Eugen Drewermann „Kleriker – Psychogramm eines Ideals II

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Ein Lesetagebuch aus biographischem und aktuellem Anlass

Der erste Teil steht hier

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2. Teil

Zwei Vorsprüche zum gleichen Thema:

I. Vorhaben und Verfahren

In beiden Kapiteln begründet Drewermann vielwortig die Wahl der psychoanalytischen Methode für seine Arbeit, wobei er meint, dass sein Unternehmen heikel ist. Es solle aber – so beruhigt er milde – mit dieser Untersuchung keine „politische“ Streitschrift“ entstehen, sondern eher mithilfe der Psychoanalyse der Versuch, besser zu verstehen unternommen werden. „An diesen wesentlich verstehenden, therapeutischen, nicht politischen bzw. aggressiv-polemischen Wert und Gebrauch psychoanalytischer Untersuchungen zu erinnern, erscheint besonders mit Blick auf die möglichen Leser dieses Buches angebracht. Es gibt keine psychoanalytische Einsicht, die nicht aus einem Dialog des Vertrauens zwischen Analytiker und Analysand erwachsen wäre.“

Seine Intention ist es nicht, Masken der Verstellung und Verdrängung von den Gesichtern zu reißen und zu entlarven, sondern zu verstehen. Viel wichtiger sei, sagt Drewermann, dass auch Mitglieder des Klerus, Ordensleute und Kirchenmänner dadurch erfahren können,dass sie Probleme haben dürfen ohne sich gleich nicht mehr im Stande der Gnade zu empfinden.

II. Befund

Auch in diesem Vor-Kapitel, befragt und rechtfertig Drewermann die psychoanalytische Methode erneut. Ist es überhaupt rechtens und angemessen, etwas so Außerordentliches wie dieBerufung zum Priester mit so „einfachen“, „gewöhnlichen“Instrumenten zu erklären.

Da stehe am Ende der menschliche Verstand gegen die Unerforschlichkeit des Göttlichen an.

Das hat mich erheitert, denn hier sehe ich Parallelen, die auch die Abwehr der dogmatischen linken Genossen in der DDR gegenüber den Lehren Freuds erklärt. Auch sie wollten eine so hochwichtige Geschichte wie das Wirken der objektiven Gesetze des Marxismus-Leninismus nicht mit Fragen nach dem Über-Ich verwässern lassen.

Beide so absoluten Dogmen-Vertreter ertragen keine Erschütterung durch Erkenntnisse, die in ihnen Verunsicherung und Zweifel erzeugen können. Drewermann erklärt in vielen Wendungen und immer wieder m.a.W. (mit anderen Worten), dass die Größe Gottes durch seine Methode nicht gemindert wird.

Überhaupt wird das in dem gesamten Buch manchmal lästig bemerkbar, dieser Hang in vielen unterschiedlichen Wendungen immer wieder die gleichen Erkenntnisse zu beschreiben. Es ist kein wissenschaftliches Werk, sondern eine - von vielen Erwägungen gespeiste - Annäherung.

Ein gutes Zitat „Fast alle Untersuchungen zur Frage der Kleriker begehen den Fehler, dass sie von den Idealen ausgehen, die das Leben der Kleriker in institutioneller Pflicht und eidesstattlicher Versicherung prägen Den Idealen der Demut, der Armut und Keuschheit. Aber in solchen Betrachtungen würde unterstellt, dass der Mensch sich verstehen lasse, wenn man Kenntnis gewinne von dem was er will. Das aber ist nicht so. usw. usw. "

Vereinfacht kommt er dann zu dem Schluss: Der Mensch lässt sich weniger durch das verstehen, was er tut, als durch das was ihn treibt.

