Der Penis in Zeiten männlicher Suchbewegungen

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Ich tippe daher auf klassischen Penisneid
(User Kinkelstein im Beitrag Mangelnder Mut)

www.freitag.de/politik/0948-schweiz-minarett-abstimmung-ramadan#comments

Diese kleine Nebendebatte über das Minarett als Penissymbol hat mich bewogen, einen etwas älteren Text hervorzukramen – das ist das Ergebnis.

Der Penis in Zeiten männlicher Suchbewegungen
Wie eine Veranstaltung ihren Höhepunkt fand

Fürwahr – es sind Höllenzeiten. Alles kann so rasend schnell verloren gehen und droht, im Orkus zu verschwinden. Geld zum Beispiel, das es ohnehin nie gegeben hat, verschwindet trotzdem wie Nichts - die Finanzkrise demonstrierte es. Das weckt existenzielle Ängste, nicht nur das eigene Portemonnaie betreffend, auch die eigene Identität bleibt nicht ungeschoren.

Darum lautet das Gebot der Stunde: Mit nimmer versiegendem Eifer suchen. Vor allem nach sich selbst. Selbstvergewisserung, Selbstfindung – das sind die Ergebnisse dieses menschlichen Strebens.

Kaum waren die Frauen mal ein wenig zur Ruhe gekommen und richteten sich ein, da machten sich die Männer auf. Verunsichert und frustriert durch ständig neue Herausforderungen in der Konfrontation mit den Frauen und der Konkurrenz untereinander brauchen sie reale und effektive „Suchmaschinen“, die ihnen helfen, sich zu finden und mit dem getätigten Fund dann auch sachgemäß umzugehen. Wie wärs mit einer schönen akademischen Veranstaltungsreihe zum Thema sagte man sich in den entsprechenden Kreisen. Das Zwischenmenschliche wieder in den Vordergrund rücken. Aber nicht so brachial, sondern in gut verdaulichen kleineren Portionen und Fortsetzungen sowie unter der Berücksichtigung höchst unterschiedlicher Aspekte.

Der Mensch braucht eine männliche Grundlage

Aber, wie das so ist, wenn vom Menschlichen die Rede ist, dann muss dazu erst einmal die männliche Grundlage geschaffen werden. Darum wohl stand der erste Abend, über den ich die Aufgabe hatte, zu berichten, unter dem Motto:

„Mann sein zwischen Stolz und Lust, Schmerz und Utopie“.

„Oijoijoi“, dachte ich, das wird ja ein mächtiger Parfoceritt und rüstete mich schon mal mit einem inneren Abwehrreflex aus.

Das war aber gar nicht nötig, denn es ging reichlich lahm los.

Ein junger Mann, dessen Kompetenz in allgemeiner Freundlichkeit bestand, befragte drei Männer, die für verschiedene männliche Lebensentwürfe standen.

Einen pensionierter Manager, der offensichtlich zur Verwandtschaft eines der Veranstalter gehörte.

Ein Agrarwissenschaftler – geheimnistuerisch als Liebhaber einer stadtbekannten Künstlerin eingeführt - und

ein vor allem durch seine analytischen Arbeiten über die Deformation der ostdeutschen Untertanen durch die SED-Diktatur bekannt gewordener Psychotherapeut.

Der Ex-Manager meditierte über seine Kindheit und Jugend, dachte darüber nach, wer ihn am meisten geprägt hat, die pflichtbewusste Mutter oder die weichherzige Großmutter und beklagte das Fehlen des Vaters, der sich aus jeder Erziehungsfrage herausgehalten hatte.

Der Agrarwissenschaftler beklagte die Abwesenheit des Vaters als Erzieher und die Probleme, die er mit sich als Mann dadurch bekam. Ansonsten aber sprach er mit psychologisch verdächtigem Engagement über seine Ambitionen als akademisch ausgebildeter Unkrautvertilger. Ich fragte mich, ob diese Berufswahl im Zusammenhang mit geschlechtsspezifischen Frustrationserlebnissen stand oder nicht. Möglicherweise wäre er Rosenzüchter geworden, wenn sich der Vater mehr um ihn gekümmert hätte – wer weiß.

Der Psychotherapeut schilderte das neurotische Umfeld seiner Kindheit, sprach von der Pflicht, andauernd der Sonnenschein für seine Mutter zu sein, und für den Vater der Sohn, der verlorengegangenes Prestige wieder "herbei leisten" sollte. Ein schweres Schicksal...

Die Luft ging raus

Nachdem das Seelische derart bearbeitet worden war, ging es um die Frage, worauf Männer denn stolz sein könnten, aber die Spannung nahm auffällig ab. Die Luft ging raus, gemeinsam mit zahlreichen Hörern, die wahrscheinlich lieber eine rauchen wollten, als weiter an der Frage herumzu“bosseln“, was nun männlich ist und welche Probleme das manchmal mit sich bringt.

