Esther Bejarano und die Zeitzeugenschaft

Geschichtsschreibung Esther Bejarano bei Anne Will machte deutlich, dass Überlebende berichten sollen, wohlwollend getätschelt werden, aber kritische Reflektion unerwünscht ist.

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Esther Bejarano
Esther Bejarano

Foto: Jwh/Wikimedia (CC BY-SA 3.0 LU)

Zeitzeugen sind die Hölle – zitierte die taz schon vor einiger Zeit einen israelischen Historiker. Das soll heimlicher Konsens unter Historikern sein, informierte der Beitrag außerdem. Stimmt durchaus, denn die Historiker beschäftigen sich mit Geschichtsschreibung und da stören Zeitzeugen hin und wieder, wenn sie insistieren: „So war es, ich habe es ja erlebt oder auch umgekehrt.“

In der kürzlichen Anne-Will-Talkshow , die dem die dem 73. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz und der Frage ,wie antisemitisch Deutschland gewidmet war, war Esther Bejarano, Holocaustüberlebende, zu Gast als Zeitzeugin. Sie, die dem Tode durch das Spiel im Mädchenorchester von Auschwitz entkam, meinte, in Deutschland habe es keine Aufarbeitung der Nazivergangenheit gegeben. Mit Deutschland meinte sie natürlich Westdeutschland. Das war hart – z. B. für Monika Grütters (CDU) - die mild lächelnd diese Behauptung ignorierte. Frau Bejarano klagte in einem Interview, das sie vor einiger Zeit in der Rosa Luxemburg-Stiftung gegeben hat Alles ist nahtlos weitergegangen Mir war diese Aussage auch zu hart, denn am Ende adressiert sie diese scharfe Kritik nur an die „politische Klasse“ in Deutschland. Es gab später eine Entwicklung und es gab auch – wenngleich späte – Forschungen über Verstrickungen in Ministerien.

Der Umgang mit der Geschichte in Deutschland und mit Zeitzeugen, wurde im Gespräch mit Frau Bejarano deutlich. Sie sollte konkret erzählen über ihr Schicksal, da kann man betroffen und mitfühlend zuhören und nicken. Aber darüber reflektieren sollte sie nicht. Dafür sind die Historiker und – in diesen Zeiten – die Politiker da und manchmal auch die Psychologen.

Woher kommt die "Rechtsentwicklung"

im Osten Deutschlands ?

Die beschäftigen sich kopfschüttend mit der Rechtsentwicklung in den neuen Bundesländern. Wie war das möglich? Fragen sie. Es ist eine höchst probate Begründung, dafür die „Untertanenmentalität“ und die Zwänge der DDR verantwortlich zu machen, statt die durchaus engagierten und auch künstlerischen Auseinandersetzung mit der Nazivergangenheit in der DDR zu würdigen.

Es ist offensichtlich noch niemandem aufgegangen, dass der wegwerfende Umgang sowohl mit der DDR als auch ihrem Bemühen um Aufarbeitung der faschistischen Vergangenheit ein viel plausiblerer Grund für die Rechtsentwicklung im Osten sein könnte. Sicher nicht der einzige, aber nicht zu unterschätzen.

Alles über Bord zu werfen und zu behaupten, alles am Geschichtsumgang in der DDR sei verlogen und einseitig gewesen, und – Schande – der Holocaust habe in der DDR kaum eine Rolle gespielt, das hat im Osten rechte Kräfte zutiefst ermutigt und Hetze geschürt. Einseitigkeiten im Umgang mit der Nazizeit gab es im Westen genauso – nur seitenverkehrt – es waren da die Kommunisten, die nie entschädigt und deren Widerstand nicht gewürdigt wurde. Esther Bejarano verweist darauf mit Nachdruck.

Auch in der DDR war später ein differenzierter Umgang mit den verschiedenen Gruppen des Widerstandes durchaus üblich. Es tritt da immer wieder eine enorme Selbstgerechtigkeit zu Tage. Wenn man aus dem Osten kommt und alt genug ist, um den Wechsel der Zeiten und auch der Art des Umgangs mit der Vergangenheit zu beurteilen, kann man nur zutiefst ärgerlich werden.

Auch unter https://magdaskram.wordpress.com/2018/01/30/zeitzeugen-sind-ein-elend/

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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