Ein Held namens William Dobbin

Nach dem Frauentag Kennt jemand William Dobbin? Der beschäftigt mich schon viele Jahre. Ich kehre immer wieder zu ihm zurück, wenn ich von der Krise der Männer höre oder lese.

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Noch mehr fällt er mir in den Sinn, wenn ich beobachte, wie lächerlich es sich ausnimmt, wenn Kraft behauptet wird, die es gar nicht (mehr) gibt. Dobbin ist mein Held, aber dazu erst am Ende meines Beitrages.

Dass die Wahl Donald Trumps neben vielen anderen auch ein Symptom für die Krise der Männlichkeit sei, wird allenthalben behauptet. Und in der Tat scheint sie mir wie ein prägnanter Beweis dafür, dass sich einst durchaus belobigte männliche Eigenschaften in eine Farce verwandeln. Wo früher ein Federstrich Völker- und Menschenschicksale besiegelte, so ist die gleiche Geste – ausgeführt vor Goldgrund und mit goldener Feder - eher ein schwächliches Symbol nachlassender Urteilskraft. Wo es vielleicht einst wirkliche Kraft gab, ist heute reine Behauptung. Wo früher Potenz war ist heute Viagra.

Die Publizistin Ute Scheub hat in einem Gespräch mit Deutschlandradio Kultur die Wahl Trumps ebenfalls in diesem Lichte betrachtet. Sie hat schon vor vielen Jahren darüber ein Buch geschrieben“ Heldendämmerung. Die Krise des Mannes und warum sie auch für Frauen gefährlich ist. Pantheon Verlag 2010“.

Scheub meint, Trump sei nicht zuletzt auch eine Antwort auf Präsident Obamas Erscheinung, der sowohl als „Schwarzer“ als „Familienvater“ und „neuer Mann“ ein neues und sehr modernes Männerbild verkörpert habe. Das ist plausibel und es scheint auch einer der Gründe, warum Trump so massiv hinter Obama her tritt. Er bezeichnet ihn als „tief gesunken“ und „krank“.

Übrigens: Mir ist völlig klar, dass meine Parteinahme für Obama sofort alle politischen Opponenten auf den Plan ruft, die nachweisen, dass Obama ein „Kriegsverbrecher“, „Drohnenmörder“ und überhaupt der schlimmste Präsident ist, der je in den USA geherrscht hat. Und ich behaupte - jenseits des politischen Disputs über Verdienste und Versäumnisse Obamas – dass die Art, wie seine Politik bewertet wird, auch von weißen männlichen Ressentiments bestimmt ist, und zwar so eindeutig, wie ich es mir nie hätte vorstellen können. Ein schwarzer Präsident, der auch noch als politischer Missetäter dingfest gemacht wird, ist eine befriedigende Vorstellung für eine Männerwelt, die sich aus einem diffusen Niederlagegefühl wieder herausarbeiten will.

Da kam Trump als Verkörperer einer neu behaupteten weißen, entschlussfreudigen Männlichkeit gerade recht. Anders ist kaum zu verstehen, dass Trump,der immer wie eine satirisch zugespitzte Figur anmutet, so vehement verteidigt wird, sogar von „Linken“. Einige führen ins Feld, dass Trump wegen seiner eventuellen „Freundschaft“ – oder zumindest wegen eventueller Bemühungen um ein gutes Verhältnis zu Putin und zu Russland - so unter Beschuss geriete. Und dass Neocons wie Robert Kagan und Victoria Nuland, die sich hinter Obama geschaft hatten – da noch immer aus allen Rohren schießen. Es wird schon so sein, dass da Machtkämpfe toben. Aber diese eindimensionale Sicht ist genau so verquer wie die Behauptung, dass Obama viel mörderischer sei als alle seine Vorgänger. Die Wahrheit ist: Obama ist einfach „schwärzer“ als seine Vorgänger.

Andererseits:Vielleicht sind auch so manche Parteinahmen für Wladimir Putin nur vor dem Hintergrund nachgetrauerter Männerutopien zu zu verstehen: Das wäre doch erstrebenswert: Zwei Männer – Trump und Putin - räumen auf auf dieser Welt, bringen alles in Ordnung, ziehen die jeweiligen Grenzen ihrer Herrschaft und es zieht Ruhe ein. Alles ein bisschen demokratiemüde, wenn nicht gar vordemokratisch. Wobei Putins Männlichkeitsinszenierung doch noch eher annehmbar ist als die von Trump. Putin agiert konkret und sehr traditionell maskulin in seinem medialen Auftreten, er „reitet den Tiger“ oder wenigstens das Pferd. Das ist schon ein komisches Detail, dass der Cowboy aus dem Osten kommt, während Trump – der good old boy als Kunde der Kosmetik- und Pharmaindustrie erscheint wo immer er auftritt.

Männlichkeiten – Inszenierung und Wirklichkeit. Das führt mich zurück zu William Dobbin. Der liebt die Verlobte seines Freundes George Osborne – die naive und liebliche Amelia - so redlich, so ehrlich und so treu, dass er ihre Heirat mit seinem Freunde befördert, als dieser sie schon aufgeben will, weil er weiß, dass ihr dies das Herz bräche. Und als sein Freund Georg auf dem Schlachtfeld von Waterloo stirbt, kümmert er sich aufopferungsvoll um die Witwe und ihren Sohn. Er verschweigt der Trauernden, dass ihr beweinter Gatte sie schon kurz nach der Hochzeit fast hätte wieder sitzenlassen. Irgendwann aber gesteht er seine Liebe, folgt Amelia und macht sich zu ihrem Beinahe-Sklaven. Dann aber wird ihm deutlich, dass sie diese Liebe mit Füßen tritt, dass sie die Größe seiner Liebe und die Großzügigkeit seiner Seele nicht wert ist und verlässt sie. Erst dann und nach allerlei Erkenntnissen über das Wesen ihres verstorbenen Gatten, reist Amelie ihm nach und bittet den jetzt in seiner wahren Größe erkannten William Dobbin um Vergebung. Das Glück nimmt seinen späten Lauf.

Den Namen des Romans verrate ich nicht, aber ist nicht schwer, auf seine Spur zu kommen. Dieser William Dobbin war mir immer das Bild von Männlichkeit: Er ist tapfer, liebevoll, lässt sich aber nicht zum Narren halten. Wo gibt’s die heute noch. Ich weiß es nicht, ich weiß nur, Obama war viel näher an Dobbin als Trump. Und auf russischer - sowjetischer Seite war das Michail Gorbatschow.

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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