Ein Rückblick und Ausblick

Rot-Rot in Berlin Tom Strohschneider (ND) im Gespräch mit Harald Wolf (die LINKE) über die Regierungsbilanz von damals und die Forderungen der Gegenwart und Zukunft.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Die Skyline von Berlin
Die Skyline von Berlin

JOHN MACDOUGALL/AFP/ Getty Images

Bloggen ist anders ist als Berichterstattung. Das ist auch gut so, denn so kann ich über die Veranstaltung, zu der die Rosa Luxemburg-Stiftung geladen hatte, auch allerlei abschweifende Anmerkungen machen. Harald Wolf, von 2002 bis 2011 Senator für Wirtschaft Arbeit und Frauen, sprach mit Tom Strohschneider – Chefredakteur des ND – über seine Publikation über die Regieurungsjahre in Berlin, die er kritisch und auch selbstkritisch betrachtet. visa-verlag Rot-Rot in Berlin

Die Frage, welche Spuren linkes Regieren legen oder hinterlassen kann, ob und wie es gelingt, als Regierungspartner im parlamentarischen Betrieb erkennbar zu bleiben, Kompromisse abzuwägen, die nun mal in einer Koalition erforderlich sind und sich doch nicht korrumpieren zu lassen, das war der Hintergrund in dem Gespräch und – mal wieder – sehr aktuell.

Damals in Berlin traf die rot-rote Regierung auf eine desolate Situation, auf die Folgen eines Bankenskandals, im Grunde der großen Immobilienkrise in den USA ähnlich. Eine Bank musste gerettet werden - etwas, das eine fast klassische linke Idiosynkrasie darstellt. Ein Haushalt musste saniert werden – wie immer – durch Kürzungen. Sanieren, Sparen, statt Verteilen, so Strohschneider. Die Wahlversprechen vorher waren anders. Rekordarbeitslosigkeit, ein aufgeblasener zweiteiliger Verwaltungsapparat, eine noch immer starke Spaltung in Ost und West. All das bestimmte jene Zeit noch immer.

Der Publizist Mathew D. Rose nannte die Metropole in einem Buch der 90er Jahre Berlin Hauptstadt von Filz und Korruption und setzte dies nach der der Jahrtausendwende erneut mit Warten auf die Sintflut - Über Cliquenwirtschaft, Selbstbedienung und die wuchernden Schulden der Öffentlichen Hand - unter besonderer Berücksichtigung unserer Hauptstadt fort.

Klientelismus

Griechenland

Das Stichwort dazu ist : Klientelismus Und – wenn man googelt oder anderswo ein bisschen recherchiert – landet man – ja wo – flugs in Griechenland.

Tom Stohschneider fragte nach bei Harald Wolfs Aussage: Rot-Rot vollzog eine Transformation von einem parasitär-klientelistischen Modell zu einem Modell »normaler« kapitalistischer Entwicklung. Damit ist noch kein Ausbruch aus dem Neoliberalismus verbunden. Zu glauben, man könne isoliert in einer einzelnen Stadt oder einem einzelnen Bundesland ein Gegenmodell zum Neoliberalismus entwickeln, wäre illusionär.

Auch hier kommt mir in den Sinn, dass es am Ende Alexis Tsipras - dem viel Gescholtenen und Kritisierten – in weit schlimmerem Maße so geht wie damals der LINKEN in Berlin. In Filz festgeklebte unentwirrbare Strukturen, die aufzubrechen unendliche Zähigkeit und auch Macht erfordert. Eine verkrustete Klientel-Gesellschaft in einen wenigstens "normalen Kapitalismus" zu verwandeln ist unter diesen Bedingungen ein kräftezehrender politischer Kampf und bei diesem Kampf springen Verbündete vom Wagen. Z. B. Yannis Varoufakis, der die Illusion hatte, dass das David und Goliath- Modell sich im Kampf gegen die Troika, die „Institutionen“ bewähren würde. Er kennt doch aber sein Land, das sich historisch noch immer mehr im Athener Klientilismus befindet als in der parlamentarischen Gegenwart.

