Der immer bereite Körper

Shades of Grey Dass Liebe manchmal weh tut, ist wohl niemandem ungeläufig, aber von SM hatte ich bis vor kurzem weder eine Ahnung noch hatte ich eine Beziehung dazu

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Durch Umstände und Begegnungen, die das Leben manchmal so bereithält, bin ich mit Protagonisten dieser sexuellen Neigung in Kontakt gekommen und erlebte das als Irritation und Befremdung.

Dann aber war Neugier geweckt, mich weiter damit zu beschäftigen. Ich wollte „verstehen“. Oder heuchle ich da? Wahrscheinlich hat jede Frau schon mal die Vorstellung, gefesselt zu sein, wehrlos und ausgeliefert. Aber, der Rest mit Peitschen- und Paddel und was weiß ich-Geschichten- war mir absolut unbegreiflich. Nö. Dazu kommen ja auch noch verbale Erniedrigungen, die als sexuell erregend erlebt werden. Es gibt sehr eklige Sachen. Und ganz furchtbar komische: Die Pet-Player. Auf einer einschlägigen Seite sieht man Männer, die vor einen Wagen gespannt sind. Geschirr überm Gesicht. Das Gemächt hängt malerisch raus und nach unten. Und die fahren dann ihre „Herrinnen“ durch die Gegend. Und bezahlen auch noch für den Quatsch.

So begannen meine Recherchen: Was ist ein Dom? Was ist eine Sub? Was ist eine Domina, was ein Sklave? Wenn man wissen will, wie diese Beziehungen funktionieren braucht man – so komisch das klingt – etwas Ernsthaftes, Seriöses. Aber dazu später.

Wie sieht die

Gesellschaft SM

Der Softporno „Shades auf Grey“ ist natürlich nicht ernsthaft und seriös, aber er vermittelt einen recht interessanten Eindruck davon, wie die Gesellschaft SM sieht und wie wenig wirklich darüber bekannt ist.

Bei einigen Rezensionen hatte ich das Gefühl, dass das Buch gar nicht gelesen wurde. Ich habe den ersten Band „durch“ und ich fand, es ist durchaus anregend, wobei die sexuelle Neigung von Christian Grey, dem die scheinbar zur Schüchternheit und Devotion neigende Anastasia Steele verfällt, vorerst gar nicht im Vordergrund steht. An die muss sich ja erst mal rangetastet werden. Die Sexszenen sind eigentlich immer ähnlich – ich denke mir eine Art von Sexutopia, von immer potenten Männern und ständig orgasmusfähigen Frauen usw, usw. Schöne Körper, immer bereit und immer genussfähig.

Die Behauptung in den Rezensionen, die Heldin sei masochistisch und Frauen sehnten sich wieder nach so was, wird in dem Buch überhaupt nicht eingelöst. Sie ist halt verliebt – mehr nicht - und versucht zu verstehen, was den reichen, schönen, charmanten und sehr befehlsgewohnten Mr. Grey antreibt. Und am Ende...widersetzt sie sich entschieden. Aber, das ist ja auch nur der erste Band.

Unterschwellig nährt das Buch den Gedanken, man könnte einen Menschen mit solchen Neigungen „heilen“ oder „erlösen“ und zum „normalen“ Sex bringen. Das ist der Gag. Vielleicht wie bei der Homosexualität, von der auch immer gefaselt wurde, man könne sie heilen. Seltsamerweise steht die Frage , ob Christian der Held schwul ist, zu Beginn mal kurz im Raum.

Eine Buchempfehlung

zum Thema SM

SM Leute haben öfters „normalen“ Sex, was immer das sein mag. Das weiß ich aus einem recht erhellenden und sachkundigen Buch über das Thema, das ich hier mal empfehlen will.

Vor Jahren schon schrieb Kathrin Passig gemeinsam mit Ira Strübel einen Ratgeber über das ganze Thema: „Die Wahl der Qual“ Handbuch für Sadomasochisten und solche, die es werden wollen.

