Eine "Lanze" für die Pazifisten

ARD Monitor Ist der Einsatz für eine friedliche Lösung im Nahost-Konflikt antiquiert oder basiert er viel mehr auf Realismus und Vernunft?

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Gestern war bei Monitor ein äußerst erstaunlicher und hervorragender Beitrag zu besichtigen.

Es ging um die Frage, ob man angesichts von Kobane, der von IS-Truppen bedrohten syrischen Stadt, militärisch eingreifen sollte. Z.B. mit einem UNO-mandatierten Militäreinsatz, wie ihn Frau Karin Göring Eckhard von den Grünen befürwortet , der hier beim Freitag auch einen Blogger-Beifall erhielt.

Monitor trug alles an Argumenten zusammen, was für einen häufig verlachten Pazifismus spricht und plädierte erneut dafür, nicht immer nur Brandbekämpfung zu leisten, sondern auch die Hintergründe zu beleuchten und bei der Entscheidung zu bewerten.

Dass Monitor dabei eine Lanze für die „Friedens-Mahnwachen“ - in diesem Falle in Dortmund – bricht, macht eine Zusatzkonfliktfeld auf, mit dem ich mich jetzt nicht beschäftigen will.

Zu Wort kommen bei Monitor:

Hugh Pope – Analyst, International Crisis Group

Michael Lüders – Nahostexperte, der das Auswärtige Amt berät.

Unbedingt zu empfehlen.

Deutlich wird an dem Beitrag erneut, dass die Methode, wie die USA Verbündete im jeweiligen Konfliktfeld finden und wieder verwerfen, das Chaos vergrößert und keine Lösung bringt.

Resümee der Sendung: Was sich im Irak und in Syrien abspielt, macht deutlich: Keine einzige Intervention war erfolgreich. Ein Konflikt befeuert den nächsten

Lüders meint: „Der Islamische Staat wäre gar nicht entstanden, wenn die Amerikaner nicht Saddam Hussein gestürzt hätten. Nach dem Sturz wurde die konfessionelle Karte gespielt: Schiiten gegen die Sunniten, die unter Hussein privilegiert waren. Die Sunniten wurden an den Rand gedrängt und liefen der IS zu. In Syrien lieferten die USA Waffen an Aufständische. Und dort bildeten auch die Mehrzahl Dshihadisten.

Wenn es um Alternativen geht, plädieren die Autoren der Sendung für vermehrte Flüchtlingshilfe und – aufnahme, für eine entsprechende Unterstützung der Türkei für eine vermehrte Initiative, die umliegenden Staaten an einen Tisch zu bringen und dafür, dass z. B. Russland und Amerika an einem Strang ziehen.

Das Bemerkenswerteste an der Sendung war, dass sie so einheitlich Pro-Verhandlungslösungen ausgerichtet war, denn sie hat nichts wirklich Neues vermittelt. Aber, durch die Eindeutigkeit, mit der hier für Verhandlungslösungen, gegen militärische Einsätze plädiert wurde, verlieh ihr höchste Aktualität.

Ein erhellendes Buch
Von Gret Haller

Dass die US-amerikanischen Strategien in der Region kontraproduktiv, höchst gefährlich und am Ende zerstörerisch sind, wird allgemein als das Verhalten einer imperialen Macht, die nur „Teile und Herrsche“ kennt, erklärt. Das ist es auch, aber nicht nur. Es hat einen ideengeschichtlichen Hintergrund, der das Verhalten ebenfalls ganz einleuchtend erklärt und aus Sicht der USA eine Art Legitimierung bildet.

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Mir kam bei der Gelegenheit erneut ein Buch in den Sinn, das ich vor Jahren schon mit großem Gewinn gelesen habe:

Gret Hallers „Grenzen der Solidarität. Europa und die USA im Umgang mit Staat, Nation und Religion“.

Es ist bereits 2002 im Aufbau-Verlag erschienen. Es setzt sich – sehr lang und breit - mit den von Europa abweichenden Elementen im US-amerikanischen Staats- und Demokratieverständnis auseinander.

Die Autorin - Juristin und Politikerin - war von 1996 bis 2000 Menschenrechtsbeauftragte der OSZE für Bosnien und Herzegowina in Sarajevo. In dieser Mission hatte sie oft mit Amerikanern zu tun und stellte profunde Differenzen fest.

Dass die USA schon immer energische Gegner von „zuviel Staat“ waren, ist bekannt. Viele Debatten gibt es um dieses Thema. Dies zeigte sich auch in Bosnien Herzegowina. Dort haben sie – im Abkommen von Dayton - auf die ethnischen Zugehörigkeiten gesetzt und damit neue Konflikte geschaffen, die bis heute für ständige Spannungen sorgen.

Die Rechte einzelner Gruppen gegeneinander zu setzen, das scheint aus der Sicht der USA zu einer Balance zu führen, die am Ende allen nützt. „Checks and Balances“ mögen da Pate gestanden haben. Aber das war und ist in Gebieten, die (noch) kein so bindendes, übergreifendes, einigendes Gesellschaftsverständnis haben gefährlich und schafft eine Instabilität, die bis auf den heutigen Tag gefährlich geblieben ist. So wie in Bosnien.

Die gleiche Art der politisch exekutierten Staatsferne scheint sich auch in Nahost zu zeigen:

Hier ist das – eher europäisch verwurzelte - Konzept der einigenden Staatszugehörigkeit durch das Agieren der USA komplett in Gefahr. Wenn man bedenkt, dass gerade in diesen Territorien, deren Staatenbildung ohnehin fragil ist und wenig geschichtliche Vergewisserung hat, nun wieder Gruppierungen – religiöse und ethnische – verstärkt gegeneinander kämpfen und gegeneinander von außen „gestärkt“ werden, dann wird deutlich, dass das USA-Konzept, das Gret Haller sehr umfangreich aus dessen Religionsverständnis, und politischen Geschichte herleitet, eine ständige Bedrohung, ständig neue Konflikte generiert. Noch dazu, wenn innerhalb kurzer Zeit, die unterstützten Gruppen zu Gegnern und dann wieder Verbündeten werden. Und - hier wird aus „Checks and Balances“ das „Teile und Herrsche“ einer imperialen Macht, die sich Einfluss erhalten will und keine segensreiche Auseinandersetzung. Das Buch ist kompliziert zu lesen. Das meinten auch einige der damaligen Rezensenten.

Meine Darstellung ist reichlich verkürzt. Wenn es sich machen lässt, hätte ich nicht übel Lust, mal wieder so ein Buch als Leseblog zu verwenden und einzelne Kapitel vorzustellen. Egon Bahr nannte es eines der wichtigsten Bücher, die er gelesen hat.

Sehr hilfreich schien mir dieser Monitor-Beitrag, der einmal mehr deutlich macht, dass es für Europa höchste Zeit ist, sich deutlicher von US-amerikanischen Rezepten im Umgang mit Konflikten zu emanzipieren. Dann wird sich zeigen, ob das europäische Staatsverständnis hilfreicher ist oder ob sich ganz andere Formen des Zusammenlebens in dieser Region etablieren, was wieder für Israel neue Probleme schaffte.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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