Egon Günther (1927-2017)

Gestorben 1965 habe ich Egon Günthers ersten Film angesehen. Er ist mir in Erinnerung geblieben, obwohl mich DEFA-Filme damals nicht gerade faszinierten.

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"Lots Weib" - die Geschichte einer Ehe (Marita Böhme und Günther Simon), die an mangelnder Zuneigung erstickt in einer Gesellschaft, die hochmoralisch fordert, dass „sozialistische Menschen“ eine untadelige Partnerschaft führen. Ein Ehemann, der als Kapitän der DDR-Handelsflotte den Schein gewahrt sehen und sich nicht scheiden lassen will. Als mitlaufendes Thema ging es auch um das Recht auf Abtreibung mit einigen Seitenhieben auf die ihre Mutterschaft stolz herauskehrende Kollegin, damals gespielt von der hervorragenden Else Grube Deister. An sie erinnere ich mich besonders.

Die Ehegattin entschließt sich zu einem sehr ungewöhnlichen und gewagten Schritt. Sie lässt sich beim Diebstahl im Warenhaus erwischen und – schon ist auch ihr Mann zur Scheidung bereit. Mit einer Diebin will er nicht leben. Sie ist frei, frei von Heuchelei und Lieblosigkeit und lebt ihr Leben weiter.

Danach liefen sehr große, sehr breit besprochene Filme von Egon Günther in den Kinos. „Abschied“ nach dem Buch von Johannes R. Becher, „Junge Frau von 1914“ nach dem Roman von Arnold Zweig. Alles durchaus stilbildend und epochemachend. „Abschied“ brauchte ewig, bis er endlich gezeigt werden durfte, habe ich dieser Tage gelesen.

"Der Dritte" - Mein Filmfavorit bis heute

Der Film aber, den ich bis heute innigst liebe und aus dem ich einige Dialoge immer wieder gern nachspreche und mich auf manche Szene freue, wenn ich die DVD mal wieder einlege, ist „Der Dritte“ (1972) mit der großen Jutta Hoffmann und dem großen Ralf Ludwig und der ebenfalls großen Barbara Dittus.

Ein Film, den Männer nicht so gern mochten, aber den die Frauen liebten. Immer wieder amüsiere ich mich, wenn ich die Szene sehe, in der die FDJ-verrückte junge Margit nach „Bandiera Rossa“ tanzt und den reichlich peinlich berührten bürgerlich-verorteten Physiklehrer mitreißt und am Ende zur Zeugung ihres ersten Kindes im Bett landet. Die herrliche Story, in der die Freundin der Heldin, Lucie, mit ihrem Liebsten gerade „loslegen“ will als der teure Sessel angeliefert wird, der dann zum Streitpunkt über „wirkliches Lieben“ wird.

Viele solche Kabinettstücke wären zu nennen. Er war so ehrlich dieser Film. Die Suche nach dem „Dritten“, der diesmal bleiben soll, den sie braucht und den sie gewinnen will ohne die Weibermätzchen, die sonst so im Schwange sind, um einen Mann zu verführen war ein Thema, das das Lebensgefühl vieler junger Frauen in dieser Zeit berührte „Ich will, dass Du mich siehst, dass Du mich erkennst“, sagt sie am Schluss fast biblisch zu dem verwirrt lauschenden Herrn Hrdlitschka, den sie am Ende – stilvoll – heiratet. .

Übrigens: Hintergrund dieses Films waren die Plattenbauten von Halle-Neustadt, das heute so in Verruf ist wie viele solche als „Ghettos“stigmatisierten Viertel an den Stadträndern. Damals stand es als Moderne, als das Neue.

Auch „Lotte in Weimar“ fand ich wunderschön mit der kunstvoll erstarrten Lilli Palmer und – mal wieder – Jutta Hoffmann als Adele Schopenhauer. Ein Film, der so ehrfurchtsvoll publizistisch begleitet wurde und auch sehr ehrfurchtsvoll mit Thomas Manns Roman umgeht. Und „Futter“ für die Schauspieler in den herrlichen Dialogszenen.

„Die Schlüssel“ – auch ein Film der jenseits aller Klischees lief, wird von vielen geschätzt. Ich habe ihn mir dieser Tage mal wieder angesehen.

„Heute erscheinen „Die Schlüssel“ als das konsequenteste filmische Experiment, das je im Defa-Studio entstand. Eine Verknüpfung von individuellem Schicksal und Weltgeschehen, von Alltag und Jahrhundert, von Frieden und der unfriedlichen Vergangenheit. Eine Improvisation zum Thema Schuld, Sühne, Tod“, schreibt die Berliner Zeitung in ihrem Nachruf auf Egon Günther.

Dann ging Egon Günther in den Westen, und ich verfolgte nicht mehr allzu viel von ihm. Die Fernsehfassung von „Exil“ nach dem Roman von Lion Feuchtwanger sah ich aber mit großem Interesse.

In der Zeit nach 1989, als ich frauenpolitisch öfter auch in Potsdam unterwegs war, traf ich ihn bei mehrmals zu Veranstaltungen zusammen mit seiner jungen Frau und freute mich, obwohl er mich natürlich nicht kannte. Aber das Interesse fand ich bemerkenswert.

Zuletzt wollte er einen Film über Friedrich Nietzsche drehen, habe ich gelesen. Aber die Finanzierung klappte nicht.

Nun ist er gestorben, einer der Großen, immer Unbequemen und Unangepassten.

https://magdaskram.wordpress.com/2017/09/01/egon-guenther-1927-2017/

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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