Europäische Emanzipation?

Minsk-II-Abkommen Auch unter diesem Aspekt ist die diplomatische Initiative zu beobachten. Ein schwieriger Drahtseilakt in einem transatlantischen Minenfeld.

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In einem Interview von gestern mit dem Deutschlandfunk

verteidigte Sahra Wagenknecht, stellv Fraktionsvorsitzende der Linken Minsk II gegen die sehr pessimistische Einschätzung des Moderators über die weitere Entwicklung. Ich denke, es war eine sehr wichtige Initiative von Frau Merkel und Herrn Hollande, dieses Minsker Abkommen neu belebt zu haben, diese Gespräche geführt zu haben, und ich sehe es durchaus nicht so negativ wie in Ihrer Anmoderation. Immerhin gibt es ja jetzt einen Gefangenenaustausch. Es scheint auch tatsächlich Bereitschaft zu geben von beiden Seiten, die schweren Waffen zurückzuziehen, und ich finde, jetzt sollte man alles unterlassen, was diesen leise und, ich gebe ja zu, viel zu langsam beginnenden Friedensprozess torpediert. Deswegen ist jetzt nun wirklich nicht die Gelegenheit, über Waffenlieferungen oder neue Sanktionen nachzudenken.

Über Wagenknechts Interview berichteten auch die Nachdenkseiten mit der Überschrift: "Nicht im Schlepptau der USA agieren." Das ist wichtig und richtig und sollte auch hervorgehoben werden, aber die Nachdenkseiten schaffen das, ohne Minsk II überhaupt zu erwähnen. Das tun die nicht gern, denn sonst müssten sie den Namen Merkel mal zustimmend verwenden. Das geht aber nicht, wenn man vorher schon lang und breit überlegt hat, ob die ganze Merkel-Hollande Initiative nicht doch ein böses abgekartetes Spiel der Marionette Merkel ist. Die Frau ist ja zu allem fähig.

Minsk II ist ein zerbrechlich-schwieriges Konstrukt. Und die Bundeskanzlerin muss sich nach allen Seiten absichern, was nicht einfach ist in einem Klima, in dem z. B. Jakob Augstein schon mal ganz Europa überhaupt die Kompetenz und Möglichkeit abspricht, in diesem "Stellvertreterkrieg" der beiden Big Player USA-Russland, vermittelnd zu agieren. Da kann man förmlich erspüren, dass er mit Europa einen Namen verbindet, der ihm offensichtlich Bauchschmerzen macht. Lieber ruft er beide "große Brüder" zur Hilfe. Aber, er ist auch nur der Herold einer merkwürdigen Widersprüchlichkeit: Die USA dominieren uns, aber wir lassen sie das tun, damit wir uns dann drüber beschweren können.

In einer medial durchgeschüttelten Öffentlichkeit, in der man alle Stunden spürt, wie die Pokerrunden weitergehen und niemand weiß, wer am Ende die Nerven behält, wirkt das auf mich, als sei ein Verhandlungserfolg gegenwärtig nicht erstrebenswert, wenn die falsche Seite ihn möglicherweise für sich verbuchen kann.

Es ist ein mediales Meinungsgemetzel, das sich abspielt:

Der stellv. Außenminister der Ukraine erklärt in Kanada, sein Land bereite sich auf einen umfassenden Krieg gegen Putin vor.

Wladimir Putin erklärt, er meine, dass Frankreich und Deutschland ehrlich Frieden wollten.

Wahr ist eines: Der von Sahra Wagenknecht betonte Aspekt, nämlich die Forderung nach einer Europäischen Emanzipation von den USA ist die problematischste Stelle an der Initiative.

Wie schwierig das ist, kann man sich in einem Netz von gewobenen jahrzehntealten Abhängigkeiten und Loyalitätsfallen gut vorstellen.Und noch immer beherrscht ja ein öffentliches Bild die politische Meinung: Merkel als Marionette, Merkel als überloyal gegenüber den USA. Dass sie dieses politische Paket geerbt hat von ihren Vorgängern, auch von denen, die sich einmal lautstark und öffentlich den USA verweigert haben, um hintenrum dann doch kompromissbereitwillig zu agieren, wird dabei nicht gesehen.

Deutlich wird schon seit der ganzen Minsk II-Initiative, was auch Sahra Wagenknecht beobachtet, nämlich, dass die USA versuchen, die Diplomatie zu hintertreiben...

Ich glaube, Washington ist sich da nicht ganz einig. Ich weiß nicht genau, welche Rolle Obama spielt, aber ganz klar ist ja, dass zumindest vonseiten der Republikaner ein massiver Druck existiert, dort möglicherweise auch militärisch in irgendeiner Form den Konflikt zu eskalieren.

Immerhin ist es bemerkenswert, dass Sahra Wagenknecht als Opposition Partei ergreift für die Merkel-Hollande-Initiative. Fairnesss über parteipolitische Grenzen hinweg, das ist gut.

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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