Gestern waren wir – eine Freundin und ich – auf der von mir sonst gemiedenen Kastanienallee. „Kapitalismus tötet“, steht an einem Haus, das eine Weile mal besetzt war, aber – jetzt legalisiert - viele unterschiedliche Menschen beherbergt. Daneben bietet eine alternative Kneipe die Möglichkeit, sich von dieser Erkenntnis erst einmal bei kleinen, schmackhaften Speisen und Getränken zu erholen.
So ist alles zwiespältig in der Kastanienallee: Noch verkramt und schon von einer mäßigen Ordnung, alternativ und schon von mehr als bürgerlichen Ausläufern bestimmt, konsumfern und durchsetzt von kleinen Läden, die ihre avantgardistischen Modelabel ausstellen. Ein guter Ort für Widersprüche.
In der Kastanienallee 79 also - beim Tanzprojekt Dock11 EDEN ***** gab es die Wiederaufnahme der Performance „Gold“ des Projektes von MS Schrittmacher . Hier ist bereits ein Bericht über das Stück zu lesen.
Es ist eine einfache Geschichte und es geht „biblisch-paradiesisch“ zu auf dem Lande, in der Natur, die alle nähren kann. Schön war es und unschuldig, als noch gemeinsam gesät, geerntet und die Früchte der Arbeit gemeinsam genossen wurden. Der Apfel - das oft und verspielt verwendete Symbol – kommt witzig zum Einsatz.
Man liebt und neckt sich
Und dann geht das Licht aus und da steht „Sie“ und da steht „Es“. Die nackte Gier und das wunderschöne, lockende Gold. In den Ankündigunges-Plakaten ist es ein Mann, hier in der Remise vom Dock11 wars eine Frau. Ich habe vergessen, Hartmut Schrewe zu fragen, der gemeinsam mit Martin Stiefermann und Efrat Stempler, das Konzept und die Dramaturgie von „Gold“ verantwortet, ob das ein Wechsel war oder schon immer so vorgesehen.
Mit Gier und Gold wird alles anders: gefräßig, listig, brutal gegeneinander. Das ist ausgetanzt und ausgedrückt in vielen Szenen, die den leidenschaftlich agierenden Tänzerinnen und Tänzern alles abverlangen.
Im Konsumrausch
Das „Gold“ hatte es schwer, daran wurde gezerrt, es wurde am Ende fast zerlegt und aufgefressen. In dieser Symbolik setzt ein nacktes Weib als "Gold" auch Assoziationen von „Verletzbarkeit“ frei , auch von "Verfügbarkeit", die sich in mancher tänzerischen Geste zeigt. Höchst ambivalenteDeutungen sind da möglich.
Am Ende versinkt alles im Chaosbeben, es verschwindet das Gold – irgendw0 -im Boden.
Natürlich ist diese Geschichte in ihrer Symbolik folgerichtig und einfach. Es wird immer irrer, der Kampf immer zerstörerischer, der Sinn immer fragwürdiger und das Ende ...ja, ist ein Anfang des neuen Tanzes ums goldene Kalb.
Für mich eigentlich das Größte. Der Tanz und die – zugegeben manchmal auch sehr laute – Musikcollage dazu. Es ist keine große Spielstätte, man ist den Akteuren sehr nahe und das war eine zusätzlicher Reiz, zuzusehen bei der Freude, mit dem Körper auszudrücken, was man wissen kann, was man ahnen kann,was man denken kann und was man fühlen kann und dabei auch zu sehen, was das für eine höllische Arbeit sein kann. Alle waren in Schweiß gebadet.
Nach unten treten
Ich war lange zu keiner Tanzaufführung, aber die Faszination hat sich mir – einmal wieder – erschlossen. Ein interessanter Abend.
Fotos: Andreas J. Etter/ MS Schrittmacher
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