Eine Bombendrohung

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Es war ein richtiges Gottesgeschenk - das Wetter in Leipzig. Nach drei schönen Tagen rückte ich gestern Abend am Bahnhof an und wollte den - recht preisgünstigen - Interconnex besteigen. Die Fahrkarten hatte ich günstig im Internet erstanden.

Erst stand an der Anzeigetafel- Ankunft mit 10 Minuten Verspätung. Dann sagte man durch, dass der Zug 60 Minuten Verspätung hat, am Ende drohten sie mitdreistündiger Verspätung. Dazu muss man wissen, dass dieser Zug aus Berlin kommt und dann von Leipzig –wieder über Berlin nach Warnemünde fährt. Er musste also zwischen Berlin und Leipzig irgendwie hängen geblieben sein.

Die Durchsage verwandelte einen Bahnsteig voll Reisender in einen Bahnsteig voll Handybenutzer. Auch ich kommunizierte mit meiner Freundin, um ihr die Neuigkeit zu verklickern. Sie bot mir an, ich könnte doch zurückkommen und noch eine Nacht bei ihnen verbringen. Warum ich das nicht wollte, wäre der Stoff für eine weitere längere Erörterung, die nur ablenkt. Grob gesagthatte es mit den niedrigen Betriebstemperaturen in ihrem Wohnbereich zu tun.

Der Witz wollte noch, dass ich mein Leipziger Tagesticket - auch eine völlig sinnlose Erwerbung - gerade an zwei junge Leute weitergeschenkt hatte.

Neben dem Interconnex-Bahnsteig war ein IC angezeigt, der aus München kommend - weiter nach Berlin-Gesundbrunnen fahren sollte. Ich lief hektisch sinnend auf und ab und fragte mich, ob ich nun warten sollte oder lieber in diesen Zug einsteigen. Solche Entscheidungen sind irgendwie kräftezehrend, finde ich. Es würde mich mindestens noch einmal fast 30 Euro kosten, das Ticket und wahrscheinlich sowieso brechend voll werden. Auf der anderen Seite: Dieses sinnlose Warten in Leipzig, die Ungewissheit und meine Ungeduld – das gab den Ausschlag.

Irgendwann lief der Zug ein und wurde auch von anderen Interconnex-Enttäuschten gestürmt. Der Zufall wollte, dass ich am Bordrestaurant einstieg, wo ich einen Sitzplatz an einem Zweiertisch mit einer ebenfalls älteren Dame ergatterte. Ichhockte mich aufatmend hin. Der Zugführer sagte durch, dass auch dieser IC leider umgeleitet werden müsste und nicht über Lutherstadt Wittenberg sondern über Dessau führe und dies auch noch mit ein wenig Verspätung, für die er um Geduld bitte. Mir blieb nichts anderes übrig, als sofort einen Piccolo zu bestellen. Der Service war nicht in Mitleidenschaft gezogen. Das erfüllte mich mit Durst und Dankbarkeit.

Irgendwann fuhr der Zug an, die Leute standen in den Gängen ,ich half mir den Sekt ein und versuchte, meinen Mann per Handy zu erreichen.Das versuchte ich im Laufe des Abends viele Male und weil ich immer wartete, bis eine freundliche Stimme mir die Vergeblichkeit meiner Bemühungen bestätigte, vertelefonierte ich fast 15 Euro.

Ein zweiter Piccolo musste her, um das zu überwinden. Dann kam die Schaffnerin und ich löste mein Ticket. Eine Bombendrohung sei die Ursache, erklärte sie auf Anfrage und ergänzte dann noch: „Das kommt jetzt häufiger vor“. Mehr war nicht rauszukriegen. Aber mein glückliches Naturell paarte sich mit der Rotkäppchen-Zufuhr und ich war erst mal ganz vergnügt und beschloss, in Berlin zum Ankunftsbahnhof des Interconnex zu gehen. Entweder würde mein Mann dann dort noch stehen oder wir müssten uns eben zu Hause treffen.

Als der Zug in Berlin – mit einstündiger Verspätung – einlief, blickte ich mich auf dem zugigen und unfreundlichen Hauptbahnhof-Bahnsteig um und konstatierte erneut, dass diese Bahnanlagen so menschenfeindlich, öde und zugig sind dass es einen graust. Ich sah auf das Ankunftstableau und stellte fest, dass der Zug, mit dem ich normalerweise angekommen wäre, einen Bahnsteig weiter einlaufen würde. Ich drehte mich um in diese Richtung. Und wen sah ich dort, einsam stehend und geduldig? Meinen Mann. Ich rief ihn an und er hörte mich sofort, weil der Zug gerade rausgefahren war und eine gespenstische Ruhe hinterlassen hatte, in die nun mein Ruf hineingellte. Das war mir aber egal.

Mein Mann berichtete mir, dass auf diesem Bahnhof kein Schwein Bescheid gewusst hätte, aber er habe das Zugpersonal eines anderen IC direkt gefragt. Die hätten ihm erläutert, dass es wohl dieser Interconnex direkt gewesen sei, der eine Bombendrohung, mit Bekennerschreiben, erhalten habe. Deshalb stehe er in Lutherstadt-Wittenberg oder in der Gegend. Wir fuhren nach Hause und feierten unser Wiedersehen mit weiteren Getränken – Bier und Sekt. Es war am Ende richtig lustig und als ich die letzten Minuten der Anne Will Sendung ansah, feierte ich auch noch, dass ich diese Sendung nicht ganz hatte sehen müssen.

In den Nachrichten ist die Bombengeschichte bisher nicht aufgetaucht.

Auf jeden Fall war das keine billige Reise, aber, wenn ich daran denke, dass ich mal in München auf dem Flughafen ein BusinessClass Ticket nach Berlin für 250 Euro nachlösen musste, weil ich zu spät zum Einchecken für den gebuchten preiswerten Flieger gekommen war, kam ich diesmal glimpflicher davon.

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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