, was sagte er? „Das können Sie auch hier machen“, holte die Kognakflasche aus dem Schrank und zwei Gläser und wir begossen meine Einstellung. Heute kaum mehr denkbar.
Am ersten Arbeitstag kam ich zu spät, was ich selbst unverzeihlich fand, aber es gab Gründe. So stolperte ich rein in das Journalistenmetier.
Zu den Arbeitsstrukturen gehörte das Kollegium, in dem sich die Chefs der verschiedenen Ressorts zusammenfanden.
Ein liebenswürdiger Schwadroneur
Der hauptamtliche Chef vom Dienst war beseelt von der üblichen Hektik. Er war ein bisschen laut, ein bisschen eitel, ein liebenswürdiger Schwadroneur, aber er war ein absolut fairer Chef. Zu Beginn, als ich noch ziemlich grün war und die Nachrichten, die ich umschrieb auch keine Meisterwerke, war er neutral und freundlich zu mir.
Gern und viel erzählte er über sich über seine Frau und Kinder. Vielleicht heute auch nicht mehr so denkbar. Wenn er einen Beitrag von mir gut fand, dann sagte er es, wenn nicht, dann auch. Und wenn er ganz begeistert war, dann stand er auch auf und gab mir die Hand. Noch später – ich war schon eine Weile dabei - machte er die unterste Schublade seines Schreibtischs auf, holte zwei Gläser und einen Korn raus und dann tranken wir erst mal einen. Es wurde munter gebechert in diesen Zeiten, manchmal denke ich, die DDR ist am Suff eingegangen. Vor allem kurz vor Feierabend wurde auch unendlich viel gequatscht. Als ich ihn jüngst traf, erzählte er, das Holz in dieser Schublade sei völlig dunkel und verquollen gewesen vom abgetropften Schnaps. Na, heute ist er – wie auch ich – ein Tugendbolzen. Wir hatten einfach Glück, dass wir keine Alkoholiker sind. Immerhin konnte ich, wenn ich mich seinem Zimmer näherte, am Geräuschpegel erkennen, beim wievielten Glas sie waren und gesellte mich gern dazu. Manchmal dauerte es allerdings endlos, bis er einen Beitrag zu Ende durchgesehen hatte, weil ihm immer wieder irgendwas anderes durch den Kopf schoss und das musste er loswerden. Hing natürlich auch davon ab, wie weit wir noch weg waren vom Redaktionsschluss.
Der zweite Chef vom Dienst war ein Korinthenkacker, der mich zu Beginn reichlich kujonierte. Und ich wusste nicht, wie ich mich wehren sollte, weil ich nicht viel konnte. Er strich mit seinem grünen Kuli in den Texten rum, beckmesserte und maulte. Aber gerade der ließ sich – entgegen dem herrschenden Klischee - nicht vom Chefredakteur unterdrücken, buckelte nicht nach oben, sondern verließ einmal das Zimmer, in dem der Große Meister gerade herumdonnerte und meinte: „So was muss ich mir nicht anhören“. Das war damals reichlich ungewöhnlich.
Irgendwann fand ich Gnade vor seinen Augen und die grünen Kugelschreiber-Spuren ließen nach. Noch später ging es zwischen uns sehr kollegial zu und ich fand, dass sein Humor auch nicht schlecht war. Er war viele Jahre älter als ich.
Ist das sexuelle Belästigung?
Eines Tages – es war mal wieder was gefeiert worden - kam ich in sein Zimmer, fiel ihm um den Hals und sagte: „Ach, jetzt muss ich Sie mal küssen“ (Eigentlich ist das ja sexuelle Belästigung). Er war sehr zurückhaltend, aber wie sich herausstellte, weniger aus Abneigung, sondern, wie er verlegen erklärte, weil er gerade seine Brücke nicht drin hatte. Auch heute unvorstellbar, aber lustig. Mit ihm habe ich – nach der Wende – lange Gespräche geführt, er war ein bedachtsamer und gründlicher Mensch. Er war im Krieg in Griechenland und ich hatte das Gefühl, das ihm diese Zeit sehr zugesetzt hat. Jetzt ist er Ende der 80 und hin und wieder kommt er noch, wenn die Kollegen sich treffen. .
