Was Karl Marx nicht verstand war, was Macht wirklich ist. Er verstand diese eindeutig politische Sache nicht. Aber er sah eine Sache, nämlich, dass der Kapitalismus, sich selbst überlassen, eine Tendenz hat, alle Gesetze, die seinem grausamen Fortschritt im Wege stehen, außer Kraft zu setzen.
Aus: Hannah Arendt "Ich will verstehen"
Kommentare 13
Marx hat auch z.B. die innere Beschaffenheit der Materie nicht verstanden. Er hat überhaupt das meiste nicht verstanden. Ich verstehe noch weniger.
"der Kapitalismus sich selbst überlassen" macht Puffff und weg ist er. Es gibt keinen Kapitalismus als solches.
Was hat eigentlich Hannah Arendt alles nicht verstanden? - Ist ja auch unwichtig. Wichtig ist nur, was das Publikum zu verstehen glaubt.
Zumindest bei der richtigen Kommasetzung hakte es etwas.
Welche Gesetze stehen denn dem Kapitalismus im Wege?
Und wer hat sie erlassen?
Und was ist ein sich selbst überlassener Kapitalismus?
Wer überläßt denn da wem was?
Eine übergroße, imaginierte, fremde, nicht menschengemachte Macht?
Was ist denn daran so befremdlich. Was sie zu Marx Machtbegriff sagt, war mir jetzt weniger wichtig als ihre Einschätzung des - unkontrollierten - Kapitalismus, der keine Gegenmacht, keine eindämmenden Kräfte mehr fürchten muss. Es schien mir das zu sein, was den Neoliberalismus der vergangenen Jahrzehnte ausgemacht hat. Alle Gegenkräfte schienen "entkräftet" und der Kapitalismus damit sich selbst überlassen.
Also ich fand das sowas von einleuchtend und jetzt steht hier ein Dreigestirn und sagt: Ach was - pufff.
Hallo Magda,
der Gedanke dahinter ist ja richtig. Aber ist es nicht mal besser Ross und Reiter nennen, statt ihnen die Chance zu geben sich hinter einem anonymen Begriff zu verstecken.
Die üblichen Verdächtigen argumentieren ja auch so, als wäre der Neoliberalismus eine Naturgewalt.
Also wir haben - in vergangenen Zeiten - über den Kapitalismus in dieser Weise auch diskutiert.
Kapitalismus ist - wie Kapital - kein anonymer Begriff.
Sag mal, habt Ihr was gegen Hannah Arendt?
Der Kapitalismus ist keine Naturgewalt, aber ein mörderisches System.
Liebe Titta,
dem Kapitalismus hat die meisten Gesetze, die seinem Wirken im Wege stehen, schon aus dem Wege geräumt.
Erlassen haben diese Gesetze mal Leute, die mehr Schutz für die Antipoden des Kapitals, nämlich der Arbeit mehr Schutz zukommen lassen.
Wer überlässt das wem oder was. Die historische Entwicklung hat dem Kapitalismus für kurze Zeit - wie mir jetzt scheint - den Sieg überlassen
Titta, manchmal wundere ich mich über Dich.
Es geht momentan um nischt anderes, als darum, dass das gegenwärtige System - der Kapitalismus halten zu Gnaden - Gesetze versucht beiseite zu fegen, die seine Entwicklung behinderten (Kündigungsschutz, Mindestlöhne usw.) Auch der Versuch, in fremden Ländern die Demokratie zu verteidigen hat eine Gesetzesänderung erforderlich gemacht.
Ich weiß, dass Hannah Arendt mit ihrer Totalitarismusdoktrin - umstritten ist. Ich fand aber dieses Zitat sehr schlüssig. Ich bin da ideologisch nicht so verbohrt. Vieles von ihren Zeitdiagnosen ist für mich nachvollziehbar.
Sie hat - davon wissen die Frauenbewegten ein bisschen mehr - eine hervorragende Machtdefinition vorgelegt. Die hat weniger mit Zwang zu tun, als mit Zusammenwirken.
tinyurl.com/lp58n3
Es scheint als ob das Kapital
In seiner Gier und alledem
wie eine Seuche sich total
unaufhaltsam trotz alledem
über unseren Planeten legt
überwältigt und beiseite fegt
was sich ihm nicht freiwillig
unterwerfen will trotz alledem
Das ist der Hannes Wader, der singt auch vom Kapital und dröselt nicht alle Kräfte auf, die dahinter stehen usw.
Hallo Magda,
ich habe nix gegen Hannah Arendt.
In Großstädten gibt es oft zwei rivalisierende Banden. Sie teilen die Stadt unter sich auf. Die Bürger müssen "Schutzgeld" zahlen, um unbehelligt leben zu können. Die Konkurrenz zwingt die Banden gewisse Nettigkeiten in ihr System zu integrieren. Diese Konstellation wird von der Polizei befürwortet, da sie die zweitbeste Lösung darstellt.
Ganz schlimm für die Bürger wird es, wenn eine Bande die andere ausschalten kann. Dann verlieren sie jede Hemmung und die Bürger erleben ein enthemmt verbrecherisches System. Sie leben unter dem Regime der Gewalt.
Es ist durchaus möglich, über die Ausgestaltung des "Schutzgeldsystems" zu debattieren. Das wird nicht gerne gesehen aber geduldet. Es ist auch möglich es leicht zu modifizieren oder es sogar in "Soziales Schutzgeld" umzubenennen.
Kritisch wird es, wenn man anfängt, sich zu fragen, wer denn diese Verbrecher konkret sind, warum sie ihr Unwesen treiben können, obwohl es doch Ordnungshüter gibt und warum ihnen nicht das Handwerk gelegt wird. Dann ist man faktisch schon tot.
Eine Debatte über das "System" als solches festigt es und gibt ihm Relevanz, ändert aber nichts am wirklichen Übel.
"Das ist der Hannes Wader, der singt auch vom Kapital und dröselt nicht alle Kräfte auf, die dahinter stehen usw."
Eben, der singt ohne aufzudröseln und wir haben heutzutage einen starken "Kapitalismus" wie nie zuvor. Wenn es doch alles so sinnig ist, frage ich mich warum das Ergebnis so mager ist. Ist es daher nicht besser neue Ansätze zu suchen?
ich habe nicht viel vorwissen, was ich einbringen kann, ich habe den zitat nicht als zweifel an marxs kompetenz verstanden sondern als überspitzung und eigentliche im inhalt, dass der kapitalismus als system seine übermacht heute so offen zeigen kann,
wobei ich auch eher bei streifzug bin, dass kapitalismus von bestimmnten schichten, nein auch so eine nebelwand, von ganz bestimmten personen, mit namen, adressen, ihren firmen und lobbys in eine art kannibalismus getrieben wird. traurig und folgenschwer für millionen menschen, vielleicht mein galgenhumor, aber auch erfreulich, weil ehrlich. jetzt kann keiner sich hinter passivität verstecken, als hätten sie es nicht sehen können. wer will und kann bezieht position, wer nicht, der hats nicht anders verdient.