Zwar habe ich an manchen Aussagen in dem Buch Zweifel, aber es ist doch eine gute Informationsquelle.

In „Shades of Grey“ taucht eine Frage auf, die ich mir oft gestellt habe: Beruht diese SM Neigung, sei sie zur Dominanz oder zur Devotion auf einem traumatischen Kindheitserlebnis? Ich neige zu dieser Meinung, aber in „Die Qual der Wahl“ wird das sehr in Zweifel gezogen. Es ist halt eine Spielart und hat viel mit Spiel zu tun. Hingegen ist der Held in „Shades of Grey“ in jungen Jahren selbst Sklave einer älteren dominanten Frau gewesen.

Passig/Strübel erklären, es sei auch überhaupt nicht so, dass die SM-Leute alle ganz heiß auf Schmerzen sind. Einige aber lieben bestimmte Spiele, in denen u. a. auch der Schmerz eine Rolle spielt oder die Schmerzerwartung. Ich weiß es nicht. Ich fand bei meinen SM-Recherchen - wie schon erwähnt - auch sehr eklige und widerwärtige Szenen, wie z. B. die Bastonade – das ist das Schlagen mit einer Reitgerte auf die Fußsohlen. Das hat mich zutiefst erschreckt, weil es zu dicht an den Folterpraktiken ist, die alle Jahrhunderte durchziehen.

In „Shades of Grey“ wird sehr sauberes SM praktiziert. Zwischen allerlei ganz normalen erotischen Szenen, bei denen ganz hygienisch immer die Kondompackung knistert, bevor es von vorn und hart und hinten zur Sache geht, „versohlt“ Christian seine Angebetete Anastasia. Das erinnert dann wirklich an Kinderspiele. So wie manche Praktiken an verspätete Doktorspiele erinnern.

Es gab und gibt – darüber wurde in den 90er Jahren eine intensive Debatte geführt - eine ungute Verquickung zwischen frauenverachtender Gewaltpornographie und SM. Darauf gehen Passig/Stübner nicht ein, sondern verteidigen natürlich ihre Klientel. Aber ich denke, dass es Männer gibt, die ihre Frauenverachtung hinter dieser SM-Geschichte verstecken. Ob Dominas zur Männerverachtung neigen oder eher einen nachsichtig-streng mütterlichen Blick auf sie werfen, ist schwer zu sagen.

Es geht nicht um

neue Lust an Unterwerfung

Zurück zu „Shades of Grey“. Es geht nicht generell um Masochismus der Frauen oder eine neue Lust an der Unterwerfung. Aber, wie weiter oben schon mal unterstrichen: Die Heldin aber ist keine Masochistin. Ich weiß auch nicht, ob ein Mann mit sadistischen Neigungen so darunter „leidet“, wie dieser Christian, aber es ist möglich. Interessant ist dessen Neigung zum Kontrollieren und die Furcht vor zu viel auch körperlicher Nähe. Die Heldin darf ihn nämlich nicht wirklich anfassen.

Im Grund aber handelt das Buch von dem, was alle sich in der Liebe wünschen: Sich selbst über der Lust vergessen, das hat in der Zeit eine Rezensentin ganz gut gesagt. Aber, wie soll das gehen, wenn die Selbstvergessenheit so gebunden ist an Perfektion der Körper. Aber dafür gibt’s halt Pornos und solche Bücher. Solche Bücher müssen dann ja auch noch eine Rahmenhandlung haben. Da kann man dann wegen unerträglicher Langeweile das Safeword sagen, mit dem man die Spielhandlung unterbrechen kann, wenn es zu weh tut. Passig sagt, das Geläufigste sei „Mayday“, in „Shades of Grey" ist es „Rot“.

Hier gehts zur Guardian Rezension

Die witzigste Kapitelüberschrift in Passig/Strübels Buch ist: "Happy Aua"
Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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