„Statt als fertig zu definieren, wie das Ideal eines Klerikers beschaffen ist, und dann von oben herab zu dekretieren, dass es dieses Ideal sei, das beim Eintritt in den Klerikerstand de facto erstrebt und befolgt werde, scheint es ungleich menschlicher und wahrhaftiger, sich zu fragen, wie denn jemand überhaupt dazu kommt, ein bestimmtes Ideal als vorbildlich für sich selber zu empfinden“.

Und nach all diesen Vorsprüchen kommt der wirklich erste Teil.

(Nebenher: Die Gliederung ist sowieso unter aller Kanone.)

A die Erwählten oder : Die ontologische Verunsicherung

1. Der Schattenbruder des Schamanen

Das ist ein langes Kapitel, aus dem mir nur eines besonders wichtig erscheint, nämlich, dass der Schamane seine Berufung dramatisch in frühester Kindheit erfährt und sie geht an ihn selbst. Im Grunde ist alles was er dann tut eine Bewältigung dieser traumatisierenden Initiations-Berufung. So habe ich das verstanden. Drewermann vergleicht diese Art der Berufung mit dem, was auch Künstler vielleicht beschrieben würden, wenn sie ihren kreativen Drang bezeichnen sollten. Aber der Kleriker, der Schattenbruder des Schamanen, erlebt eigentlich diese Berufung nicht aus sich selbst sondern über das Amt. Er wird eigentlich schon in der Art, wie diese Berufung definiert wird, entpersönlicht.

Diese Verlagerung des Berufungserlebnisses aus der persönlichen Sphäre in eine Berufung in ein Amt, ist das eigentliche Problem. Überhaupt enthebt das den Kleriker der Frage, welche seelische Entwicklung, welche Kindheitserlebnisse ihn dazu bringen, sich berufen zu fühlen. Denn für die katholische Kirche – die so viele spirituelle und mystische Geschichten unter den Gläubigen vertreibt – sind visionäre-mystische Erlebnisse, wenn sie in der Gegenwart erfolgen höchstens noch akzeptabel, wenn sie so allgemein unter Laien geschehen, scheint mir. Wenn Priester sich auf solche Erlebnisse beriefen, würde das von der Amtskirche als blanker Mumpitz bezeichnet. Bei mir entstand beim Lesen die Frage: Kann ein Visionär, ein Mystiker gleichzeitig „beamtet“ sein. Denn die Kirche ist ja eine Ansammlung von Amtsträgern. Für Ordensleute gilt das in abgewandelter Form. Alles, was nicht zu diesem Amt passt würde ausgesondert. So entstanden vielleicht auch die vielen Ketzer und Häretiker in der Kirche.

2. Der Schattenbruder des Chefs

Wieder ein langes Kapitel, in dem die Studie von Jean Paul Sartre über „Die Kindheit eines Chefs“nacherzählt wird und Parallelen zum Klerikerdasein entdeckt werden. Dieser Fleurier erlebt sehr zeitig, dass sein Umfeld auch immer nur etwas spielt und die Menschen nicht sie selbst sind, er findet die eigene Person nicht, spielt also auch, was von ihm erwartet wird. Er erlebt durch diese Entfremdung etwas, was Drewermann ontologische Verunsicherung nennt. Dieser Begriff wird noch eine umfassende Rolle spielen, weshalb ich ihn erst mal nur einführe. Fleurier erlebt sich – beschrieben über viele Seiten – als einer, der eigentlich nicht ist. Am Ende spielt er auch eine Rolle, die des Nachfolgers des Vaters – er wird Chef. Dieses Chef sein ist – eine abgeleitete Existenzform. Ähnlich ist es – so intendiert Drewermann dann – mit dem Klerikerstand.

Uff, ob das jemandem zu weiteren Lektüre was sein kann, weiß ich nicht. Aber ich bin auch über ergänzende Anmerkungen ganz froh. Davon abgesehen – mit den nächsten Teilen wird es leichter, weil die konkreter sind. Ich werde mich weiter drüber hängen und versuchen, etwas zu erläutern.

Fortsetzung folgt trotzdem

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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