Ein Falstaff ohne Lebensfreude
Der Chefredakteur war eine schwierige Mischung. Einerseits hielt er für viele Sachen den Buckel hin, wie man so sagt und wurde, wie ich fand, ziemlich gedemütigt von den CDU-Funktionären, die sich immer die besseren Journalisten dünkten. Er selbst konnte nicht besonders gut schreiben, aber doch organisieren und repräsentieren.
Wenn der einen in der Krone hatte, dann kam sehr merkwürdig Archaisch-Patriarchales in ihm hoch. Er wilderte wie ein Gutsherr unter den Damen, die er ausgeguckt hatte und wollte sie sich gefügig machen. Er hatte was von einem Falstaff, zumindest was die Leibesfülle betraf, seine Lebensfreude war nicht ganz so ausgeprägt. Bei einem der bacchantischen Betriebsvergnügen bot er Kolleginnen Geld an für Liebesdienste. Mir auch, aber ich brach in Gelächter aus und fragte ihn, ob er das in Teilzahlung abstottern will. Er ließ mich in Frieden, auch weil ich nicht wirklich sein Typ war. Er hat aber eine Kollegin, die ihn abgewiesen hatte, sehr böse verfolgt mit seiner Rachsucht. Zwischen diesen Eskapaden war er völlig normal, manchmal ein bisschen überängstlich, politisch gesehen.
Aber kollegial war auch er. Ich hatte mal eine ziemliche Angststörung, in der es mir eine ganze Weile nicht möglich war, weite Dienstreisen zu machen. Ich erklärte ihm das und meinte ,ich könnte verstehen, wenn er mich jetzt runterstuft oder versetzt. Er meinte: „Du bist eine ordentliche Kollegin, Du hast auch das Recht auf eine Macke.“ Derb war das, aber hat mir am Ende sehr geholfen.
Das waren die drei Chefs, mit denen ich direkt zu tun hatte. Dann gab es im Kollegium noch den umschwärmten Schöngeist, der nicht zu wildern brauchte, dem flogen die Damen auch so zu, den Berliner Polterer, der mir immer auf den Nerv ging und....................eine Kollegin, die unauffällig, still, aber fleißig ihren Dienst tat, wie die Frauen so sind. :-))
Kommentare 16
Eine tolle Geschichte.
Meine beste Erfahrung
war eine weibliche Vorgesetzte.
Die DDR am Suff eingegangen? Mein Chef vom Dienst warn schwerer Alkoholiker, starb auch recht jung an Leberzirrose (mit "h" geschrieben?), aber seine Schreibe war genial! Er war immer korrekt, auch zu den Untergebenen und haette nie jemanden schofel behandelt. Alle Cutterinnen waren am Rande des Jim-Bean-Wahnsinns. Am meisten soffen die Sportreporter... Aber im Grunde alle. Wir zogen Werner Veigel an seinem Geburtstag waehrend der Nachrichtensendung unterm Tisch die Hosen aus :-)) De mortuis nihil nisi bene, aber er konnte ja nix dazu hehe.
Danke Ihr beiden,
@ cato - Ich hatte später mit Frauen manchmal Probleme, vor allem nach der Wende, wo wir ja alle lernen sollten, dass Männer "bäh" sind. Und manchmal war mir das als Ossi (oder Ossa) zu einfach.
@ hibou - ich nehme zur Kenntnis, dass in unserem Beruf "systemübergreifend" gesoffen wurde. Na, den Prost auf Werner Veigel und auf Dich. :-))
Finde ich auch klasse und gut, die Geschichte.
