Also man - in diesem Falle ich - denkt ja manchmal, man hängt hinterher, weil man vielleicht auch nicht mehr so absolut schnallt, was nun wirklich mutige Avantgarde und was nichts weiter als ganz braves Zeug mit avantgardistisch aufgestellter Girlande ist.
Aber heute nach der Lektüre eines Interviews des Herausgebers J.A. mit der Frankfurter Rundschau ist meine Welt wieder in Ordnung. Da gehts natürlich hier um dieses Experiment und die vielen guten Absichten.
Was über die Boulevard-Zeitungen gesagt wird, ist mir in diesem Lande der übergroßen Häme und einer gewissen groben Witzlosigkeit und bei diesen monopolistischen Strukturen nicht so schlüssig, aber bitteschön. Bei den Menschen sein kann man vielleicht auch ohne ständigen Krawall.
Aber hocherfreut las ich den Satz:
"Oh Gott, bitte gib uns noch ein bisschen Zeit und lass die Zeitungen nicht so schnell sterben, weil sonst das Feld brach liegt. Wenn Don Alphonso und Sascha Lobo diejenigen sind, die diese Lücke in Zukunft ausfüllen sollen, dann kann ich nur sagen: Herzlichen Glückwunsch!"
Ha, dachte ich bei mir, man soll seinen eigenen Erfahrungen und dem eigenen Misstrauen eben doch trauen. Vor allem bei Sascha Lobo kam mir sogleich eine eigene Worterfindung in den Sinn: Anarchofunktionär.
Ich will aber gar nicht weiter meckern über andere Leute, vor allem, wenn man sie - nach solchen Einschätzungen - beruhigt abhaken kann.
Kommentare 2
Hi Magda;
danke für diesen Blog! Stimme Dir weitgehend zu. Und danke! - sonst hätte ich auch das Interview mit JA nicht gelesen. Ich bin auch ganz mit ihm. Er sagt das, was ich unter Journalismus und Zeitungmachen verstehe. Und da freue ich mich drüber.
Das mit dem Satz und dem Anarchofunktionär habe ich noch nicht verstanden (zitiere I.D.A. Liszt bzw. Winnie Puuh). Kannst Du mir das nochmal auseinanderklamüsern?
"Was über die Boulevard-Zeitungen gesagt wird, ist mir in diesem Lande (...) nicht so schlüssig, aber bitteschön. Bei den Menschen sein kann man vielleicht auch ohne ständigen Krawall."
Kurz aus dem Nähkästchen: Ich hatte bereits für Tageszeitungen und Hochglanzmagazine gearbeitet (alles bürgerlich bis elitär), studiert und landete dann ... bei der "Hamburger Morgenpost" als Lokalredakteurin. Das ist ja Boulevard, aber gleichzeitig eine alte SPD-Zeitung. Wolfgang Clement war tatsächlich mal Chefredakteur. Döpfner allerdings auch...
Es hat wahnsinnig Spaß gemacht, eben weil es eine "linke" Boulevard-Zeitung war (heute nicht mehr so). Springer wäre für mich nicht in Frage gekommen. Und es war unglaublich hart. Vieles hat mir nicht gepasst, die Nackten und die Leichen-Fledderei... Aber ich habe sehr viel dazugelernt. Journalistisch ist das vielleicht manchmal schmierig, verwerflich, manipulativ - aber ganz großes Handwerk. Boulevard-Journalisten finden deshalb eigentlich immer einen Job, auch im Nicht-Boulevard. Und manch einem "bürgerlichen" Schreiber mit notorisch höher gelegter Nase täte das mal ganz gut, in diese Niederungen herabzusteigen.
Die Überschriften! Das ist manchmal ganz großes Kino! Z.B. gestern: "Karl Lagerfeld beleidigt UNSERE Heidi!" Unsere?!
Und, auch da bin ich mit JA, sie schreiben das, was viele bewegt und beschäftigt. (Manchmal auch das, was nach ihrer Meinung viele bewegen und beschäftigen SOLL). Das muss im Blick bleiben. Vom Boulevard können wir da einfach immer wieder lernen (Leser-Blatt-Kontakt).
Herzliche Grüße, Anna
Hallo,
Ohje, wenn man seine eigenen Einlassungen erklären muss, dann waren sie nicht gut. Ich will hier auch nicht dreimal Leute schmähen, die mir nichts getan haben.
Ein Anarchofunktionär ist einer, der sich anarchisch gibt und es nicht ist und das trifft auf solche Größen, wie sie JA ein bisschen in seinem letzten Satz "hochnimmt", zu.
Klar, ich kann mir gut vorstellen, dass Boulevard-Journalismus sehr kreative Seiten hat. Das muss man schon können.
Schon so Schlagzeilen wie
"Wir sind Papst" oder mir die Liebste:
"Kannibale fraß Berliner auf".
Immer mal auch mit dem Entsetzen Scherz zu treiben.
Aber mir scheint eben diese Parteinahme für die "kleinen Leute" oft sehr manipulativ und nur scheinbar. Andererseits - wenn das intelligente Leute machen, die keine Zyniker sind - dann gehts schon.
Beste Grüße
auch vom "gebürsteten Igel"