Erste Reise nach der Wende - ein bisschen krank

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Mauerfall-Reminiszenzen habe ich schon malniedergelegt.

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Meine erste Reise nach der Wende machte ich zur Evangelischen Akademie Tutzing. Eine der vielen Ost-West-Dispute wurde dort veranstaltet, und der Journalistenbund der DDR hatte die Teilnahme organisiert. Ich musste mit dem Flieger von Berlin-Schönefeld über Prag, aber mein Gepäck kam nicht mit. Das sah ich erst sechs Wochen später wieder.

Von Prag fuhren wir mit einem Kleinbus über die tschechisch-deutsche Grenze zum Ziel. Dort konnte ich mit meinen Spesen ein bisschen Wäsche und sanitäre Sachen einkaufen.

Überhaupt bestand die Sorge meiner nächsten Tage darin, in der Nähe von sanitären Anlagen und mit Sanitärartikeln ausgestattet zu sein, denn bei mir war eine lange schon lauernde Frauenkrankheit ausgebrochen. Trotzdem beteiligte ich mich engagiert an den Debatten, aber en detail weiß ich nichts mehr. Ich weiß nur, die Art dieser Krankheit hätte reichlich Metaphern für eine spätere Ost-West-Erzählung geliefert. Die DDR weiblich konnotiert und Begriffe wie „ausbluten“ hätten sich in einer Novelle, vielleicht auch gut verwenden lassen. Aber, es war die reine unangenehme Realität, die mir widerfuhr. Krankheiten richten sich nicht nach den historischen Ereignissen. Obwohl: Der Stress hat bestimmt eine Rolle gespielt.

Jeden Tag grübelte ich, ob ich nicht in Tutzing zum Arzt gehe, man hätte mich sicherlich behandelt und wenigstens Milderung geschaffen, aber ich schob es auf. Es war so ein richtiger "Grenzfall". Am Tag vor der Abreise, weigerte ich mich, mit diesem alten Kleinbus über Prag zu fahren. Das hätte ich nicht überstanden. Also bekam ich ein Eisenbahnticket von München nach Berlin finanziert. Zwei freundliche Österreicher, denen klar war, dass es mir nicht gut ging, verfrachteten mich herzlich aber ohne jede laute Neugier in ihr Auto und nahmen mich nach München mit. Ich hockte im Fonds und träumte, wie schön es wäre, wenn sie bis Berlin durchführen. Ich fühlte mich so geborgen bei ihnen. Aber es kam der Hauptbahnhof, die nächste schlimme „Attacke“ und ich besuchte kurz die Bahnhofsmission. Man bot mir an, mich ins Krankenhaus zu bringen, aber das wollte ich nicht, ich hoffte noch immer, halbwegs gerade nach Hause zu kommen.

Der Zug war mäßig besetzt. Mir gegenüber saß ein mittelalterlicher Herr, der mich besorgt musterte und nach meinem Befinden fragte. Ich redete mich auf eine Erkältung raus. Mir ging es inzwischen etwas besser und ich unterhielt mich mit dem Reisenden ein wenig. Worüber weiß ich wieder nicht, aber Ost-West spielte ganz sicher eine Rolle. In Erinnerung ist mir seine reservierte stilvolle Freundlichkeit. Er lud mich zu einem Piccolo Sekt ein, erzählte mir von seiner Stadt – er stammte aus Coburg – und ließ mich als ich schweigsamer wurde, in Ruhe. Solche Erfahrungen habe ich in persönlichen Begegnungen immer wieder gemacht. Es gibt so eine bürgerlich-gebildete Höflichkeit, die auch aus einem menschenfreundlichen Sinn kommt und die mir in meiner Situation besonders wohl tat.

Dann kam der Grenzbahnhof zur DDR und es stürmten Hunderte von Menschen den Zug. DDR-Bürger auf der Rücktour. Ich kriegte Panik, weil ich fürchtete, ich komme nicht mehr zu meinem Lieblingsaufenthaltsort durch während der Fahrt. Aber, bald verließen sie alle wieder den Zug und ich fuhr mit einer einzelnen Dame weiter. In Berlin herrschten noch immer die üblichen Ost-Zustände und ich musste endlos stehen, bis ich ein Taxi erwischte. Aber ich habe es überstanden .Heulend kam ich zu Hause an und am nächsten Morgen fuhr ich zu meiner Ärztin. Von da gleich ins Krankenhaus.

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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