Vielen Dank.
Herzliche Grüße
rr
und auch in den bbbbibliotheken, jawoll, auch da, der trockenen luft wegen, bekämpft mit anislikör, der so unschuldig roch, und manchmal gabs dujardin (von der chefin) ...
Aber abgesehen vom alkohol - es ist eine schöne geschichte, die natürlich auch wieder eigenes freilegt, was ich mangels zeit jetzt nicht näher ausführen kann
lg
jayne
Vielen Dank, gute Geschichte, habe ich gerne gelesen.
Es macht mich neugierig, irgendwie.
Beste grüße
Sarah
Praechtige Figuren, einschlieszlich der handelnden jungen Dame!!!
Bis spaeter! Bin schon in der Naehe!
:))
Soweit man Gerüchten und Vorurteilen glauben darf,
war Alkohol immer der wichtigste Treibstoff in den Redaktionen, Ost wie West..... Viel Spass auch beim FreitagSalon, und immer einen klaren Blick:-))
Mein erster Chef hieß Tutor, das war eine Institution der reformierten Oberstufe in den 70ern West. Er lehrte Werte und Normen, Griechisch und Latein. Und er blind, wie Teiresias. Seine Schüler und Befohlenen lud er alle acht Wochen zu sich ein, um Bier und Wein mit ihnen zu trinken und über Sokrates et al. zu philosophieren. Toll!
Mein zweiter Chef war ein C4, und zu jedem Semesteranfang und -ausklang lud er den Lehrstuhl zum Umtrunk mit Wein Brötchen in sein großes Gemach. Wer sich zuerst auf einen Sessel setzte, hatte verloren und mußte eine Geschichte erzählen. Lang dauerten die Stehvertändigungen, bis alle sitzen konnten.
Mein dritter Chef liebte Lektoratssitzungen. Über Gott und die Welt wurde geplaudert, Schwerpunkte wurden gesetzt, aber es gab nur Kaffee oder Tee. Hernach im Büro war aber die Welt wieder in Ordnung. Meistens mit Dorothee.
Mein vierter Chef war ich selbst. Meine Sitzungen mit mir muß ich bis heute aushalten. Es gibt Kaffee, Tee, Bier und Wein, und sonst lassen wir auch keinen rein.
frivol amüsant fatal in der angeblich Rotlicht freien Zone DDR:
"aber ich brach in Gelächter aus und fragte ihn, ob er das in Teilzahlung abstottern will."
Liebe Magda,
was war das denn mit Deiner:
"Ich hatte mal eine ziemliche Angststörung, in der es mir eine ganze Weile nicht möglich war, weite Dienstreisen zu machen" ?
Übrigens vom "Suff" im Dienst hast Du köstlich dicht geschrieben.
Was aber ist mit dem Barzen von Zigaretten, tumpen, Zigarren, Pfeifen die Flure, Büro Zimmer durch und durch entlang?
tschüss
JP
Jim-Bean-Wahnsinn aus dem Inter- shop?
ach ne, die ard?
Den Sozialismus hält in seinem Lauf, weder Ochs noch Esel auf, solange die eigene Leber hält, was andere sich von ihr versprechen.
Ach die Leber, ach die Niere?,
beginnt doch der Sozialismus in seines Organes Lauf mit der Leber, um in einem fort nch der Milz über die Bauchspeicheldrüse bei der Niere ins Gedärm still und heimlich oder mit viel Lärm fortzufahren?
Ach und erst einmal die Betriebsfeste zu Weihnachten, Jubiläen ein Hans und Dampf mit Sekretärin als Tanzmariechen im Quartett adrett, Schmidtchen Schleicher mit seinem ...
Was machst Du beim Tanz mit Deinem Knie Hans
Ein sehr schönes Leber- und Nierengedicht,
auch die übrigen Innereien sind gut getroffen, da ist "Musike" drin:-))
Hamburg-Lokstedt