Der Pankower Handreich-Konflikt

Integration Ein Imam wollte einer Lehrerin der Berliner Platanus-Schule nicht die Hand geben, der Konflikt war vorprogrammiert. Eine Einordnung

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Und die Wogen gehen hoch, wie man am Presseecho sieht.

Imam verweigert Handschlag mit Lehrerin

Dass sich die Umgangsformen hierzulande andauernd ändern, kann man beobachten. Vor einigen Jahren galt es – laut medialer Debatte – noch als ziemlich uncool, dass man sich bei jeder Gelegenheit die Hand zur Begrüßung reicht. Es war oder ist eher so ein allgemeines „Hi“ ohne Handschlag Mode. Die Ossis galten als altmodisch mit ihrem Hang zum Händedruck. Man fragte scherzhaft, ob sie ihren Witzspruch: „Genosse, reich mir die Flosse“ noch immer mit Leben erfüllen wollten.

Ist Bussi-Bussi auch Pflicht?

Wenn also Integration bedeutet, dass man sich andauernd an die gerade gängigen Begrüßungsrituale anzupassen hat, dann müsste man als nächstes solche MigrantInnen als integrationsunwillig einordnen, die sich weigern eine undifferenzierte Bussi-Bussi-Kultur mitzumachen und sich nicht andauernd umarmen wollen.

Rache aus Kindheitszwängen?

Mich treibt zusätzlich der Verdacht, ob mit solch harschen Forderungen nach dem Handschlag, nicht auch noch verdrängte Kinderkonflikte aufgearbeitet werden. Als Kind wird man oft ultimativ "aufgefordert", die Hand zu geben und früher war es auch noch "die richtige Hand", also nicht die linke. Wenn in der Gegenwart ein Händedruck verweigert wird, kann das schon triggern - ein bisschen.

Den Händedruck – so habe ich gelesen – verweigern auch manche Vertreter aus dem konservativen Judentum. http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/24004

Und auch sehr orthodoxe Christen.

Weltweit sind die Sitten differenziert. Gestik und Mimik sind oft international sehr verschieden und können Missverständnisse fördern. In manchen südeuropäischen Ländern z. B. bedeutet ein Kopfnicken „Nein“ und ein Kopfschütteln „Ja“. Das war früher bei Bulgarienreisen immer mal ein Thema. Wenn man ein bisschen nachguckt, stellt sich heraus: Der Handschlag ist in Europa zwar eine gemeinsame Sitte, aber doch in unterschiedlicher Intensität und Form.

Der Deutschen eiserner Händedruck?

Die Briten pflegen diesen Brauch ebenfalls und ich dachte schon, sie wollten sich mit dem Brexit dem eisernen Händedruck der Deutschen entziehen. Allerdings warten sie immer ab, bis das Gegenüber die Hand reicht, habe ich gelesen. Nun stelle ich mir vor, wie die sich angucken und auf das Gegenüber warten. Das kann alles dauern.

Auf anderen Kontinenten differieren die Begrüßungsrituale erheblich.

In Japan übrigens habe ich gelesen, ist das Handgeben ein Übergriff.

Barbara John – frühere Berliner Ausländerbeauftragte - fand den Handreich-Konflikt von Pankow darum auch zu aufgebauscht. Sie meinte im TAGESSPIEGELWir müssen aufhören, allergisch auf muslimische Eigenarten zu reagieren.

Eine Handreichung zum Thema in der ZEIT sieht es differenziert. Die Autorin erklärt, dass nicht jeder Muslim, der einer Frau die Hand nicht reicht, frauenfeindlich ist. Eher meint er, das Verweigern sei eine Respektbezeugung. Aber, insgesamt plädiert sie schon für Umgangsformen, bei denen das Geschlecht keine Rolle spielt. Die gibt es im "christlichen Abendland" jedoch auch nicht immer.

Sie rät generell dazu, mehr zu hinterfragen, weil – s. o – die Sitten sich ständig ändern.

Für Hygieniker aller Art ist der Händedruck sowieso unter Verdikt. Finger weg - Handschlag immer unhygienischer las ich in einem Blogbeitrag. Das ist nicht von der Hand zu weisen.

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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