Doppelte Zwänge - von außen

und von innen

Nur durch diese doppelten Zwänge – durch die Troika und durch die Klientel-Wirtschaft - lässt sich erklären, dass sich Syriza an Protesten gegen eigene Regierungsentscheidungen beteiligt. Sie tun es, um ein Symbol – sowohl gegen die Zange der Troika, als auch gegen jenen Klientelismus - zu setzen, der noch immer am Zuge ist. Deutlicher wird, dass manche rechtliche Maßnahme gerechtfertigt und notwendig war und ist, die – unter anderen Regierungen – verschoben wurde, weil die Klientel sie blockierte.

Beim Freitag habe ich – neben vielen anderen – auch einen Beitrag gefunden,der den Kampf des Mittelstandes und ganzer Berufs- und Bevölkerungsgruppen um diese Privilegien kritisch beleuchtet Auf die Barrikaden

Ohne Vorbereitung

und ohne genügend Kader

Zurück in die Berliner Jahre. Harald Wolf erinnert sich, dass es zu Beginn Zeiten gab, da waren er und manche in der Berliner PDS/LINKEN fast erleichtert, als es vorübergehend – unter dem Druck der Bundes-SPD unter Schröder – nicht nach Rot-Rot aussah. Syriza muss es ähnlich gegangen sein. Ohne Vorbereitung, Kader zu benennen, die einen Senatsposten übernehmen können, das war eine schwierige Kiste. Und – was mir noch in den Sinn kommt - plötzlich sein ganzes Leben ändern zu müssen, denn auch das ist die Folge eines solchen abrupten politischen Bebens – es intensiviert und erhöht das Lebenstempo, ein Stress, dem nicht Jeder und Jede sich aussetzen will.

Gregor Gysis

schneller Rücktritt

Gregor Gysi – Wolfs kurzfristiger Vorgänger – trat schnell zurück. Die Bonusmeilenaffäre ist bekannt. Und vielleicht auch das mit Hintergrund.Ob er die Mühen der metropolen Ebenen mied oder ob deutlich wurde, dass er an anderer Stelle – ohne Senatsverantwortung - nützlicher sein konnte, ich weiß es nicht. Immerhin geht aber auf ihn der Satz zurück, dass „Regieren ein Wert an sich". Mir gefällt der Satz, weil man ohne Regierungsmöglichkeit viele Instrumente einfach nicht nutzen kann. Bodo Ramelow hat das kürzlich mal angemerkt und es schien plausibel.

Harald Wolf hat sich über die Schwachpunkte jener Zeit geäußert – man kann sie in seinem Buch nachlesen – und auch über das, was ihm gelungen erscheint.

Was macht die LINKE

wenn es wieder ernst wird?

Mir ging durch den Kopf, was das alles mit neuen Ausblicken zu tun hat. Was macht eine LINKE, wenn es wieder ernst wird?

Dazu gab es einige Tage zuvor auch ein Gespräch. Diesmal in Potsdam – erfreulicherweise Weise als Video zu sehen.

Ist es so, dass der Kapitalismus entweder unrettbar verloren ist (Robert Misik) oder in einem „sozialistischen Kompromiss“ (Tom Strohschneider) so zu verändern sein müsste, was auch Verteidigung der parlamentarischen Demokratie bedeutet, um überhaupt linkes Handeln und politischesEingreifen noch möglich zu machen? Bedenkenswert. Beide haben dazu Bücher geschrieben.

Eine ganz aktuelle Meldung zum Abschluss. Auf der Potsdamer Veranstaltung und auch gestern wurde der Mangel an linker Solidarität mit Syriza und Tsipras thematisiert

SPD Chef kündigt internationale Konferenz mit Syriza an

Es ist abzuwarten, wie die LINKE darauf reagiert. Vielleicht hat es Sinn, wenn sich die SPD - via Syriza-Soli - auch von der CDU und der Kanzlerin absetzt - denn im Moment gibt es durchaus Chancen, über das Verhältnis zum gebeutelten Griechenland Profil zu gewinnen.

Die Medien sprechen von Frühwahlkampf.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden