Der „spiritus rector“

#allesdichtmachen Jan Josef Liefers hat es gutgemeint, aber er hat nicht bedacht, dass er Werkzeug künstlerischen Gestaltungswillens ist. Und dahinter stecken wohl Brüggemann u.a.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Der Filmregisseur und Mitinitiator von #allesdichtmachen Dietrich Brüggemann
Der Filmregisseur und Mitinitiator von #allesdichtmachen Dietrich Brüggemann

Foto: Carlos Alvarez/Getty Images

Dietrich Brüggemann ist jetzt eigentlich der, der sich aus seinem Widerstandsnest meldet und tiefen Unwillen darüber verkündet, dass Teile des Publikums, nämlich der unverständige Teil, seine Videokunstkonzeption nicht so heiß finden. Er fühlt sich missverstanden und gemobbt usw.

Auf seinem Blog stellt er fest:

Wir kennen es doch alle: Unter vier Augen gibt fast jeder zu, daß er die Regeln für sich etwas großzügiger handhabt und einiges auch gar nicht für sinnvoll hält. In der Öffentlichkeit sagt man dagegen: Natürlich halte ich mich an die Maßnahmen, trage Maske und so weiter. Natürlich steckt in diesem Auseinanderklaffen von Reden und Handeln eine ordentliche Portion Heuchelei. Und diese Heuchelei satirisch aufzuspießen, auch das ist völlig legitim.

Für mich bedeutet das eher, dass er nun darlegen will, wie diese Statements gelesen werden sollen. Und damit ist im Grunde schon festgestellt, dass der Einschlag im falschen Areal erfolgt ist. Beim Geschmacksverständnis des Publikums nämlich und nicht im politischen Amüsier-Aha-Areal. Dass es Heuchelei in der Gesellschaft gibt, eine Kluft zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung, ach herrje, das müsste er eigentlich wissen. Heuchelei gehört zum Alltag, zum politischen genau so wie zum allgemein gesellschaftlichen Leben. Ist nicht schön, aber ist so.

Das Zentrum für Politische Schönheit erlebt solche Unwillens- und Protestbekundungen in viel stärkerem Maße. Sie gehören bei ihnen auch mit zum Projekt. Und – sie haben auch schon Aktionen revidiert. Aber, dazu gehört auch ein politisches ernstes Anliegen. Und – das ist mein stärkster Eindruck – das vermisse ich bei Dietrich Brüggemann. Maskenpflicht und allgemeine Ungeduld nerven halt und das muss man mal sagen. Und dem dann auch wurscht zu sein scheint, wer mit ihm jammert und wer nicht.

Ganz besonders bezeichnend fand ich allerdings auch noch eine andere Passage in seinem Statement:

Ich glaube, wir kämen als Gesellschaft weiter, wenn wir das, was wir im Privaten tun, auch öffentlich bekennen würden. Also z.B.: Ich halte mich nicht immer ganz konsequent an die Maßnahmen, weil das gar nicht möglich ist. Und ich mache mir auch manchmal Gedanken, ob sie allesamt so sinnvoll sind. Oder ob sie in unserem Leben etwas kaputtmachen, das sich so leicht nicht mehr reparieren läßt.

Oder wir bewegen uns in eine Gesellschaft, in der das öffentliche Bekenntnis streng getrennt ist von dem, was man im Privaten tut. Das wäre Doppelmoral. Wir kennen sie aus religiösen Gesellschaften. Wollen wir dorthin zurück? Ich glaube nicht.

Also lasst uns offen reden.

Das ist sicherlich so und das gehört zum Leben. Aber die Überlegung, dass manche Anti-Corona-Maßnahmen Probleme schaffen und Menschen beschädigen können, ist ja unbestritten und wird auch artikuliert. Bloß an welche Adresse geht das nun eigentlich?

Insgesamt ist es nämlich nicht „politisch“, was er da initiiert hat, es ist ein bisschen Dampfablassen.

Auch für ihn scheint die „persönliche Freiheit“ so wichtig zu sein, dass die Erkrankten, die Gestorbenen und unter Nachwirkungen Leidenden zu Kollateralschäden dieser egozentrischen Haltung werden. Sie kommen nicht vor. Der Spieß wurde einfach umgedreht.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden