Er bleibt sich treu

Oskar Lafontaine Schon vor Jahrzehnten haben Oskar Lafontaines politische Haltung und sein Handeln zur Asylpolitik heftige Debatten ausgelöst. Seitdem hat sich wenig geändert

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Soziale Gerechtigkeit – aber nur wenn der Pass stimmt. Oscar Lafontaine (li.) 2004
Soziale Gerechtigkeit – aber nur wenn der Pass stimmt. Oscar Lafontaine (li.) 2004

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Ich kann mich noch erinnern, wie wir Anfang der 90er Jahre über die Änderung des Asylrechts diskutierten. Ich saß damals in einer Weiterbildungsmaßnahme "Frauen ins politische Ehrenamt" und eine junge SPD-Politikerin, die später am Bundesverfassungsgericht tätig war, erklärte uns, dass wir ja nicht wirklich alle aufnehmen könnten. Wer wollte da wohl widersprechen.

Diese Wendung machte ihren Weg durch die Jahrzehnte

1992: Verschärfung des Asylrechts nach Lichtenhagen und Solingen

Nach den ausländerfeindlichen Krawallen in Rostock und Hoyerswerde, nach den brennenden Häusern in Mölln und Solingen sah die damalige CDU-Bundesregierung unter Kohl die Gelegenheit als günstig, das Asylrecht einzuschränken.

Lafontaine: Kein Zutrittsrecht für alle Erdbewohner

Einer, der damals – innerhalb der SPD – um diese Änderung des Asylrechtes heftig warb, war Oskar Lafontaine, saarländischer Ministerpräsident, Bundesratspräsident und stellv. Parteivorsitzender. Er schärfte seinen Genossen ein, dass ein „einzelner Industriestaat nicht alle politisch Verfolgten dieser Welt aufnehmen könne.“ Es könne, so sagte er kein "Zutrittsrecht für alle Erdbewohner" geben. So erinnert sich die Orientalistin Sonja Hegasy in einem Beitrag für die Frankfurter Rundschau an eine Veranstaltung der SPD zu jener Zeit und an die überschießende Polemik von Lafontaine .

So ist diese Wendung, die unwiderlegbar ist, eine Art populistischer Singsang geworden. Dass die SPD und nicht Sarrazin oder gar die Merkel sie gar angestimmt haben, ist ein interessantes Detail.

In Bezug auf die Asylfrage, gab die SPD am 6. Dezember 1992 ein zentrales Element ihrer sozialdemokratischen Identität auf, erklärt Sonja Hegasy in ihrem Beitrag aus dem November 2015.

Beginn schon viel früher

Die Debatte über „Asylmissbrauch“ hat Lafontaine schon viel früher – 1989/1990 - aufgebracht, weil er damit auf „Ängste“ der Bevölkerung über bettelnde Roma in ihren Städten reagieren wollte. Er hat schon damals berichtete der Spiegel vorgeschlagen, dass jene Völker von der Asylgarantie ausgeschlossen werden sollten, in denen „nach allgemeiner Überzeugung“ keine politische Verfolgung stattfindet. Dies wäre aber eine massive Grundrechtsänderung gewesen, denn noch immer ist das Asylrecht ein individuelles Recht. Lafontaine meinte damals, gemeinsam mit der CDU: Flüchtlinge aus Ländern, in denen es keine politische Verfolgung gäbe, hätten auch keinen Anspruch auf eine individuelle Prüfung von Asylanträgen.

Zum Thema Lafontaines Ausländerpolitik meldete sich 2005 Ulla Jelpke, (MdB/Linke) in Ossietzky zu Wort:

"Im Sommer 2004 verteidigte Lafontaine die Pläne von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD), in Nordafrika Lager für Flüchtlinge einzurichten, damit diese nicht mehr versuchen, in Booten die italienische Küste zu erreichen. Diese Abschottung gegen Flüchtlinge, für deren Durchsetzung SPD-Politiker wie Dieter Wiefelspütz sogar den Einsatz der NATO forderten, wurde von allen Menschenrechtsorganisationen heftig kritisiert. Lafontaine dagegen schrieb in einem Beitrag für die Bild- Zeitung, Schily habe Recht mit seinem Vorschlag. Als Begründung benutzte Lafontaine die Behauptung, unter »den 15 Prozent«, die Afrika verließen, seien »nicht die Schwachen, die Alten, die Kranken und die elternlosen Kinder«. Es seien in der Regel vielmehr »die Gesunden, die Leistungsfähigen, die nach Europa wollen, um besser zu leben«. Lafontaine fügte hinzu, es wäre gerechter, die Hilfen für Afrika aufzustocken, statt die Sozialausgaben für die ankommenden Flüchtlinge weiter zu erhöhen.

Sie meint, dieses Gegeneinanderausspielen verschiedener hilfsbedürftiger Gruppen sei ein typisches Argumentationsmuster der Konservativen.

Es wird deutlich, dass Lafontaine - in der Tat – immer die gleichen oder ähnliche Argumentationsmuster verwendet, wenn er zu Asyl-, Flüchtlings- und Migrationsfragen Stellung nimmt.

Wenn ich also in meinem Blogbeitrag frage, wohin Lafontaine driftet, dann korrigiere ich das, weil das eigentlich keine Frage ist: Lafontaine „driftet“ in Migrationsfragen nirgendwohin. Da war er schon immer ziemlich rechts – auch innerhalb der SPD. Dass er seine politische Auffassung und seine Handlungsvorstellungen nun auch innerhalb der Linken zur am meisten gehörten Stimme machen will. macht das Interview in der Welt deutlich.

Also Lafontaine sagt, nichts, was er nicht schon früher vertreten hätte. Nur im Moment "dröhnt" es auch ordentlich laut in die politische Landschaft.

Als Lafontaine in der Frage der Regulierung der Finanzmärkte so entschieden agierte und am Ende mit Protest zurücktrat, war das überzeugend und imponierend. Dass er dann die Linke als Racheinstrument gegen seine eigene Partei ausbaute und in Stellung brachte, zeugt von seinem politischen Talent.

Dafür Respekt, mehr aber auch nicht.

Meine Recherchen führten mich – nebenbei - auch zur sog. Petersberger Wende der SPD, die nicht nur zum „Asylkompromiss“ von 1992, sondern auch zur Zustimmung der Sozialdemokraten zu Militäreinsätzen im Rahmen von UN-Friedensmissionen führte. Da allerdings bremste Lafontaine andere Genossen – Engholm und Klose - deutlich, die über die Zustimmung zu Blauhelm-Aktionen hinaus wollten.

Ulla Jelpke stellte in ihrem Beitrag auch noch fest:

Sehr merkwürdig war beispielsweise der Zuspruch, den Lafontaine dem Frankfurter Polizeichef Wolfgang Daschner spendete, als dieser einem inhaftierten Kindesentführer mit Folter drohte. Obwohl das Grundgesetz, die Europäische Menschenrechtskonvention und die Anti-Folter-Konvention der UNO die Folter klar verbieten, setzte in der BRD eine Debatte ein, deren eindeutiges Ziel es war, dieses Verbot zu relativieren. Selbstverständlich würden in Deutschland dann bald alle Dämme brechen. Schon jetzt ist deutlich zu beobachten, wie sich diverse Äußerungen von Verständnis für die Anwendung von Folter auswirken: Drei Grundgesetz-Kommentare halten jetzt Folter unter bestimmten Umständen für statthaft. Eine solche Erosion des Grundrechtsbewußtseins wäre noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen. Vorgearbeitet hat vor allem die Bild -Zeitung – in der Lafontaine lange Zeit regelmäßig eine Kolumne schrieb.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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