Ein-Vater-Demo in der S-Bahn

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion


Ich saß nach einem Zahnarztbesuch erleichtert und gedankenverloren auf meinem Platz in der S-Bahn von Charlottenburg nach Friedrichstraße, als sich ein junger Mann mit zwei Plakaten und viel Energie mir gegenüber auf den Sitz plumpsen ließ. „Mehr Rechte für Väter“ las ich auf dem kleinen, das andere hielt er mit der Schrift nach unten. Da stand so etwas wie „Gegen Väterdiskriminierung“.

Mein aufgescheuchter Blick veranlasste ihn zu der beruhigenden Bemerkung: „Keine Sorge, ich tue Ihnen nichts“, worüber ich meine Befriedigung mit einem „aha“ bekundete. Das nun wieder nahm er als Aufforderung und Ermutigung, mir Sinn und Ziel seiner Fahrt zu erläutern. Ob ich wohl wüsste, das hierzulande Millionen Väter litten, er sei so einer, die beiden kleinen süßen Mädchen auf dem Plakat – er hatte zwei Passfotos angebracht – seien seine Kinder, die er aber leider selten sehen dürfte. Was Umgangs- und gemeinsames Erziehungsrecht beträfen, seien Frauen ja ständig bevorzugt.

Virtueller Jammer

Konkrete Begegnung

Der ganze in zahlreichen Internetportalen lautstark dokumentierte Jammer, war hier in einer Person gewissermaßen konkret geworden. Und das ist dann immer eine andere Kiste als die virtuellen und anonymen Leidensleierkastenlieder, die beim „Väternotruf“ zu lesen sind.

„Ist heute eine Demo für mehr Väterrechte?“ fragte ich ihn. „Nein“ , erklärte er , er ginge jetzt allein zum Bundestag und demonstriere da mit seinem Schild. Er habe Umgangsrecht mit seinen Kindern, erst zweimal in der Woche, jetzt nur noch einmal. Es sei doch unmenschlich, wie die Väter entsorgt würden. Ich meinte, dass ich seine Situation ja gar nicht erfassen könnte, weil ich seinen Hintergrund nicht kenne. So ging das hin und ging her. Ich meinte auch, es sei doch gerade ein Gesetz ergangen, dass die gemeinsame Sorge zur Regel mache. Und auch beim EuGH sei doch eine väterfreundliche Entscheidung ergangen. Aber das alles war nicht das Problem. Er wollte mehr als das Umgangsrecht, sondern gemeinsames Erziehungsrecht. Ich beharrte auf meiner Unkenntnis über die Details seines Problems. ich fände ja auch, dass viele Dinge, die zwei Menschen vielleicht mit Vernunft untereinander lösen könnten, „verrechtlicht“ seien. Ja, so sei das, in Deutschland sei man mit Sachen, die man nicht per Gesetz eindeutig lösen könne, ganz hilflos. So redete er und redete.

Lybien und Syrien

und was ist mit mir

Im Bundestag da gehe es heute um Libyen und Syrien und um Geld, aber um die Probleme der Menschen hierzulande kümmere sich niemand.

Die anderen Leute im Abteil lauschten aufmerksam, ein Herr auf der anderen Seite bekundete sein Mitgefühl, er habe „das alles“ schon hinter sich. Das war meine „Rettung“, denn jetzt wandte er sich diesem zu und bald schon waren wir am Bahnhof Friedrichsstraße angekommen, wo ich und auch er aussteigen mussten. Er wollte ja zum Reichstag, sich dort aufstellen.

Ich fand interessant, welche statistischen Dimensionen das Väterelend aus der Sicht des Vertreters in der S-Bahn hatte. Sind das wirklich „Millionen?“. Gibt es nicht auch Millionen einvernehmliche Regelungen?

Wie viele Frauen rennen dem Unterhalt für ihre Kinder hinterher, wie viele Alleinerziehende haben keine Stütze an ihrem Partner oder dem Kindesvater? Was wäre, wenn die sich zu einem Protest formierten?

Der junge Mann beklagte Rechtslagen, wollte Verständnis, aber pochte dabei auch auf das Recht.

Aber, aber, aber...er war als Person so nett.

Ich fragte, ob ich ein Foto von ihm machen dürfte und erklärte, dass ich hin und wieder blogge. Das gestattete er und – weil konkretes Leben eben immer anders ist als virtuelles Streiten - soll er hier dokumentiert sein.

https://lh5.googleusercontent.com/-aKqdxEqYBrg/TqGPwVZeObI/AAAAAAAACvk/z2SrPbCItRo/s288/Plakat.jpg

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden