Der bürgerliche B.H.

Rechts Die AfD ist keine bürgerliche Partei, glasklar! Oder ist sie es etwa doch?

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Um das „Buchhaus Loschwitz“ rankten sich vor einiger Zeit die Kämpfe um die Bürgerlichkeit der AfD
Um das „Buchhaus Loschwitz“ rankten sich vor einiger Zeit die Kämpfe um die Bürgerlichkeit der AfD

Foto: imago images/Torsten Becker

Eine Menge Ärger hatte die MDR-Moderatorin Wiebke Binder nach der Sachsenwahl. Sie hatte die Vertreter der CDU und die AfD als „bürgerliche Parteien“ charakterisiert. Eine Mediendebatte war die Folge. Noch ist es ein ziemlicher Fauxpas, so etwas zu postulieren. Sicher hat sie damit an einem Tabu gerüttelt, das noch nicht reif ist für den Bruch.

Dabei ist – von der Performance her – die AfD in Westdeutschland ja ziemlich bürgerlich. Nur im Osten tobt sie sich hin und wieder so radikal aus – oder lässt austoben und stoppt es nicht. Eine Etage höher – bei Höcke und bei Gauland und Meuthen – geht es irre bürgerlich zu.

Ich frage mich, ob die nicht im inneren Kreis heimlich über die bedepperten Ossis lachen. Selbst dieser Pazderski von der AfD mit seiner großen Bundeswehrklappe ist ein Bürger, ein strammer Bürger allerdings.

Tellkamps bürgerlicher „Turm“

Es gab konservative „bürgerliche Kreise“ in der DDR. Es waren allerdings wenige. Schon bei der Schilderung der in Tellkamps „Turm“ begeisterten DDR-Bürgertums-Relikte ging mir das ziemlich auf den Keks, und ich denke jetzt bei mir: „Wären die am Ende nicht doch mit jemandem wie einem gewissem Björn Höcke kompatibel?“ Sicherlich nicht alle und nicht immer, z. B. wenn er auf den Plätzen rumbrüllt. Aber, wenn er sich diesen Anstrich bürgerlich-gebildeter Nachdenklichkeit gibt und auch Erbaulichkeit verbreitet, dann ist der doch richtig akzeptabel. Er hat Nietzsche gelesen, er ist ein Bewunderer des jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber. Er hat ihn in einer Examensarbeit zitiert: „Alles wirkliche Leben ist Bewegung“.

„Auch wenn mein Bild in der Öffentlichkeit davon erheblich abweicht: Ich bin von meinem Wesen her auf Offenheit Dialog und Ausgleich angelegt“, erklärt er in seinem Interviewband „Nie zweimal in denselben Fluss“.

Wie schön, das passt doch gut in die bürgerliche Welt mit den dicken Klassikerbänden im Bücherschrank.

In Robert Habecks Beitrag Halle und Höcke können die eindeutigeren Statements von Höcke nachgelesen werden.

Rückblick auf einen Streit

In Dresden gibt’s das „Buchhaus Loschwitz“, dort herum rankten sich vor einiger Zeit die Kämpfe um die Bürgerlichkeit der AfD, nachdem die CDU dies nicht mehr so recht bietet.

Die Inhaberin Susanne Dagen fand es legitim, „Gerechtigkeit für Pegida“ zu fordern und fand sich danach recht umstritten wieder. Sie beklagte den Boykott durch einige ihrer ehemaligen Kunden. Ein schönes Feature hat sich mit dem Streit um diese Buchhandlung und die Debatte um deren – total bürgerlich daherkommende – Rechtsentwicklung befasst. Die süße Krankheit Elbhang.

Noch einmal zu Uwe Tellkamp. Er, der die DDR auf einer Kohleninsel verortete und entsorgte, ist ein Vertreter jener Restbürgerlichkeit, die damals von einem Teil der Presse fast frenetisch bejubelt wurde. Dabei war schon vor „Der Turm“ ziemlich deutlich, wohin Tellkamp tendierte. Erst seit Kurzem wird sein Buch „Der Eisvogel“, das sich absolut demokratieabgewandt mit den Suchbewegungen merkwürdig völkisch-intellektueller junger Leute befasst, wieder einbezogen in die Debatte um die Dresdner konservative Szene. Hier ein Beitrag im Tagesspiegel.

Der Streit um die Bürgerlichkeit der AfD und der Streit innerhalb der CDU um mehr Konservatismus usw. – das alles sind Bewegungen aufeinander zu, bei denen man sich fürchten muss.

Aber es gibt auch ermutigende Signale: „Nazinotstand“: Dresden verabschiedet Grundsatzerklärung gegen Rechts.

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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