Der amerikanische Traum

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Er hat es geschafft – Barack Obama - mit seiner Gesundheitsreform. Er hat mit allen Kompromissen, mit allen Tricks, die man anwenden musste, nach dem herben Rückschlag durch die Wahlen im Bundesstaat Masachusetts im Januar, jetzt doch noch sein Ziel erreicht. Mich hat das richtig erleichtert, denn alle politischen Beobachter waren sich einig: Dies war ein Scheideweg.

Was dieser Sieg én detail bedeutet, ist mir zuerst gar nicht so bewusst geworden. Ich dachte lange Zeit, es gäbe doch zwei staatliche Systeme Medicare und Medicaid, die sich um die weniger Betuchten kümmern. Verglichen habe sich sie – das war böswillig – mit dem staatlichen Versicherungssystem der DDR, das ja auch nicht so toll war, aber doch allen Betreuung sicherte.

Jetzt weiß ich, dass die 1965 von Präsident Lyndon B. Johnson eingeführteöffentliche und bundesstaatliche Sozialversicherung Medicare überwiegend nur für Rentenbezieher über 64 Jahre gilt und dass Medicaid, das nur durch Steuern des Bundes, der Bundesstaaten und der Gemeinden finanziert wird, eine Krankenfürsorge für besonders bedürftige Menschen ist, deren Berechtigung aktuell immer wieder geprüft werden muss.

Was Obama mit seiner Gesundheitsreform – grob gesagt - erreichen will, ist Medicare auf Personengruppen unter 64 Jahren auszuweiten und private Versicherungen zu zwingen, auch solche Leute aufzunehmen, die Vorerkrankungen haben. Diese dürfen dann auch nicht mehr erfragt werden. Ich habe mal in einer Fernsehserie gesehen, wie ein junge Paar sich – weil die Mutter vorzeitige Wehen bekam – zu einem bestimmten Krankenhaus schleppen musste, weil nur dort Hilfe zu erwarten war. Es gibt wohl eine Regelung, die Krankenhäuser zwingt, Patienten in Notfällen zu behandeln unter bestimmten Voraussetzungen, weil es gar nicht anders sonst ginge.

Woraus speist sich
die wütende Abwehr?

Abgesehen von der einsichtigen Gegnerschaft der Versicherungskonzerne gegen diese Reform, frage ich mich, woraus sich diese wütende Abwehr gegen eine staatliche Gesundheitsfürsorge speist. Bloß kein Kollektivismus, das ist die andere Seite des „Amerikanische Traums“. Dieser Traum von der alleinigen Verantwortung des Bürgers für sich und die Familie, der sich u.a. auch beim Umgang mit Krankheit und mit Gesundheitsvorsorge niederschlägt, wird er beschädigt durch öffentliche Hilfen? Wird das „Pursuit of Happyness“ so bedroht, wenn Krankenversicherungen für mehr Menschen möglich sind, wenn die Chancen auch anderer Menschen erhöht werden? Wieso ist das in einem Land, in dem die Menschen viel lässiger mit Status und Geld und Prestige umgehen, so unerhört und wichtig. Wieso ist dieses „Alles sich selbst verdanken“ eine so festsitzende Forderung an die Welt in der man lebt. Ist Chancengleichheit dort eine Maxime, die eher negativ gemeint ist? Es wird allen gleich nicht geholfen?

Der „Amerikanische Traum hat – wie ich finde – immer diese Albtraumseite. Die intendierte Gegnerschaft der Einen gegen die Anderen, gegen die Konkurrenten, gegen den Rest der Welt – das bleibt für mich mit meinem politischen Hintergrund fremd, erschreckend und beängstigend. Aber, das wird auch in europäischen Ländern, die nicht sozialistisch „infiziert“ waren, abgelehnt, nicht zuletzt in Deutschland selbst.

Gret Hallers Buch
„Grenzen der Solidarität“

Etwas klarer wurde mir der Hintergrund, als ich ein Buch in die Hand bekam, das sich mit den US-amerikanischen historischen Hintergründen beschäftigte.

Das US-amerikanische Phänomen der ständigen Beschwörung des Kampfes, der immer auch ein Kampf gegen die Anderen ist und sie versucht, auszuschließen, es wurde mir am Einleuchtendsten, als ich Gret Hallers „Grenzen der Solidarität“ las. Die Schweizer Juristin und Anwältin war – gewählt von der OSZE - von 1996 bis 2000 Ombudsfrau für Menschenrechte des Staates Bosnien-Herzegowina in Sarajevo.

Sie beschreibt, wie verhängnisvoll es sich auswirkte, dass die US-Amerikaner statt in Bosnien Kompromissbereitschaft und Gemeinschaft zu stärken, jeweils die einzelnen Volksgruppen und Religionsgemeinschaften stärkten und damit Konfliktstoffe eher anheizten, statt sie zu mildern. Dies knüpfe an das von Konkurrenz geprägte System in Übersee an und erschwere das Bemühen um multiethnisches Miteinander, heißt es in den Buchrezensionen.

Welchen Traum träumen die
amerikanischen Bürger?
Der amerikanische Traum in dieser Sicht hat destruktive, atomisierende Seiten. Aber als ich vor vielen Jahren einige Wochen in den USA war und so viele aufgeschlossene, interessierte, offene und freundliche Menschen kennen lernte, als uns ein Professor von der Berkeley Universität erzählte, er reise in den Sommermonaten mit der Gitarre durch das Land und verdiene sich auf diese Art seine Reise, als ich beobachtete, wie intensiv eine Hausherrin mit dem Catering Dienst plauderte, weil das sowieso alles Studenten waren, wie viel weniger prätentiös die Menschen auftreten, als ich die Gastfreundschaft in den Familien erlebte, bei denen wir untergebracht waren, fragte ich mich, ob das alles ist, was den amerikanischen Traum ausmacht.

Politische Seiten des
„Amerikanischen Traums“
Es gibt den Amerikanischen Traum auch in der ermutigenden Fassung, in der von Dr. Martin Luther Kings „I have a dream“-Variante. Und dieser Traum hat neben dem entschlossenen Kampf auf der Straße, neben den Demonstrationen, Auseinandersetzungen und den Opfern auch mit dem politischen System zu tun. Dieser Glaube, dass dieses System der „checks and balances“ am Ende doch effektiv ist, dass der Kampf der Ideen – so gefiltert – zum Besten führt. Das ist die kollektive Variante des „American Dream“. Auch ihm wurde immer wieder – z.B. in Hollywoodfilmen - gehuldigt. Ich denke an „Mr. Deeds goes to Washington“, das ich vor Jahren – so kurz nach der Wende war ich sehr offen dafür - mit Begeisterung sah. Wie da ein einfacher, simpler Mann vom Lande gegen die anderen korrupten Senatoren kämpft und am Ende nur durch das Instrument des „Filibustering“ siegt und das Gute zum Durchbruch kommt. Dass dieses System Kompromisse braucht, dass hier gemeinsam um Lösungen gerungen werden muss, das wird bei den Amis immer ein bisschen geleugnet. Und es hat Ingredienzien von Utopie.

Am Ende ist Obama vor allem Sieger in dieser Disziplin des Kompromisse suchens und findens geworden mit seiner Jahrhundertreform. Von ihr meinen die Befürworter , sie sei den Bürgerrechtsgesetzen von 1964 vergleichbar. Ob die Kompromisse gut waren oder ein mieser Handel, das wird sich zeigen. Die „Grenzen der Solidarität“, von denen Gret Hallers Buch spricht, liegen ohnehin im ganzen System.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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