Der Moderator versuchte darum, wieder ein wenig Wind in die Segel des ermüdenden Debattenschiffs zu blasen, indem er – ganz kühn und unorthodox- zur Abwechslung mal die Frauen nach ihrer Meinung fragte. Gerade hatte die erste Dame ihre zögerliche Stellungnahme in die Runde geflüstert, da belebte ein Zuhörer die Diskussion, indem er auf das zu sprechen kam, was sich dann später auch als das Wesentliche am Mann-Sein herausstellte und beendete damit die Versuche einer weiblichen Betrachtung des Themas für den Rest der Veranstaltung aufs wirkungsvollste.

Das Wesentliche penetriert die Debatte

Und was ist das Wesentliche? Na klar, wie immer, der Besitz eines Penis natürlich. Der junge Zuhörer tat kund, er sei ein Mann, er habe einen Schwanz und wenn der steht, dann sei er stolz. Dann erinnerte er noch an den selbstverständlichen Stolz auf die primären Geschlechtsmerkmale, den Männer in Naturvölkern pflegen dürfen, und beklagte, dass dieser Stolz in unseren Breiten abhanden gekommen sei. Diese kraftvolle Stellungnahme brachte Leben in die Bude. Das befriedigenden Gefühl, dass das Eigentliche nach einem betulichen seelischen Vorspiel nun endlich, endlich die Diskussion penetriert hatte, belebte das Auditorium.

Auch ein Penis braucht Ortskenntnisse

Nicht alle folgten so direkt der Argumentation des stolzen Penisbesitzers. Andere wiesen lässig darauf hin, dass sie auf eine Selbstverständlichkeit wie einen erigierten Penis, nicht stolz zu sein brauchten. Wieder ein anderer Teilnehmer schilderte seine Befriedigung, wenn der Penis die ihm zugedachte Bestimmung findet, war also nicht auf „Ihn“ allein sondern auf die profunden Ortskenntnisse, die „Er“ inzwischen erworben hatte, stolz.
Zwischendurch piepste eine junge Dame etwas von Stolz, der sich auch in seinem Gegenteil, der Demut zeige, aber das interessierte im wahrsten Sinne des Wortes keinen Schwanz mehr, lenkte es doch nur ab von der ins Wesentliche erigierten Debatte.
Es ging um Männlichkeit an sich.

Am erigierten Glied
rankte sich der Diskurs empor

Der Psychotherapeut, der zuvor noch erklärt hatte, er habe Probleme mit den Klischees von „männlich“ und „weiblich“, er fühle sich oft auch sehr weiblich, schwenkte unverzüglich auf die männliche Mehrheitsmeinung ein und konstatierte forsch, dass ein steifer Schwanz für ihn zwar kein Grund zum Stolz sei, aber „doch in Ordnung, wenn die Situation in Ordnung“ ist. Am erigierten Penis rankte sich der Diskurs hoch und immer höher.
Die Diskussion um weibliche und männliche Anteile in jedem Menschen ging aus Mangel an Nahrung ein. Besprochen wurden die Unterschiede. So erklärte der Seelendeuter, er fühlte bei Versuchen, sich mit Frauen zu verständigen, am deutlichsten das Mann-sein. Immerhin seien Männer eben doch geprägt durch eine gewisse gesunde Aggressivität und den Willen, in die Frau einzudringen, während Frauen mehr auf der Empfängerinnenseite seien. Männer seien ja auch mit mehr Muskelkraft ausgestattet, weil sie immer die Versorger zu sein hätten. Und überhaupt ginge es - sehe man von den Verlautbarungen einiger Emanzen einmal ab - nicht um die Gleichartigkeit der Geschlechter, sondern um ihre Gleichwertigkeit, für die er durchaus plädiere. Ahja, wie schön.

Schwellkörper und
unterschwellige Wünsche

Ans Licht brachte diese Debatte über männliche Schwellkörper, was sich Männer unterschwellig aber deutlich wünschen: Gefürchtet soll er sein, aber auch geliebt, der männliche Penis wie der ganze Mann. Macht und Sexualität bleiben männiglich miteinander verbunden. Es hat sich nicht viel geändert. seit meiner Jugendzeit.

Die jüngeren Zuhörerinnen sprachen nicht mehr, sie lauschten beeindruckt den naturverbundenen männlichen Manifestationen eines wieder erwachten Penisbewusstseins.

Auch ich ging in mich. Es ging ja um Selbstfindung und ich fand, dass sich schon seit dem Erfolg von Thomas Brussigs Roman "Helden wie wir" so was abgezeichnet hat. Da war der männliche Penis sogar wesentlich am Fall der Mauer beteiligt. Sicher, dachte ich bei mir, das ist satirisch gebrochen, aber es bleibt die Diagnose: Männlich, ungefesselt und befreit von potenzmindernden weiblichen Nörgeleien, schweift "Er" durch die Zeiten. Männer haben sich gefunden, wie immer da, wo es wirklich wichtig ist.

Die DDR hat keinen Penis

Der Seelentherapeut stellte dann noch eine Diagnose ins allgemein-politische: Die DDR habe in der Vereinigungsprozedur die weibliche und der Westen die männliche Rolle gespielt, meinte er und warf damit weitere Fragen auf: Haben die Männer im Osten einen ortsbedingten Penisneid zu kompensieren? Das kann schon sein.

Ich als Frau aber konnte keinen solchen entdecken - ich ging angewandelt von Lachanfällen in die nächste Kneipe und musste ganz schnell viel trinken.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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